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Klangvokal 2021 Musikfestival Dortmund
Anima Æterna (Ewige Seele) in italienischer und lateinischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 1 h 35' (keine Pause) Aufführung im Reinoldihaus Dortmund am 12.09.2021 |
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Reise durch die geistliche Barockmusik Von Thomas Molke / Fotos: © Sandra Spitzner Jakub Józef Orliński zählt in der Countertenor-Szene zu den großen Entdeckungen der letzten Jahre. Nachdem der aus Warschau stammende Sänger schon während seines Gesangsstudiums an kleineren Häusern unter anderem als Ruggiero in Händels Alcina am Theater Aachen oder als Philippus in Telemanns Der misslungene Brautwechsel, einer Bearbeitung von Händels Riccardo I., am Stadttheater Gießen auf sich aufmerksam gemacht hatte, gelang ihm sein Durchbruch 2017 als Orimeno in Cavallis Erismena bei den Festspielen in Aix-en-Provence. Es folgten umjubelte Auftritte in Frankfurt als Rinaldo in Händels gleichnamiger Oper und als Unulfo in Händels Rodelinda und schließlich die Titelpartie in Händels Tolomeo bei den Internationalen Händel-Festspielen in Karlsruhe 2019. Für November 2021 ist auch sein Debüt an der Met in New York geplant. Mit dem auf historische Aufführungspraxis spezialisierten Ensemble Il Pomo d'Oro, das 2012 in Italien gegründet wurde, präsentierte er in seinen ersten beiden Alben Anima Sacra und Facce d'Amore mehrere Barockarien als Weltersteinspielungen, und auch für sein neues Programm mit dem Titel Anima Æterna hebt Orliński zahlreiche verborgene Schätze der geistlichen Barockmusik. Jakub Józef Orliński Dabei dürften einige der ausgewählten Komponisten selbst eingefleischten Barockfans unbekannt sein. Wie schon bei Anima Sacra begibt sich Orliński auf eine Reise durch das breite Spektrum der geistlichen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, und auch wenn die Wurzeln dieser Musik in Italien liegen, zeugt das Programm von dem Einfluss der italienischen Musik auf die großen europäischen Metropolen. So geht es zunächst nach Wien, wo die ersten beiden Komponisten des Abends, Jan Křtitel Tolar und Johann Georg Reutter der Jüngere begraben liegen. Nach einer kurzen Intrada von Tolar, die die Einleitung in das folgende Programm darstellt, präsentiert Orliński eine Arie aus Reutters geistlichem Drama La Betulia liberata, das auch später von Mozart vertont wurde. In der Arie "D'ogni colpa la colpa maggiore" besingt Orliński die gottlose Furcht als das größte Vergehen. Dabei begeistert Orliński mit flexibler Stimmführung und weich angesetzten Höhen. Auch der Wechsel von der Kopf- zur Bruststimme gelingt ihm dabei bruchlos. Mit halsbrecherischen Koloraturen wartet er dann in der folgenden Arietta von Antonio Lotti, "Proh quantae sunt in orbe strages", auf. Einen musikalischen Höhepunkt des Abends markiert die Arie "Giusto Dio" aus Francisco António de Almeidas Oratorium La Giuditta. Almeida, der nach mehreren Studienjahren in Italien, in seine Heimat Lissabon zurückkehrte und dort italienische Opern komponierte, zeigt in diesem bewegenden Stück, was er von seinem großen Vorbild Alessandro Scarlatti gelernt hat. Die großartig komponierte Klage könnte in ihrer Struktur aber auch von Vivaldi oder Händel stammen. Orliński lotet dabei mit sauber ausgesungenen Höhen im A-Teil die Verzweiflung über das Unrecht, das Gottes Volk widerfährt, intensiv aus. Der B-Teil hebt sich mit schnellen Läufen, die Orliński mit atemberaubender Beweglichkeit präsentiert, deutlich davon ab. Auch in der Arie "A che si serbano" von Almeidas Landsmann Gaetano Maria Schiassi begeistert Orliński mit leuchtenden Koloraturen, so dass er dieses Stück am Ende des Konzertes noch einmal als erste Zugabe präsentiert. Jakub Józef Orliński mit Il Pomo d'Oro und Francesco Corti am Cembalo Völlig unbekannt ist auch Bartolomeo Nucci, der vor allem als Entdecker und Gesangslehrer von Kastraten überliefert ist. Der französische Musikforscher Yannis François entdeckte in Kalifornien einige völlig unbekannte Oratorien und Kantaten Nuccis. Aus dem Oratorium Il David trionfante erklingt in Orlińskis Programm erstmals die Arie "Dal beato eccelso volo", bei der neben dem Gesang auch der Viola eine ganz besondere Rolle zukommt. Sehr dunkel setzt Orliński die Antiphon "Peccator videbit" aus Vivaldis Psalmvertonung Beatus vir an. Eindringlich wird hier der Untergang des Sünders beschrieben. Als Abschluss des Programms wählt Orliński die melancholische Antiphon in d-Moll "Amen, Alleluia" von Händel, die nur vom Basso continuo begleitet wird. Francesco Corti untermalt Orlińskis Gesang zunächst an dem an eine Orgel erinnernden Register des Cembalos, bevor die Theorbe, das Cello und der Bass nacheinander in den Wechselgesang einsteigen. Das Ensemble Pomo d'Oro erweist sich unter der Leitung von Corti nicht nur als kongenialer Begleiter Orlińskis, sondern überzeugt auch in den drei Instrumentalstücken durch homogenen Klang. Mit einer Zugabe will das begeisterte Publikum Orliński nicht gehen lassen, und so entschließt sich Orliński, als zweite Zugabe "Alla gente a Dio diletta" aus Il faraone sommerso von Francesco Nicola Fago zu präsentieren. Auch hier brilliert Orliński mit stupenden Koloraturen und großer Beweglichkeit in den Läufen. FAZIT Jakub Józef Orliński dürfte noch eine große Karriere vor sich haben. Das Programm Anima Æterna ist eine atemberaubende Reise durch verschiedene Stationen der geistlichen Barockmusik. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2021
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AusführendeJakub Józef Orliński, Countertenor Il Pomo d'Oro Francesco Corti, Cembalo und musikalische Leitung
Werke
Jan Křtitel Tolar
Johann Georg Reutter
Antonio Lotti
Francesco Bartolomeo Conti
Francisco António de Almeida
Gaetano Maria Schiassi
Baldassare Galuppi
Bartolomeo Nucci
Antonio Vivaldi
Giuseppe Antonio Brescianello
Johann Joseph Fux
Davide Perez
Georg Friedrich Händel
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