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Furioser Belcanto-Abschluss eines digitalen FestivalsVon Thomas Molke In einer Zeit, in der die Corona-Pandemie Reisen fast unmöglich macht, hat die neue künstlerische Leiterin Rosetta Cucchi es geschafft, das Wexford Festival Opera, zu dem normalerweise Opernfans aus der ganzen Welt in das beschauliche Küstenstädtchen an der Südostküste Irlands kommen, digital auf die heimischen Computer zu bringen und so dem Publikum eine Woche lang unvergessliche Abende zu bescheren. Den Anfang hat Rossinis Petite messe solennelle aus dem National Opera House gemacht, an dem unter anderem die irische Sopranistin Claudia Boyle und der sizilianische Tenor Pietro Adaíni als Solisten beteiligt waren. Für den Abschluss war eigentlich ein Konzert mit Lisette Oropesa geplant, die allerdings aufgrund der geltenden Reisebeschränkungen nicht nach Wexford kommen konnte. So haben sich Claudia Boyle und Pietro Adaíni bereit erklärt, das Abschlusskonzert gemeinsam mit dem Wexford Festival Orchestra unter der Leitung von Francesco Cilluffo aus dem National Opera House zu gestalten, und es würde den beiden nicht gerecht werden, spräche man hierbei von einem Ersatz. Stattdessen machen sie einen Streifzug durch die wunderbare Welt des Belcanto, einer wichtigen Säule, für die das Wexford Festival Opera seit nunmehr fast 70 Jahren steht. Den Auftakt macht das Wexford Festival Orchestra mit einer Ouvertüre, die direkt in zweifacher Hinsicht einen besonderen Bezug zum Festival hat. Zum einen ist der Ire Michael William Balfe der Komponist, mit dem das erste Festival 1951 begann. Damals wurde seine Oper The Rose of Castile gespielt. Zum anderen hat auch er einen Falstaff komponiert, der in diesem Jahr in den Falstaff Chronicles von der Wexford Factory in der bekannten Fassung von Giuseppe Verdi zu erleben war. Das Wexford Festival Orchestra macht bei der Ouvertüre deutlich, dass Balfe es mit seinem schwungvollen Stil durchaus mit den berühmten Belcanto-Größen aufnehmen kann. Der wichtigste Komponist über die Jahre gesehen dürfte für das Festival Gaetano Donizetti gewesen sein, von dessen Opern in den vergangenen Jahrzehnten fast 20 Stück auf dem Spielplan gestanden hat, wobei die "Short Works" noch nicht mit eingerechnet sind. Somit sind seine Werke in diesem Konzert am häufigsten vertreten. Abwechselnd sind nun Claudia Boyle und Pietro Adaíni mit Belcanto-Arien zu erleben. Boyle widmet sich dabei zunächst der weniger bekannten Titelheldin aus Donizettis Linda di Chamounix, bevor sie die berühmte Arie der Lucia aus Donizettis Oper Lucia di Lammermoor, "Regnava nel silenzio", präsentiert. In beiden Arien glänzt Boyle mit leuchtenden Höhen und zart angesetzten Spitzentönen, die bei Lucia schon ankündigen, dass sie am Ende der Oper dem Wahnsinn verfallen wird. Absolut lebensfroh zeigt sie sich in Juliettes Arie "Je veux vivre" aus Charles Gounods Roméo et Juliette. Juliette hat in diesem Moment noch nicht Roméo getroffen und blickt zuversichtlich in eine positive Zukunft. Dies macht Boyle mit leicht perlenden Koloraturen und großer Flexibilität in den Höhen deutlich. Pietro Adaíni beginnt mit der wohl berühmtesten Tenorarie: "Una furtiva lagrima" aus Donizettis L'elisir d'amore. Mit wunderbar ausgesungenen Bögen macht er die Verzweiflung des jungen Nemorino, der von der geliebten Adina zurückgewiesen wird, deutlich. Sein heller Tenor singt die Höhen wunderbar aus. Anschließend präsentiert er die Arie des Prinzen Ramiro aus Rossinis La Cenerentola. Hier begeistert er vor allem in der mittleren Lage. Bei den Spitzentönen stößt er allerdings ein wenig an seine Grenzen und muss stark forcieren, um die Töne sauber zu treffen. Gleiches gilt für die absolut anspruchsvolle Arie des Toni aus Donizettis La fille du régiment.. Den hohen "Cs" fehlt es ein wenig an Leichtigkeit, auch wenn er ansonsten die Freuden des jungen Mannes absolut glaubhaft präsentiert.
Das Orchester rahmt die Darbietungen der beiden Solisten jeweils mit Ouvertüren
von Bellini und Donizetti ein. Die auf der Bühne sitzenden Musiker*innen tragen
trotz gewisser Abstände untereinander mit Ausnahme der Bläser*innen alle einen
Mund-Nasen-Schutz. Die Bläser*innen sind jeweils durch Trennwände aus Plexiglas
von den anderen Musiker*innen getrennt. So kann man bei allem musikalischen
Genuss leider nicht vergessen, welchen Einschränkungen auch das Kulturleben
momentan unterliegt. Zum Abschluss präsentieren Boyle und Adaíni dann das Duett
der Gilda und des Herzogs aus Verdis Rigoletto. Die beiden haben einander
ihre Liebe gestanden und hoffen auf ein baldiges glückliches Wiedersehen. Ein
glückliches Wiedersehen ist wohl auch das, was sich das Publikum für das 70.
Festival 2021 sehnlichst wünscht. Mit diesem eindringlich gestalteten Duett
endet das Konzert und damit auch ein denkwürdiges digitales Festival.
FAZIT
Rosetta Cucchi hat es geschafft, dieses Online-Festival zu einem Erlebnis zu
machen, das zwar ein reales Festival nicht ersetzen kann, aber viel Trost in
einer schweren Zeit bietet.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2020
Programm:
Michael William Balfe: Ouvertüre aus Falstaff
Gaetano Donizetti: "Una furtiva lagrima" aus L'elisir d'amore (Pietro
Adaíni)
Gaetano Donizetti: "O luce di quest' anima" aus Linda di Chamounix
(Claudia Boyle)
Vincenzo Bellini: Ouvertüre aus I Capuleti e i Montecchi
Gaetano Donizetti: "Regnava nel silenzio" aus Lucia di Lammermoor
(Claudia Boyle)
Gioachino Rossini: "Sė, ritrovarla io giuro" aus La Cenerentola (Pietro
Adaíni)
Gaetano Donizetti: Ouvertüre aus Don Pasquale
Charles Gounod: "Je veux vivre" aus Roméo et Juliette (Claudia Boyle)
Gaetano Donizetti: "Ah! mes amis, quel jour de fête!" aus La fille du
régiment (Pietro Adaíni)
Giuseppe Verdi: "È il sol dell' anima" aus Rigoletto (Claudia Boyle,
Pietro Adaíni) |
AusführendeFrancesco Cilluffo, Musikalische LeitungClaudia Boyle, Sopran Pietro Adaíni, Tenor Wexford Festival Orchestra
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- Fine -