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In a sentimental mood
Von Stefan Schmöe / Fotos: Peter Wieler
So ganz glücklich schien Till Brönner nicht zu sein mit dem Setting dieses Konzerts, das im Juni hätte stattfinden sollen, dem Lockdown zum Opfer fiel und nun im Rahmen der "geretteten Konzerte" des Klavier-Festival Ruhr nachgeholt wurde - in der dem Augenschein nach halb gefüllten Essener Philharmonie mit Abstand zwischen den Besuchern (dafür durfte, anders als in der Kölner Philharmonie, der Mund-Nasen-Schutz am Platz abgenommen werden). In Brönners Moderation drehte sich arg viel um die Pandemie und die Folgen, dabei durfte man doch froh sein, anderthalb Stunden (ohne Pause) einem exzellenten Septett zuhören zu dürfen. Einer war freilich nicht dabei, der amerikanische Keyboarder Bob James, der aktuell nicht nach Europa reisen kann. Als Ersatz eingesprungen ist Olaf Polziehn, der mit butterweichem Anschlag das Konzert eröffnete. In a sentimental mood, Duke Ellington und John Coltrane haben das einst gespielt, eigentlich ein Stück zum Ausklang, hier irgendwie programmatisch an den Anfang gestellt. Polziehn darf lange am Klavier vor sich hinträumen, bis Brönner einsetzt.
Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr
Der Anfang gehört also dem Klavier, man ist schließlich beim Klavier-Festival Ruhr, aber im Zentrum des Abends steht Ausnahmetrompeter Till Brönner. Rauchig, verhaucht setzt er ein, schnell sehr virtuos, aber die Melancholie dominiert. Ein intimer, ein hinreißender Beginn. In der zweiten Nummer des Abends gesellt sich Bassist Christian von Kaphengst dazu, zunächst den Kontrabass markant und mit drängend intensivem Drive zupfend - Leonard Cohens A thousand kisses deep, auch eine ruhige Nummer. Mit Tony Bennetts A good life aus den 1960er-Jahren hellt sich die Stimmung vorsichtig auf, in Return tot he Fold, einer eigenen Komposition Brönners, spielt zum ersten Mal das komplette Septett zusammen - mit Jan Miserre an den Keyboards und Bruno Müller an der Gitarre (beide den Abend über eher unterbeschäftigt), dem Drummer David Haynes (der erst ganz am Ende des Abends einen großen Auftritt bekommt, siehe unten), vor allem aber mit Mark Wyand am Tenorsaxophon, der Brönner mehrfach mit formidablen Soli herausfordert. Wobei Brönner letztendlich immer klarstellt, wer hier der Chef ist.
Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr
Ein Song von Michel Legrand, Once upon a summertime, bringt mit einer Mischung aus Nostalgie und Wehmut schönes Pariser Flair; Brönner trägt vorab den Text der englischen Version (Johnny Mercer) vor. Mit einer Nummer des brasilianischen Komponisten Toninho Horta bringt Brönner eine ganz andere, lateinamerikanische Farbe ein, und schließlich kommt mit Europa von Carlos Santana noch ein Gassenhauer in einer mitunter fast psychedelisch anmutendenen Version, geprägt auch von schönen Duetten von Trompete und Saxophon, die hervorragend harmonieren. Als Zugabe dann Happy (Pharell Williams), da werden bei aufgehellter Stimmung noch einmal alle Register gezogen, vor allem aber gehört die Show jetzt dem Schlagzeuger David Haynes mit einem Wahnsinnssolo. Das Publikum hätte gerne noch mehr gehört. Dass Brönner und Band nicht mochten, mag auch an der merkwürdigen Atmosphäre gelegen haben - vom dicht besetzten Club ist die halb leere - halb volle - Philharmonie halt doch entfernt. Eine Spur zu viel Routine und ein bisschen wenig Aufbruchsstimmung haben Till Brönner und seine "piano friends", auch wenn musikalisch zweifellos auf Spitzenniveau, nach Essen mitgebracht. Man befindet sich eben doch noch in a sentimental mood.
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Klavier-Festival Ruhr 2020 - JazzLine Essen, Philharmonie 31. August 2020 AusführendeTill Brönner, TrumpetOlaf Polziehn, Piano Mark Wyand, Saxophone Jan Miserre, Keys Bruno Müller, Guitar Christian von Kaphengst, Bass David Haynes, Drums ProgrammIn A Sentimental MoodA Thousand Kisses Deep The Good Life Return To The Fold Once Upon A Summertime Europa
Happy
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