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Wexford Festival Opera
11.10.2020 - 18.10.2020


Falstaff Chronicles

Sechs Episoden aus Falstaff
Libretto von Arrigo Boito
Musik von
Giuseppe Verdi

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: insgesamt ca. 2 h 5' verteilt auf insgesamt sechs Tage

Aufführungen im National Opera House in Wexford am 12.10.2020 - 17.10.2020



 

 

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Verdis Alterswerk als Daily Soap

Von Thomas Molke

Mit Beginn ihrer künstlerischen Leitung des Wexford Festival Opera hat Rosetta Cucchi die "Wexford Factory" gegründet. Hier können bis zu 15 ausgewählte irische Sänger*innen in einem Workshop jeweils einen Monat vor dem Festival im September eine Meisterklasse genießen, zu der namhafte Lehrer*innen anreisen werden. Für 2020 war z. B. Juan Diego Flórez für zwei Tage eingeplant. Im Rahmen dieser Meisterklasse steht auch jeweils die Erarbeitung einer Opernaufführung auf dem Programm. In diesem Jahr sollte passend zum Thema "Shakespeare in the Heart" eine Kurzfassung von Verdis Falstaff erarbeitet und an vier Vormittagen im National Opera House präsentiert werden. Wegen der anhaltenden Corona-Beschränkungen findet das Festival in diesem Jahr nur online statt. Während dabei auf die drei großen Opernproduktionen verzichtet werden muss, hat die Meisterklasse trotzdem stattgefunden, und Publikumsliebling Roberto Recchia hat im Rahmen dieser Meisterklasse mit 13 jungen Sänger*innen Verdis Alterswerk in Szene gesetzt. Aus den vier geplanten Aufführungen sind nun sechs Teile geworden, die in Form einer Daily Soap an sechs aufeinander folgenden Tagen unter dem Titel Falstaff Chronicles online zu verfolgen sind. Im Programmheft werden sie als sechs ca. 15-minütige Episoden angekündigt. Insgesamt sind sie allerdings ein bisschen länger, da jede Episode ein komplettes Bild der Oper umfasst. Somit handelt es sich nicht um eine Kurzfassung. Stattdessen kann man den kompletten Falstaff in sechs Teilen erleben. Musikalisch untermalt werden die Episoden von Carmen Santoro am Klavier.

Verdi hatte sich eigentlich schon in den wohlverdienten Ruhestand auf sein Landgut Sant'Agata zurückziehen wollen, als Arrigo Boito ihn aufgrund eines erstklassigen Librettos doch noch einmal überreden konnte, eine Oper auf einen Shakespeare-Stoff zu vertonen. Dabei greift die Oper eigentlich direkt auf drei Shakespeare-Dramen zurück, aus denen 10 Charaktere herausgeschält und zu einer Geschichte um den alternden Ritter Sir John Falstaff zusammengefasst werden: die beiden Königsdramen Henry IV. und Henry V. und natürlich The Merry Wives of Windsor. Falstaff, der mit seinen Dienern Bardolfo und Pistola ein ausschweifenderes Leben führt, als es seine Finanzen zulassen, plant, durch eine lukrative Liaison mit den beiden verheirateten Damen, Alice Ford und Meg Page, zum einen seine Libido zu befriedigen und zum anderen seine finanziellen Probleme zu lösen. Doch Alice und Meg sind nicht darüber begeistert, von Falstaff einen identischen Liebesbrief zu bekommen, und beabsichtigen dem eitlen Geck eine Lektion zu erteilen. Folglich lässt sich Alice scheinbar auf ein Rendezvous ein, versteckt aber, als ihr Gatte unerwartet nach Hause kommt, den vermeintlichen Liebhaber in einer Wäschekiste mit schmutziger Wäsche, die die Diener in die Themse kippen. Doch damit haben die beiden Frauen noch nicht genug. Unter dem Vorwand der Reue locken sie den Ritter des Nachts in den Park von Windsor zu Hernes Eiche, wo sie ihm nahezu unter Beteiligung des ganzen Dorfes einen Mummenschanz mit Elfen und Kobolden vorspielen, an dessen Ende Falstaff von der maskierten Schar gepiesackt und verprügelt wird. Falstaff ist allerdings nicht der einzige, dessen Pläne durchkreuzt werden. Auch Fords Idee, seine Tochter Nannetta mit dem etwas älteren Dr. Cajus zu verheiraten, wird bei der Maskerad verhindert, indem Nannetta in ein anderes Kostüm schlüpft und somit mit ihrem Geliebten Fenton vermählt wird. So bleibt am Ende für alle die Erkenntnis: "Tutto nel mondo è burla, l'uom è nato burlone" (Alles auf der Welt ist Spaß, der Mensch ist als Narr geboren).

Bühnenbildnerin Serena Treppiedi arbeitet mit einem Fadenvorhang, auf den jeweils das Bühnenbild projiziert wird. Kleinere Requisiten wie ein Tisch oder eine Telefonzelle deuten neben dem projizierten Hintergrund an, wo man sich gerade befindet. Die Partien des Falstaff, der Alice Ford und der Nannetta sind jeweils doppelt besetzt. Während sich Rory Dunne und David Howes als Falstaff, Francesca Federico und Jade Phoenix als Alice und Kathleen Norchi und Sarah Shine als Nannetta in den ersten fünf Episoden in den Partien jeweils abwechseln, kommen im letzten Teil beim Mummenschanz alle zum Einsatz, was Falstaffs Verwirrung noch vergrößert. Die Kostüme, für die ebenfalls Treppiedi verantwortlich zeichnet, sind recht modern gehalten. Beim Mummenschanz im letzten Bild wird mit zahlreichen Tiermasken und Umhängen gearbeitet, die die Figuren gut verbergen. Weiße Luftballons, die in grünende Zweige gesetzt sind, verleihen der Szene einen märchenhaften Anstrich. Die berühmte Eiche, an der Falstaff zur Rechenschaft gezogen wird, ist ein roter Hydrant.

Besonders witzig gelingt auch die vierte Episode, in der Falstaff mit der schmutzigen Wäsche in der Themse landet. Hier befindet sich zwar ein Wäschekorb auf der Bühne, in den Rory Dunne als Falstaff aber nicht vollständig hineinpasst und der somit als Versteck vor dem eifersüchtigen Ford nicht geeignet ist. Daneben liegt eine riesige weiße Kompost-Tüte, in die Falstaff nun steigt und dabei nicht von Kleidung, sondern von diversen Kompostsäcken bedeckt wird. Wenn diese Tüte "entsorgt" werden soll, reichen die drei gerufenen Dienstboten nicht aus. Da müssen schon Alice, Meg, Nannetta und Mrs. Quickly höchstpersönlich mit anfassen, um die Tüte mit dem wohlbeleibten Falstaff über einem geöffneten Gully-Deckel im Bühnenboden zu entleeren. Nach diesem Erlebnis wundert man sich schon, dass sich der gebeutelte Falstaff in der fünften Episode von Mrs. Quickly erneut zu einem Rendezvous mit Alice überreden lässt.

Die jungen Sänger*innen der Wexford Factory begeistern nicht nur durch überbordende Spielfreude sondern auch durch guten Gesang. Da sind zunächst Rory Dunne und David Howes in der Titelpartie zu nennen. Beide verleihen dem selbstgefälligen Ritter mit dunklem Bariton und humoristischem Spiel eine gewisse Portion Selbstironie, die ihn am Ende, nachdem er eigentlich von allen zum Teufel gejagt worden ist, doch wieder in gewisser Weise die Oberhand gewinnen lassen, wenn er über Ford triumphiert, der seine Tochter mit dem Mann verheiratet hat, den er nicht für sie geplant hatte. Gianni Giuga begeistert als Ford mit kräftigem Bariton und witzigem Spiel, wenn er zwar meint, die Fäden in der Hand zu halten, dabei seiner Frau jedoch an Cleverness unterlegen ist. Jade Phoenix und Francesca Federico statten die Partie der begehrten Alice Ford mit dunklem Sopran und großem Spielwitz aus. Im letzten Bild, wenn sie beide maskiert um Falstaff herumschwirren, ergänzen sie einander hervorragend. Kathleen Norchi und Sarah Shine gestalten die Partie der Nannetta mit mädchenhaft leuchtendem Sopran und strahlenden Höhen. Mit Andrew Gavin steht den beiden ein jugendlicher Fenton zur Seite, der mit hellem Tenor überzeugt. Großes komisches Talent beweist auch Anna Brady als Mrs. Quickly, die mit viel Geschick die Fäden zieht und es auch im dritten Akt noch schafft, Falstaff zu einem Rendezvous mit Alice zu überreden. Dabei punktet sie mit warmem Mezzosopran. Auch Sarah Richmond überzeugt als Meg Page mit großem Spielwitz. Conor Prendiville gestaltet die undankbare Partie des Dr. Cajus mit beweglichem Tenor und großer Komik. Erst wird ihm von Falstaff und dessen Gefährten übel mitgespielt. Dann verliert er auch noch die ihm versprochene Nannetta an seinen Rivalen Fenton. Vladimir-Mihai Sima und Conall William O'Neill runden als leicht einfältige Gefährten Bardolfo und Pistola das Ensemble mit viel Spielwitz ab.

FAZIT

Es bleibt zu hoffen, dass diese kurzweilige Inszenierung auch im nächsten Jahr mit der Wexford Factory für das Festival einstudiert wird und dass dann ein genauso spielfreudiges Ensemble zur Verfügung steht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Carmen Santoro

Regie
Roberto Recchia

Bühne und Kostüme
Serena Treppiedi

Licht
Eoin McNinch

 

Besetzung

Sir John Falstaff
Rory Dunne /
David Howes

Ford
Gianni Giuga

Alice Ford
Francesca Federico /
Jade Phoenix

Nannetta
Kathleen Norchi /
Sarah Shine

Meg Page
Sarah Richmond

Mrs. Quickly
Anna Brady

Fenton
Andrew Gavin

Dr. Caius
Conor Prendiville

Bardolfo
Vladimir-Mihai Sima

Pistola
Conall William O'Neill

Waiters
Andrea Valfrè
Luisa Baldinetti
Sara Catellani

 


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