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Wexford Festival Opera
11.10.2020 - 18.10.2020


What Happened to Lucrece

Oper in einem Akt
Libretto von Alessandra Binucci und Rosetta Cucchi
Musik von Andrew Synnott

In englischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: jeweils ca. 30' (keine Pause)

Uraufführung im National Opera House in Wexford am 13.10.2020, 14.10.2020 und 15.10.2020



 

 

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Uraufführung mit drei verschiedenen Enden

Von Thomas Molke

Das diesjährige Wexford Festival Opera kann aufgrund der Covid-19-Pandemie nur online stattfinden. Die drei geplanten großen Opernaufführungen unter dem Motto "Shakespeare in the Heart" müssen folglich auf das nächste Jahr verschoben werden. An dem Oberthema "Shakespeare" hat die neue Festspielleiterin Rosetta Cucchi allerdings festgehalten, und so gibt es im Rahmen von "Waiting for Shakespeare... The Festival in the Air" eine Uraufführung, die auf Shakespeares epischem Gedicht The Rape of Lucretia basiert. Komponiert hat diese einaktige Kammeroper Andrew Synnott, Composer in Residence in Wexford, der im letzten Jahr mit La cucina ein Divertissement als Vorgeschichte zu Rossinis Adina kreiert hat. Das Libretto hat erneut Cucchi beigesteuert, dieses Mal gemeinsam mit Alessandra Binucci. Das Besondere an dem gut halbstündigen Werk ist, dass direkt drei Fassungen mit jeweils unterschiedlichem Ende erstellt worden sind. Die auf der Homepage versprochene Wahl des Publikums, welches Ende denn nun bevorzugt wird, sucht man aber (noch?) vergeblich.

Mit Shakespeares Gedicht und der römischen "Mustergattin" Lucretia hat die Oper allerdings fast nichts gemeinsam. Die eigentliche Geschichte spielt um 500 v. Chr. zur Zeit des letzten etruskischen Königs Tarquinius Superbus und wird von dem Historiker Livius in seinem Geschichtswerk Ab urbe condita (Von Gründung der Stadt (Rom) an) überliefert. Während der Besetzung der Stadt Ardea rühmt Collatinus seine Gattin als Ideal einer keuschen Ehefrau und lädt seine Freunde zu einem Besuch bei ihr ein. Im Gegensatz zu den anderen Frauen findet man sie nicht beim Gelage oder anderen unschicklichen Dingen, sondern umgeben von ihren Mägden beim Spinnen der Wolle. Sofort verliebt sich Sextus, der Sohn des Königs, in sie und plant, sie zu verführen. Er sucht sie in einer anderen Nacht erneut auf, doch Lucretia weist ihn entschieden zurück. In seinem Stolz gekränkt vergewaltigt er sie. Lucretia berichtet ihrem Mann von der Schandtat, und obwohl Collatinus ihr keinerlei Vorwürfe macht, begeht sie aus Schuldgefühl Selbstmord. Collatinus ruft zum Aufstand gegen den König auf, und so wird das Ende der Königsherrschaft in Rom eingeläutet und der Weg zur Republik geebnet.

Cucchi und Benucci verlegen die Geschichte nach London in das Jahr 2018. Lucrece ist bei ihnen keine treue Gattin, sondern eine aufstrebende, erfolgreiche junge Karrierefrau, die auch am Wochenende auf ihr Vergnügen verzichtet, um eine wichtige Präsentation für den kommenden Wochenbeginn vorzubereiten. Sie lebt gemeinsam mit ihrer Freundin "Collie" in einem Apartment. Collie ist Malerin und hat ein großes Portrait von Lucrece angefertigt, das Lucrece bei ihrer Rückkehr von der Arbeit bewundert. Sextus ist der Sohn eines einflussreichen Mannes, den die beiden Mädchen in einer Kneipe kennengelernt haben. Lucrece macht keinen Hehl daraus, dass sie den jungen Mann nicht mag, während Collie ihr erzählt, dass er sie, Lucrece, regelrecht anhimmeln würde. Als Collie gegangen ist, taucht noch eine weitere Freundin, Fran, auf, die Lucrece bei ihrer Arbeit Gesellschaft leisten will und ihr erzählt, wie stolz sie auf das, was sie erreicht habe, sein könne. Als Fran kurz weggegangen ist, um etwas zu trinken zu holen, kommt ein besorgter Anruf von Collie. Sie hat aus Versehen ihre gemeinsame Adresse preisgegeben und macht sich nun Sorgen, weil Sextus auf dem Weg zu ihrem Apartment ist. Lucrece zerstreut ihre Ängste und sagt ihr, dass sie die Situation schon meistern werde. Dann steht Sextus vor der Tür und fordert lautstark Einlass. Von nun an erlebt man an jedem Abend eine andere Fassung.

Am ersten Abend endet die Geschichte als Farsa. Lucrece ist hier eine gewitzte Frau, die sich Sextus' Alkoholkonsum zu nutze macht. Er ist so betrunken, dass er sie direkt doppelt sieht, was mit Hilfe des fast lebensgroßen Portraits, das Collie angefertigt hat, ja auch der Fall ist. Dann kommen auch noch Fran und Collie dazu, und die Frauen gaukeln ihm vor, dass er es nun mit vier Lucreces zu tun hat. Das fordert ihn derart, dass er bewusstlos wird. Nun treiben die Frauen ihr böses Spiel mit ihm, ziehen ihn aus und fotografieren ihn in sehr demütigender Weise. Als er am nächsten Morgen aufwacht, verhöhnen sie ihn und jagen ihn mit den Fotos zum Teufel. Mitleid entwickelt man mit ihm dennoch nicht, weil die Absicht, mit der er Lucrece aufgesucht hat, alles andere als ehrbar war. Die zweite Fassung wird als "Dramma giocoso" angekündigt. Hier treten Fran und Collie nicht mehr auf. Sextus ist wesentlich bedrohlicher und gefährlicher als in der Farsa. Lucrece appelliert an sein Ehrgefühl, aber zunächst vergeblich. Ihr Argument, dass er doch seinen Vater nicht enttäuschen wolle, bringt nicht den erwünschten Erfolg, da Sextus große Abneigung gegen seinen Vater empfindet. Erst die Erinnerung an seine Mutter, lässt Sextus einlenken. Er wird ganz melancholisch und erkennt, dass sein Verhalten falsch war, entschuldigt sich bei Lucrece und verlässt mit schlechtem Gewissen ihr Apartment.

Der letzte Abend präsentiert die Geschichte dann als "Tragedia", was der ursprünglichen Geschichte am nächsten kommen dürfte. Bemerkenswert ist hier auch die dunkle Lichtstimmung von Eoin McNinsh. Das ganze Ende wird nahezu in Schwarzweiß übertragen. Sextus ist hier der brutale Mann wie in der Antike und lässt sich von Lucreces Flehen nicht bewegen. Stattdessen vergewaltigt er sie und verlässt anschließend stolzen Hauptes das Apartment. Lucrece bleibt als gebrochene Frau zurück. Ihre zurückkehrende Freundin Fran schickt sie fort. Sie greift zum Telefon und wählt eine Nummer, hat aber kaum die Kraft zu sprechen. Mit diesen eindringlichen Bildern endet das Stück. Sarah Richmond verleiht der Titelpartie mit intensivem Spiel eine bewegende Tiefe. Glaubhaft verkörpert sie die junge aufstrebende Karrierefrau, die in der tragischen Fassung von einem brutalen Mann gebrochen wird. Ihr Mezzosopran verfügt über ein kräftiges Timbre und große Strahlkraft in den Höhen. Rory Musgrave legt den Bösewicht Sextus betont unsympathisch an. Dabei verfügt er über einen dunklen Bariton, der die Brutalität der Figur unterstreicht. Kathleen Norchi und Sarah Shine runden als Collie und Fran das Ensemble mit mädchenhaft strahlendem Sopran wunderbar ab. Synnotts Musik, die von Giorgio D'Alonzo am Klavier umgesetzt wird, ist recht tonal angelegt und unterstreicht die Atmosphäre der Geschichte, ist dabei aber mit Ausnahme der Einleitung nicht sehr einprägsam.

FAZIT

Rosetta Cucchi und Alessandra Benucci erzählen eine moderne Geschichte mit drei möglichen Ausgängen. Der Bezug zu Lucrece und Shakespeare wirkt allerdings ein wenig konstruiert.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrew Synnott

Erstes Klavier
Giorgio D'Alonzo

Regie und Ausstattung
Rosetta Cucchi

Licht
Eoin McNinch

 

Solisten

Lucrece
Sarah Richmond

Sextus
Rory Musgrave

Fran
Sarah Shine

Collatine
Kathleen Norchi

 


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