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Osterfestspiele 2021

Berliner Philharmoniker
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko

Werke von Weber, Hindemith, Schubert, Mendelssohn-Bartholdy und Schostakowitsch

6. und 7. November 2021 im Festspielhaus Baden-Baden

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Festspielhaus Baden-Baden
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Ein Orchester in Hochform

Von Christoph Wurzel / Fotos: © Monika Rittershaus

Entzugserscheinungen in der Kurstadt! Inmitten der vielen, wahrlich auch nicht gerade schlechten Angebote des Festspielhauses nehmen die Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker alljährlich einen ganz besonderen Rang ein, allein schon wegen ihrer Dauer von elf Tagen und der großen Vielfalt der Programme mit Oper, Sinfonie- und Kammerkonzerten.  Zweimal mussten sie pandemiebedingt ausfallen. Die Philharmoniker sind beliebt in Baden-Baden und wurden vermisst. Nun sind sie in diesem Herbst mit einer verkleinerten Variante ihres Festspielkonzepts an die Oos gekommen und ernteten frenetischen Beifall. In den beiden Sinfoniekonzerten zeigte sich das Orchester in absoluter Hochform und schier unübertrefflich in seiner Klangkultur.

Zu Beginn Webers Oberon-Ouvertüre: unbeschreiblich warm, leicht und weich zuerst im Solohorn, darauf eine zarte melodische Linie in den gedämpften Streichern - innerhalb weniger Augenblicke schwebte der Klang reinster Romantik in den Saal. Schon in den ersten beiden Takten gelang es den Berliner Philharmonikern mit ihrem Spiel zu faszinieren, und dieses Level haben sie in beiden Konzerten nicht mehr verlassen.

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Kirill Petrenko (Baden-Baden im November 2021)

Makellose Klangschönheit, aber auch seine absolute Homogenität bewies das Orchester an diesen Abenden. Man konnte direkt zuschauen, wie Orchester und Dirigent im selben Geist verbunden sind. Kirill Petrenko modelliert mit der Linken den Klang, seine klare und präzise Schlagtechnik wird vom Orchester unmittelbar aufgenommen, es ist ein hochkonzentriertes Geben und Nehmen. Intensiver (Blick-) Kontakt zwischen Dirigent und den Musikerinnen und Musikern und natürlich deren absolute technische Souveränität sind Garanten dieser Spitzenqualität musikalischer Interpretation.

Da sind die "himmlischen Längen", die Robert Schumann so an der C-Dur-Sinfonie von Franz  Schubert bewundert hat. Durch geschickte Phrasierung strukturiert Petrenko den Fluss der melodischen Entwicklung, setzt dezent die Akzente, ein kaum merkliches Rubato, eine winzige Zäsur und schafft dadurch Spannungsbögen, die dem sinfonischen Geschehen Kontur und  Ausdruck verleihen. Petrenkos Tempi in dieser Sinfonie waren zügig, ein Versinken im romantischen Gefühl erlaubte er nicht. Lebendige Frische und intensive Gegenwart des Geistes waren das Resultat.

Zwischen die Romantik war deren Dekonstruktion gesetzt. In seinen Sinfonischen Metamorphosen  hatte Paul Hindemith sich Vorlagen von Carl Maria von Weber vorgenommen und, wie er selbst sagte, "leicht gefärbt und ein bisschen schärfer gemacht". Herausgekommen sind vier Paraphrasen über Webersche Klavierstücke und einen Satz seiner Turandot-Bühnenmusik (für das Schauspiel von Gozzi), in denen Hindemith mit viel Esprit seinen kompositorischen Witz versprüht. Den Nazis galt er als "entartet" und ging ins amerikanische Exil. Dort entstanden diese vier brillanten Metamorphosen, die er nach seiner Rückkehr auch mit den Berliner Philharmonikern selbst aufgeführt hat. Die Nachfolgerinnen und Nachfolger jener Musiker hatten sicht- und hörbar Vergnügen an dieser Musik. Lustvoll kosteten sie etwa den phasenweise jazzigen Rhythmus des 2. Satzes aus (Moderato - Lively), mit dem Hindemith samt asiatisch anmutender Pentatonik die Turandot-Geschichte auf seine Weise kommentiert. Die raffinierte Instrumentierung der Stücke gaben den Musikerinnen und Musikern der einzelnen Gruppen des Orchesters genügend Gelegenheit solistisch zu glänzen

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Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Kirill Petrenko (Baden-Baden November 2021)

Die narrativen Seiten sinfonischer Musik standen am zweiten Abend im Mittelpunkt, subjektives Erleben in Musik gefasst. Dunkle Stimmungen und dramatische Entwicklungen prägen die beiden Werke. Zuerst Mendelssohns 3. Sinfonie, die Verarbeitung seiner Schottlandreise. Auch hier gelang wieder die wunderbare Balance zwischen romantischem Klangideal und Klarheit der Struktur. Melancholie und im 1. Satz eine Prise morbide Stimmung (Mendelssohns Erinnerung an Maria Stuarts verfallene Burg) bestimmte den Ausdruck - Gefühl, aber nicht Gefühligkeit. Die Eleganz der Musik Mendelssohns, die Anlehnung an schottische Folklore, das wunderbar gesungene Adagio des 3. Satzes, im Finalsatz die Assoziationen an kriegerische Ereignisse und schließlich der choralartige, feierliche Schluss - alles wuchs unter Petrenkos Leitung harmonisch zu einem beeindruckenden Ganzen zusammen.

Noch weit mehr als bei Mendelssohns Schottischer handelt es sich bei der 10. Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch um ein autobiografisch konnotiertes Werk. Ein halbes Jahr nach Stalins Tod konnte diese Sinfonie uraufgeführt werden, die sich als Abrechnung mit dem Diktator und zugleich als Auseinandersetzung mit Schostakowitschs Selbstverständnis als Komponist lesen lässt. Acht Jahre lang hatte der Komponist keine Sinfonie mehr komponiert, wurde in der Sowjetunion unter dem Vorwurf des Formalismus künstlerisch so unter Druck gesetzt, dass er zum Broterwerb nur noch Unterhaltungsmusik schreiben durfte. In dem schrägen, verfremdeten Tanzrhythmus des 3. Satzes klingt das an. Dann unterbricht unvermittelt ein Hornsignal die bedrückende Stimmung, das Englischhorn antwortet mit einem klagenden Motiv und nach einem einsamen Solo der Violine verklingt der Satz leise und ohne Auflösung der Spannung, die sich bereits in den vorangegangenen Sätzen zu massiven Gewaltausbrüchen und grotesken Zerrbildern aufgestaut hatte. Auch im Schlusssatz seiner Sinfonie scheint Schostakowitsch offen zu lassen, ob es einen Weg aus dem Dunkel gibt, ob das Motiv D-Es-C-H, Chiffre für die künstlerische Freiheit des Komponisten selbst, gegen die geballte Macht des Orchesterkollektivs obsiegen kann. Jedenfalls klang in dieser Interpretation im vermeintlich jubelnden Finale auch eine gehörige Portion Skepsis heraus. Diese faszinierende Aufführung beschloss eine Konzertreihe, die außer reinem Schönklang auch den Geist der Musik intensiv zum Sprechen brachte.



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Ausführende

Berliner Philharmoniker

Leitung: Kirill Petrenko

 

Die Programme

6. November 2021

Carl Maria von Weber
Ouvertüre zur Oper Oberon

Paul Hindemith
Sinfonische Metamorphosen
über Themen von
Carl Maria von Weber

Franz Schubert
Sinfonie C-Dur  D 944
"Die Große"


7. November 2021

Felix Mendelssohn-Bartholdy
Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56
"Schottische"

Dimitri Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93

 

 


Weitere Informationen
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Festspielhaus Baden-Baden
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