Der Tod bleibt klein
Von Stefan Schmöe
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Fotos © Salzburger Festspiele / Marco Borelli (die Aufnahmen entstanden im Konzert am 3.8.2019)
Dieses Konzertprogramm kreist um den Tod. Auf der einen Seite in der pathosgeschwängerten Sicht des fast noch jugendlichen Richard Strauss, der mit der zwischen 1888 und 1890 komponierten symphonische Dichtung Tod und Verklärung für riesiges Orchester zum Komponistenstar aufstieg; auf der anderen mit der 14. Symphonie des schwerkranken Dmitri Schostakowitsch, 1969 weitgehend während eines Klinikaufenthalts konzipiert und eigentlich ein Liederzyklus für Sopran, Bariton und Kammerorchester - ein nüchternes (oder besser: ernüchtertes) Werk ohne die Gloriole der Verklärung. Dazu kommt das Vorspiel zum Parsifal von Richard Wagner, das bestenfalls indirekt mit dem Tod zu tun hat, aber 1882 in zeitlicher, in seiner Verbindung von Kunst und Religion natürlich auch in enger Nähe zum Werk von Richard Strauss steht.
Dirigent Franz Welser-Möst nimmt eben dieses Parsifal<-Vorspiel eher flott und mit samtener rhythmischen Unschärfe, lässt die Wiener Philharmoniker mit warmem, im Detail nicht allzu pointierten Sound spielen, wobei vor lauter klangprächtigem Rauschen der hervorgehobenen Mittelstimmen sich das Gralswunder in den Oberstimmen musikalisch einigermaßen unbemerkt vollzieht. (Dem stoisch unbewegten Welser-Möst sieht man auch nicht unbedingt an, dass hier in der Musik Ungeheuerliches geschieht.) Das delikat musizierte, dabei nicht allzu aufregende Vorspiel bleibt dabei ziemlich pauschal, als käme es auf Details nicht so an.
Nach dem As-Dur-Konzertschluss des Werkes geht es ohne Atempause sofort weiter mit dem dadurch recht irritierenden c-Moll-Beginn von Tod und Verklärung. Wirklich schlüssig ist diese starke Verzahnung beider Werke nicht, wirkt vielmehr dramaturgisch arg bemüht. Dafür klingt das Orchester plötzlich anders, nuancierter, die Klangfarben werden plastischer hervorgehoben. In den Fieberschüben des Sterbenden, die Straus hier vertont, entwickelt Welser-Möst große Dramatik, verhindert aber nicht, dass die Musik in der Akustik des Großen Festspielhauses arg dick und überinstrumentiert klingt, da fordert das Riesenorchester seinen Tribut. Welser-Möst orientiert sich eher am formal-musikalischen Aufbau als am außermusikalischen Programm (das - nach der Komposition verfasste - Gedicht des Strauss-Freundes Alexander Ritter, das minutiös die Abläufe beschreibt, ist auch im Programmheft nicht abgedruckt), er betont die musikalische Großform. Die Verklärungsmusik dirigiert er angenehm zurückhaltend ohne das ganz große Pathos, baut dafür sehr sorgfältig die langsame Steigerung auf: Ein Sterben in Eleganz, aber auch ohne große Jenseitsvision.
Der aufregendere Teil des Konzerts ist der zweite mit Schostakowitschs 14. Symphonie. Bedauerlich, dass die Texte (Lorca, Apollinaire, Küchelbecker und Rilke) nicht mittels der Übertitelungsanlage eingeblendet werden, was bei Opernaufführungen schließlich längst Standard ist. Welser-Möst setzt klanglich auf extreme Kontraste: War vorher bei Richard Strauss erschlagende Opulenz angesagt, so bei Schostakowitsch kammermusikalische Verknappung, die sicher an vielen Stellen angesagt ist, aber insgesamt fehlt bei aller Klarheit mitunter die symphonische Geste, die Schostakowitsch eben auch einkomponiert hat. Am besten gelingt die im 10. Satz Der Tod des Dichters auf ein Gedicht von Rilke mit ätherisch entrücktem Violinsatz, den die Abordnung der Wiener betörend schön spielt. Eine Nummer zuvor ("An Delvig" auf ein Gedicht von Wilhelm Küchelbecker, einem Dichter aus dem Umfeld Puschkins) geraten Dirigent und Orchester allerdings in die Espressivo-Falle dieses spätromantisch anmutenden Satzes, der vor lauter unerwartetem Vibrato unfreiwillig parodistisch erscheint. In den "trockenen" Passagen wie der in den hohen Streichern ziemlich mechanisch abgespulten Nummer zwei Malague ña (Text: Frederico Garcia Lorca) oder der vom Schlagwerk dominierten Les Attentives I (Auf der Wacht, Guilleaume Apollinaire) fehlt es an rhythmischer Spannung, ja: an tänzerischem "drive", da bleibt die Musik recht hölzern.
Asmik Grigorian und Matthias Goerne waren die Hauptdarsteller im Salzburger Wozzeck 2017, Grigorian zudem die gefeierte Salome im vorigen Jahr. Mit ihrer geheimnisvoll dunkel timbrierten, leuchtkräftigen, strahlenden Stimme, differenziert geführt und auch mit den vom Komponisten geforderten resignativ fahlen Klängen, mit differenzierter Gestaltung und Gespür für die Orchesterfarben ist ihr Gesang der unbestrittene Höhepunkt des Konzerts. Matthias Goerne singt seinen Part wie gewohnt couragiert und gut durchgestaltet, wobei es der Stimme an Glanz und damit einem Teil der Ausdruckspalette fehlt.
Die Lakonie des extrem knappen, trostlosen Finales (Schlusßstück, Rainer Maria Rilke: "Der Tod ist groß. […] Wenn wir uns mitten im Leben meinen,/ wagt er zu weinen/ mitten in uns.") kommt ein wenig unvorbereitet, und wenn Welser-Möst mit erhobenen Armen nach dem letzten Ton eine lange Pause einfordert, dann lässt sich darüber streiten, ob diese Betroffenheitsgeste nicht doch ein wenig aufgesetzt ist und natürlicher aus der musikalischen Interpretation hätte erwachsen müssen. Der Tod bleibt in diesem Konzert eine eher vordergründige Angelegenheit.
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Ausführende
Asmik Grigorian, Sopran
Matthias Goerne, Bariton
Wiener Philharmoniker
Dirigent: Franz Welser-Möst
Werke
Richard Wagner:
Vorspiel zum Bühnenweihfestspiel Parsifal
Richard Strauss:
Tod und Verklärung op.24
Dmitri Schostakowitsch :
Symphonie Nr. 14 G-Dur op. 135
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