Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Gelungenes ExperimentVon Christoph Wurzel / Fotos: © Andrea Kremper, Christoph Wurzel Gestreamte Konzerte
sind das neue Format. Und wenn sie so gut gelingen wie die
"Hausfestspiele" in Baden-Baden, die anstelle der traditionellen
Osterfestspiele über die Feiertage vom Festspielhaus veranstaltet
wurden, sind sie zwar kein Ersatz für ein reales Konzerterlebnis,
entschädigen aber immerhin einigermaßen für diesen nun schon so lange
währenden Verlust.
Der Reiz
dieser vier Konzerte zwischen Karfreitag und Ostermontag bestand
natürlich vor allem in der musikalischen Qualität der Beiträge. Aber
auch durch die Art der Präsentation konnte das Festspielhaus auf dem
mittlerweile weiten Feld der Streamingangebote zahlreicher Opern- und
Konzerthäuser enorm punkten. Die hochprofessionelle Haustechnik in
Baden-Baden ermöglichte mit abwechslungsreicher Kameraführung und
exzellenter Bildqualität großen Genuss.
Am Anfang
eines jeden Konzertes rauschte Beifall auf aus dem Off, dann führte die
Kamera durch leere Foyers auf die Bühne des Festspielhauses, wo, den
dezent beleuchteten Zuschauerraum im Rücken, die Moderatorin Jasmin
Bachmann gemeinsam mit dem Intendanten Benedikt Stampa entspannt, aber
doch seriös in die Konzerte einführte, die Mitwirkenden in kurzen
Gesprächen vorstellte und nach den Konzerten im interaktiven Austausch
mit dem virtuellen Publikum dessen über soziale Medien eingegangenen
Anregungen und Fragen aufgriff. Da reichte die Bandbreite vom lockeren
Smalltalk etwa über musikalische Vorlieben bis hin zu vertiefender
Analyse der gebotenen Stücke. Am Ostersonntag ließ es Diana Damrau sich
nicht nehmen, gemeinsam mit ihrem Klavierbegleiter Helmut Deutsch,
Dominik Stampa und der Moderatorin sogar Ostereier zu bemalen. Ein Gag,
der keineswegs daneben ging, sondern ob manch geistreicher
Bemerkung wohltuend zur Auflockerung beitrug. Die Künstlergespräche
führten im beginnenden Frühling dieser Ostertage in Baden-Baden auch
hinaus ins Freie. Vor dem Denkmal Clara Schumanns an der Lichtentaler
Allee erwies Diana Damrau in der Pause ihres Liedprogramms dieser
besonderen Künstlerin ihre Reverenz.
Clara-Schumann-Büste in Baden-Baden (Foto: Christoph
Wurzel)
Mit Liedern
von Clara und Robert Schumann eröffnete die Sopranistin ihre
Liedmatinee und bezeugte gerade mit diesen Liedern den hohen Rang ihrer
Kunst des Liedgesangs. Romantischer Überschwang, empathische
Textausdeutung und eine perfekt kontrollierte Stimme machten diesen
Vortrag zu einer Sternstunde - etwa wie die Sängerin in Claras
Rückert-Vertonungen Widmung
die "Wonne" aufblühen ließ oder den Überschwang in Er ist gekommen in
Sturm und Regen mit vokaler Emphase erfüllte. Im Zyklus Frauenliebe und -leben von Robert
Schumann gelang es Diana Damrau, für die Stimmung jedes einzelnen Lied
die entsprechende vokale Klangfarbe zu finden. Sie gestaltete den
Zyklus zu einem berührenden Bogen des weit gespannten emotionalen
Erlebens dieses weiblichen lyrischen Ichs, der von verhaltener, intimer
Freude über grenzenlose Bewunderung und Idealisierung des geliebten
Mannes, über reinstes Glück bis hin zu tiefstem Schmerz reicht. Im
Lichte eines modernen emanzipierten Frauenbildes könnten die von
Schumann vertonten Texte Adalbert von Chamissos heute antiquiert
erscheinen, aber mit ihrer Interpretation solch unbedingter Hingabe an
die psychologische Ausdruckskraft dieser Lieder zerstreute Diana Damrau
diesbezüglich alle Bedenken. Dass sie nicht zuletzt dabei den
Komponisten selbst auf ihrer Seite hat, ließ auch ihr Begleiter Helmut
Deutsch in der äußerst feinfühligen Gestaltung des Klavierparts
erkennen, etwa wenn er im Nachspiel die Ausdruckspalette des gesamten
Zyklus noch einmal wie eine Reminiszenz sensibel in Klang verwandelte.
Von derart berührender Innerlichkeit führten die spanischen Lieder des
zweiten Konzertteils in die Sphären ausgelassenen Temperaments und
feuriger Rhythmik und einige Lieder von Richard Strauss noch einmal
zurück zu schwelgerischer Romantik.
Unprätentiöse Künstlerin: Diana Damrau beim
Ostereierbemalen mit ihren Klavierbegleiter Helmut Deutsch, der
Moderatorin Jasmin Bachmann (links) und Intendant Benedikt Stampa
(rechts) (Foto: Andrea Kremper)
Wenigstens
einige Mitglieder der Berliner Philharmoniker waren in diesem Jahr zu
Ostern nach Baden-Baden gekommen, wo sich sonst das ganze Orchester zu
den alljährlich zehntägigen Festspielen versammelt. Am Karfreitag
präsentierten Mitglieder der philharmonischen Camerata der Berliner
Phlharmoniker Joseph Haydns Die
Sieben letzten Worte unsreres Erlösers am Kreuz in der
originalen Fassung für Streichquartett. Geschrieben hat Haydn diese von
einer Introduktion und der klanglichen Darstellung des Erdbebens im
Moment von Jesu Tod umrahmten Meditationsmusik für die
Karfreitagsliturgie im spanischen Cadiz. Dort wurden die einzelnen
Sätze jeweils zwischen der Lesung der sieben Jesus-Worte aus den
Evangelien gespielt und dienten dem gedanklichen Nachklingen und
Nachspüren der geistlichen Worte. Die für dieses Konzert gewählte
Präsentationsform als durchgehender Zyklus konnte naturgemäß der von
Haydn intendierten spirituellen Wirkung nicht nahe kommen, wenngleich
die vier Solisten der Berliner Philharmoniker dieser Musik in all ihren
differenzierten Klangfarben, dem vielgestaltigen Chiariscuro aufs
Schönste gerecht wurden. Letztlich tat sich deswegen bei diesem Konzert
vielleicht am ehesten eine Kluft emotioneller Distanz zwischen den
Musikern und ihrem virtuellen Publikum auf.
Das Streichquartett der Camerata der Berliner
Philharmoniker (Foto: Andrea Kremper)
Anders beim
Abschlusskonzert am Ostermontag, wo ebenfalls Mitglieder der Berliner
Philharmoniker in wechselnden Besetzungen einen Streichtrio-Satz von
Schubert, den Streichquartettsatz Crisantemi
von Giacomo Puccini und Mozarts unendlich schönes Klarinettenquintett spielten,
dieses gleichsam als heiteres Gegenstück zu Haydns Passionsmusik.
Gerade hier zeigte sich, mit welcher Präzision die Mitglieder dieses
Spitzenorchesters Berliner Philharmoniker auch das kammermusikalische
Zusammenspiel pflegen, das gesprächsweise von ihnen als wertvolles
Übungsfeld einer vollendeten musikalischen Partnerschaft und der
Sensibilisierung des aufeinander Hörens geschätzt wird.
Lucas und Arthur Jussen vierhändig am Flügel (Foto: Andrea
Kremper)
Perfektes
Zusammenspiel zeichnete auch das Klavierduo Lukas und Arthur Jussen
aus, die mit ihrem fulminanten Spiel den Reigen dieser gestreamten
Konzerte eröffneten. Mehr als perfekt, atemberaubend ist die
pianistische Brillanz dieser beiden holländischen Brüder. Bereits im 1.
Satz der vierhändigen D-Dur-Sonate
KV 381 des 16jährigen Mozart legten sie ein rasantes Tempo
vor, dennoch ließen sie die Musik atmen. Spielerisch und ausnehmend
vital auch der Schlusssatz, in kristallinem, farbenreichen Klangbild
das gesangliche Andante: ein unsentimentaler Stil, der aber trotzdem
der Musik Gefühl und Seele gibt. So ließen sie auch in Schuberts f-Moll-Fantasie deren breiter
Ausdruckspalette allen Raum. Schubert hatte die Fantasie für sich und
seine Klavierschülerin, die 18jährige Caroline von Esterházy für ihr
gemeinsames Spiel geschrieben. Intime Korrespondenzen sind
einkomponiert, die jetzt durch die Brüder Jussen in vollendetem
Gleichklang der musikalischen Auffassung aufs Schönste realisiert
wurden. Mit Schostakowitschs brillantem Concertino für 2 Klaviere setzten
sie ihr Konzert fort. Der Komponist hat es für seinen Sohn Maxim als
Prüfungsstück mit ihm als Partner geschrieben. Welch exzellente
Pianisten beide, Vater und Sohn, gewesen sein mussten, ließ sich in
dieser Interpretation der Jussen-Brüder erfassen, indem sie die
höllisch schweren Passagen dieses Werks mit enormer spielerischer
Leichtigkeit erfüllten. Die sensible Seite ihrer Musikalität zeigten
die beiden Pianisten in ihrer Zugabe, einem für 2 Klaviere bearbeiteten
Choralvorspiel Johann Sebastian Bachs.
Fazit:
Ein
gelungenes, überzeugendes Experiment, das der Form der gestreamten Konzerte ihre
positiven Seiten abgewinnen konnte
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Die Programm:
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- Fine -