Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Wexford Festival Opera
11.10.2020 - 18.10.2020


Petite messe solennelle

für Soli, Chor, zwei Klaviere und Harmonium
Musik von Gioachino Rossini

In lateinischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (keine Pause)

Aufführung im National Opera House in Wexford am 11.10.2020



 

 

Homepage

Für die Opfer der Covid-19-Pandemie

Von Thomas Molke

Als die neue künstlerische Leiterin Rosetta Cucchi auf der Pressekonferenz zum diesjährigen Wexford Festival Opera ihr Programm unter dem Titel "Shakespeare in the Heart" ankündigte, versprach sie unter anderem auch eine Aufführung von Rossinis Petite messe solennelle in der originären Fassung für zwei Klaviere, ein Harmonium, Chor und vier Solisten. Auch wenn dieses Alterswerk nichts mit Shakespeare zu tun habe, sei es ihr, die wie Rossini aus Pesaro stammt, eine Herzensangelegenheit, diese außergewöhnliche Messe, die bei allen sakralen Elementen immer die Leichtigkeit des Schwans von Pesaro durchschimmern lässt, in der Rowe Street Church zur Aufführung zu bringen. Nun hat die immer noch andauernde Corona-Pandemie auch dem Wexford Festival Opera einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aus dem Festival "Shakespeare in the Heart" wurde "Waiting For Shakespeare... The Festival in the Air", ein Online-Festival, bei dem das Publikum auf der ganzen Welt, das die alljährliche Reise nach Wexford sicherlich schwer vermissen wird, als kleines Trostpflaster über kostenlose Live-Streams im Internet dennoch einen Hauch von Wexford im heimischen Wohnzimmer spüren kann. Auf die drei geplanten großen Opernaufführungen muss in diesem Jahr zwar verzichtet werden. Aber Rossinis Petite messe solennelle bleibt im Programm, weil das Werk in der kleinen Besetzung auch in der momentanen Situation unter Einhaltung sämtlicher Hygiene- und Abstandsregeln aufführbar scheint. Cucchi eröffnet das diesjährige Festival mit dieser Messe und widmet die Aufführung den zahlreichen Opfern, die die Covid-19-Pandemie bereits gefordert hat.

Nach ein paar Grußworten des irischen Präsidenten, Michael D. Higgins, in denen unter anderem die Bedeutung des kulturellen Lebens auch in derart schwierigen Zeiten hervorgehoben wird, wird live in das National Opera House geschaltet, wo man Tara Erraught und Claudia Boyle auf der linken Seite des ersten Klaviers, Pietro Adaíni und John Molloy auf der rechten Seite des zweiten Klaviers, in der Mitte Andrew Synnott am Harmonium und dahinter den dreizehnköpfigen Chor sieht, der sich aus Mitgliedern der neu gegründeten Wexford Factory zusammensetzt, die Cucchi als neue Plattform für junge irische Künstler*innen und Musiker*innen gegründet hat. In gut ausgesteuertem Klang kann man im Anschluss Rossinis Meisterwerk verfolgen. Leider werden keine Untertitel eingeblendet, aber vielleicht geht man davon aus, dass die Teile der Messe den Zuhörer*innen bekannt sind.

Als Rossini sein "Alterswerk", die Petite messe solennelle schuf, hatte er sich schon lange vom Theaterleben zurückgezogen und die Zeit damit verbracht, andere Komponisten, wie beispielsweise Johann Sebastian Bach, zu studieren und stundenlang am Klavier zu improvisieren. In dieser Zeit schuf er rund 150 Vokal- und Klavierkompositionen, die er in einer mehrbändigen Anthologie unter dem Titel Péchés de vieillesse (Alterssünden) zusammenfasste. Auch wenn die Petite messe solennelle nicht zu dieser Anthologie gehört, bildet sie trotzdem den Höhe- und Schlusspunkt dieser Schaffensperiode. Ausgangspunkt für die Komposition mag wohl der Tod seines Schweizer Freundes und Schützlings Louis Niedermeyer am 14. März 1861 gewesen sein, dem Rossini im Frühjahr des darauffolgenden Jahres ein vierstimmiges "Kyrie" widmete, das das "Christe eleison" Niedermeyers einrahmte. Ein Jahr später erweiterte Rossini diesen Satz um ein sechsteiliges "Gloria" mit einem dreiteiligen "Credo" für vier Solisten und achtstimmigen Chor. Mit dem "Credo" entschied sich Rossini auch, die Klavierbegleitung um ein Harmonium zu ergänzen. Für die Einweihung des prunkvollen Palais seines adligen Bankierfreunds Alexis Pillet-Will entschloss sich Rossini, diese Messe um ein A-cappella "Sanctus" und ein "Agnus Dei" zu ergänzen. Der Chor wurde auf 15 Stimmen erweitert, und da nicht alle Gäste im Saal Platz fanden und auch die beiden angrenzenden Räume genutzt werden mussten, erweiterte Rossini die Besetzung um ein zweites Klavier. Während der Probenarbeit entschied sich Rossini auch noch, zwischen dem "Credo" und dem "Sanctus" ein reines Klavierstück einzufügen, das er dem Album de chaumière entnahm und es in "Prélude religieux pendant l'Offertoire" umbenannte. In dieser Fassung erlebte die Petite messe solennelle im Haus Pillet-Will bis 1865 insgesamt zwei sehr erfolgreiche Aufführungen. Nach der zweiten Aufführung schuf er auch noch eine Orchesterfassung, gab allerdings der ursprünglichen Form zeitlebens den Vorzug.

Schon beim einleitenden "Kyrie" erkennt man im Vergleich zu anderen Messen Rossinis Eigenheiten, die betonen, dass er, wie er selbst einmal gesagt hat, für die Oper buffa geboren sei. So klingt das "Kyrie" nicht erhaben und schwer, sondern beinahe schon wie eine Parodie und wird mit zahlreichen leichtfüßigen Variationen versehen. Auch bei den Soli lassen die Verzierungen den großen Belcanto-Meister erkennen. John Molloy interpretiert mit profundem Bass das "Quoniam" und überzeugt mit beweglichen Läufen. Pietro Adaíni gestaltet den Anruf "Domine Deus" mit strahlendem Tenor, und Claudia Boyle punktet beim "Qui tollis" mit leuchtendem Sopran. Der musikalisch bewegendste Part ist der Altstimme vorbehalten. Tara Erraught begeistert mit satten Tiefen und macht mit samtig weichem Klang das "Agnus Dei" am Ende der Messe zu einem Glanzpunkt. Die sechs Sängerinnen und sieben Sänger des Wexford Factory Ensembles überzeugen durch homogenen Klang. Finghin Collins und Carmen Santoro unterlegen die einzelnen Passagen an den beiden Klavieren sehr lautmalerisch. Im "Credo" bei der Zeile "descendit de coelis" wird mit der musikalisch absteigenden Tonleiter gewissermaßen eine Art Sternenregen hörbar. Andrew Synnott verleiht mit dem Harmonium besonders bei der Einleitung zum "Sanctus" dem Werk einen sakralen Klang. Interessant ist auch, wie die aufsteigenden Harmonien die Wiederauferstehung vorwegnehmen und Hoffnung geben, Hoffnung, die wir auch in der momentanen Situation auf keinen Fall sinken lassen dürfen.

FAZIT

Rossinis Petite messe solennelle stellt einen gelungenen Einstieg in dieses Online-Festival dar.

Weitere Rezensionen zum Wexford Festival Opera 2020



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Ausführende

Musikalische Leitung
Kenneth Montgomery

Erstes Klavier
Finghin Collins

Zweites Klavier
Carmen Santoro

Harmonium
Andrew Synnott

Chor
Wexford Factory Ensemble

Solisten

Sopran
Claudia Boyle

Mezzosopran
Tara Erraught

Tenor
Pietro Adaíni

Bass
John Molloy

 


Zur Homepage vom
Wexford Festival Opera




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2020 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -