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Die Tücke des Einfachen
Von Stefan Schmöe
Mozarts Menuett D-Dur KV 576b und die Gigue G-Dur KV 574 sind Miniaturen voller harmonischer Überraschungen, wie Alfred Brendel in seiner charmanten Lesung aus dem Bändchen A bis Z eines Pianisten: Ein Lesebuch für Klavierliebhaber, dass er bereits 2012 veröffentlicht hat, treffend bemerkt. Für die musikalische Bestätigung zuständig ist der amerikanische Pianist Kit Armstrong, 27 Jahre alt, den Brendel seit 2005 als Mentor unterstützt und der bereits zum siebenten Mal beim Klavierfestival Ruhr zu hören ist. Mozart sei für Kinder zu leicht und für Erwachsene zu schwer, zitiert Brendel noch den großen Arthur Schnabel. Blöd nur, dass an dem Bonmot eine ganze Menge dran ist: Ein wenig übereifrig betont Armstrong eben jene Reibungen, Dissonanzen und harmonischen Wendungen, und darüber geht Mozarts Leichtigkeit verloren zulasten eines pädagogischen Spiels. Dabei hat Armstrong durchaus Gespür für die Musik Mozarts, wie er im zweiten Satz der C-Dur-Sonate KV 570, der populären Sonata facile, zeigt, die er als zweite Zugabe spielt.
Einen nicht zu leichten, nicht zu schweren Grundton trifft er da, nimmt dann aber Verzierungen zu gewichtig, da fehlt die Selbstverständlichkeit. In drei Choralvorspielen Johann Sebastian Bachs, von ihm selbst von der Orgel auf das das Klavier übertragen, stehen die Töne der Choralmelodie noch allzu unvermittelt nebeneinander, anstatt eine Linie zu ergeben - es sind Feinheiten in der Klangdisposition, die den gewissen Unterschied ausmachen. Keine Frage: Da wächst ein Talent heran, auf das zu achten sich lohnt. Der Reifeprozess indes dauert noch an. Bei Bachs Präludium und Fuge C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier (noch so eine Zugabe, die jeder kennt), entgleitet ihm manchmal für einen Sekundenbruchteil die Kontrolle und das Tempo schwankt ein klein wenig. Dabei sucht er den Königsweg zwischen rhythmischer Strenge und Präzision einerseits, einer atmenden Gestaltung andererseits, unterstützt von einer großen dynamischen Bandbreite - ein Bach-Purist ist Armstrong nicht, sondern stellt den orchestralen Klang heraus, den der Steinway ermöglicht. Ganz im Sinne von Brendels literarischen Anmerkungen: Erst mit einem modernen Konzertflügel seien die Ausdrucksmöglichkeiten dieser Musik auszuloten, nicht aber mit Cembalo oder Hammerklavier.
Die Stücke, die er an diesem Abend spielt, sind technisch meist eher einfach (allein bei Ligetis 10. Etüde Zauberlehrling kann er eindrucksvoll mit Virtuosität brillieren), aber musikalisch hat diese Einfachheit ihre Tücken. Die Nuancen, die hier nötig wären, die kleinen Abstufungen zwischen wichtig und weniger wichtig, die fehlen oder sind zu ungenau. Die unprätentiöse Art des Spiels, der Wille zur feinen, unaufdringlichen Ausgestaltung, die Zurücknahme des Pianisten hinter die Idee des Werks, das erinnert an seinen Mentor Brendel. Gleichwohl bleibt derweil noch vieles vordergründig - und ziemlich brav. Ein leuchtend farbig gespieltes Nocturne von Chopin ist das eine. Die Nachtseite, das dunkel abgründige in der Musik, ist einstweilen noch ein Stück entfernt.
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Klavierfestival Ruhr 2019 Essen-Zollverein, Erich Brost-Pavillon 14. Juli 2019 AusführendeAlfred Brendel, Text und LesungKit Armstrong, Klavier ProgrammJohann Sebastian Bach: Joseph Haydn: Franz Liszt: Wolfgang Amadeus Mozart: Robert Schumann: György Ligeti: Frédéric Chopin: Zugaben: Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge C-Dur BWV 846 aus dem Wohltemperierten Klavier Wolfgang A. Mozart: Sonate C-Dur KV 545 (2. Satz) Klavierfestival Ruhr 2019 - unsere Rezensionen im Überblick
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