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Für die Opfer der Covid-19-PandemieVon Thomas Molke
A
Nach ein paar Grußworten des irischen Präsidenten, Michael D. Higgins, in denen
unter anderem die Bedeutung des kulturellen Lebens auch in derart schwierigen
Zeiten hervorgehoben wird, wird live in das National Opera House geschaltet, wo
man Tara Erraught und Claudia Boyle auf der linken Seite des ersten Klaviers,
Pietro Adaíni und John Molloy auf der rechten Seite des zweiten Klaviers, in der
Mitte Andrew Synnott am Harmonium und dahinter den dreizehnköpfigen Chor sieht,
der sich aus Mitgliedern der neu gegründeten Wexford Factory zusammensetzt, die
Cucchi als neue Plattform für junge irische Künstler*innen und Musiker*innen
gegründet hat. In gut ausgesteuertem Klang kann man im Anschluss Rossinis
Meisterwerk verfolgen. Leider werden keine Untertitel eingeblendet, aber
vielleicht geht man davon aus, dass die Teile der Messe den Zuhörer*innen
bekannt sind.
Als Rossini sein "Alterswerk", die Petite messe solennelle schuf, hatte
er sich schon lange vom Theaterleben zurückgezogen und die Zeit damit verbracht,
andere Komponisten, wie beispielsweise Johann Sebastian Bach, zu studieren und
stundenlang am Klavier zu improvisieren. In dieser Zeit schuf er rund 150 Vokal-
und Klavierkompositionen, die er in einer mehrbändigen Anthologie unter dem
Titel Péchés de vieillesse (Alterssünden) zusammenfasste. Auch wenn die
Petite messe solennelle nicht zu dieser Anthologie gehört, bildet sie
trotzdem den Höhe- und Schlusspunkt dieser Schaffensperiode. Ausgangspunkt für
die Komposition mag wohl der Tod seines Schweizer Freundes und Schützlings Louis
Niedermeyer am 14. März 1861 gewesen sein, dem Rossini im Frühjahr des
darauffolgenden Jahres ein vierstimmiges "Kyrie" widmete, das das "Christe
eleison" Niedermeyers einrahmte. Ein Jahr später erweiterte Rossini diesen Satz
um ein sechsteiliges "Gloria" mit einem dreiteiligen "Credo" für vier Solisten
und achtstimmigen Chor. Mit dem "Credo" entschied sich Rossini auch, die
Klavierbegleitung um ein Harmonium zu ergänzen. Für die Einweihung des
prunkvollen Palais seines adligen Bankierfreunds Alexis Pillet-Will entschloss
sich Rossini, diese Messe um ein A-cappella "Sanctus" und ein "Agnus Dei" zu
ergänzen. Der Chor wurde auf 15 Stimmen erweitert, und da nicht alle Gäste im
Saal Platz fanden und auch die beiden angrenzenden Räume genutzt werden mussten,
erweiterte Rossini die Besetzung um ein zweites Klavier. Während der
Probenarbeit entschied sich Rossini auch noch, zwischen dem "Credo" und dem
"Sanctus" ein reines Klavierstück einzufügen, das er dem Album de chaumière
entnahm und es in "Prélude religieux pendant l'Offertoire" umbenannte. In dieser
Fassung erlebte die Petite messe solennelle im Haus Pillet-Will bis 1865
insgesamt zwei sehr erfolgreiche Aufführungen. Nach der zweiten Aufführung schuf
er auch noch eine Orchesterfassung, gab allerdings der ursprünglichen Form
zeitlebens den Vorzug.
Schon beim einleitenden "Kyrie" erkennt man im Vergleich zu anderen Messen
Rossinis Eigenheiten, die betonen, dass er, wie er selbst einmal gesagt hat, für
die Oper buffa geboren sei. So klingt das "Kyrie" nicht erhaben und schwer,
sondern beinahe schon wie eine Parodie und wird mit zahlreichen leichtfüßigen
Variationen versehen. Auch bei den Soli lassen die Verzierungen den großen
Belcanto-Meister erkennen. John Molloy interpretiert mit profundem Bass das "Quoniam"
und überzeugt mit beweglichen Läufen. Pietro Adaíni gestaltet den Anruf "Domine
Deus" mit strahlendem Tenor, und Claudia Boyle punktet beim "Qui tollis" mit
leuchtendem Sopran. Der musikalisch bewegendste Part ist der Altstimme
vorbehalten. Tara Erraught begeistert mit satten Tiefen und macht mit samtig
weichem Klang das "Agnus Dei" am Ende der Messe zu einem Glanzpunkt. Die sechs
Sängerinnen und sieben Sänger des Wexford Factory Ensembles überzeugen durch
homogenen Klang. Finghin Collins und Carmen Santoro unterlegen die einzelnen
Passagen an den beiden Klavieren sehr lautmalerisch. Im "Credo" bei der Zeile "descendit
de coelis" wird mit der musikalisch absteigenden Tonleiter gewissermaßen eine
Art Sternenregen hörbar. Andrew Synnott verleiht mit dem Harmonium besonders bei
der Einleitung zum "Sanctus" dem Werk einen sakralen Klang. Interessant ist
auch, wie die aufsteigenden Harmonien die Wiederauferstehung vorwegnehmen und
Hoffnung geben, Hoffnung, die wir auch in der momentanen Situation auf keinen
Fall sinken lassen dürfen.
FAZIT
Rossinis Petite messe solennelle stellt einen gelungenen Einstieg in
dieses Online-Festival dar.
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AusführendeMusikalische LeitungKenneth Montgomery Erstes Klavier Zweites Klavier Harmonium Chor SolistenSopran
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- Fine -