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Tiroler Festspiele Erl Sommer

08.07.2021 - 01.08.2021


Das Rheingold

Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Libretto und Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (keine Pause)

Premiere im Passionsspielhaus am 10. Juli 2021
(rezensierte Aufführung: 16.07.2021)

 

 

 

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Auftakt eines neuen Rings in Erl

Von Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)

Wagners Ring des Nibelungen hat für die Festspiele in Erl eine ganz besondere Bedeutung. Als der damalige künstlerische Leiter und Begründer der Tiroler Festspiele Erl Gustav Kuhn 2004 seinen ersten Ring-Zyklus inszeniert hatte, kam er auf die Idee, als Projekt für 2005 einen sogenannten 24-Stunden-Ring in Angriff zu nehmen, bei dem die komplette Tetralogie an einem Wochenende präsentiert wurde. Was wie ein wahnwitziges Vorhaben klang, hatte so großen Erfolg, dass sich Dr. Hans Peter Haselsteiner, der in Folge dieses Projektes die Präsidentschaft der Festspiele übernahm, vehement dafür einsetzte, dass neben der bisherigen Spielstätte der Festspiele, dem Passionsspielhaus, ein eigenes Festspielhaus errichtet wurde, in dem seit 2012 die Winterfestspiele einen weiteren Bestandteil der Festspiele bilden. Gustav Kuhn ist nun Geschichte in Erl, die nicht ganz so rühmlich zu Ende gegangen ist, wie sie einst begonnen hatte. Der enge Bezug zu Wagner im Passionsspielhaus ist allerdings geblieben, und so hat auch der neue künstlerische Leiter Bernd Loebe, der auch Intendant der Oper Frankfurt ist, für die Festspiele 2021 den Auftakt zu einem neuen Ring auf den Spielplan gestellt, der bis 2024 mit einer zyklischen Aufführung der Tetralogie vollendet werden soll.

Die Regie übernimmt Brigitte Fassbaender, die in ihrer Karriere als Mezzosopranistin häufig die Partie der Fricka interpretiert hat. Dass das Orchester im Passionsspielhaus hinter der Bühne positioniert ist, unterstützt den nahezu kammerspielartigen Zugang zu den einzelnen Figuren, den Fassbaender wählt. Dabei bezieht sie die Personen zu jedem Zeitpunkt auf der Bühne in das Geschehen mit ein, auch wenn sie eigentlich gerade nur Beobachter des gesungenen Wortes sind, und verhindert so, wie Fassbaender es bezeichnet, "ein Herumstehen auf der Bühne. Bühnenbildner Kaspar Glarner setzt die Einschränkungen der Bühne, die ohne Schnürboden auskommen muss, geschickt um. So werden die unterschiedlichen Bilder nur durch wenige Elemente auf der Bühne angedeutet und vor allem mit eindrucksvollen Video-Projektionen von Bibi Abel eingefangen. Während des Es-Dur-Vorspiels, das Eric Nielsen mit dem Orchester der Tiroler Festspiele Erl mit großer Präzision entwickelt, entstehen auf der Rück- und den Seitenwänden aus dem dunklen Nichts ganz allmählich die sanft wogenden Wellen des Rheins, in die man durch das intensive Spiel des Orchesters regelrecht hineingezogen wird. Vor dem Auftritt der Rheintöchter taucht bereits Alberich aus einer Klappe im Boden auf, der sich hier auf den ersten Blick in den Tiefen des Rheins verirrt zu haben scheint. Fassbaender legt ihn wie die anderen Figuren sehr menschlich an und lässt ihn durch das Aufsetzen der Kapuze zum Nibelungen mutieren.

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Die Rheintöchter (von links: Florence Losseau als Wellgunde, Katharina Magiera als Floßhilde und Ilia Staple als Woglinde) verspotten Alberich (Craig Colclough).

Die Rheintöchter schieben bei ihrem Auftritt einen langen Tisch auf die Bühne, den sie während ihres Spiels mit goldenem Geschirr und goldenen Lüstern decken. Das soll wohl das Rheingold sein, das sie in den Tiefen des Rheins bewachen. Glarner hat sie mit langen dunklen Roben ausgestattet, die im unteren Bereich an einen glänzenden Fischschwanz erinnern. Wieso sie beim Preisen des Rheingolds ihre schwarzen Perücken ablegen und kahlköpfig erscheinen, was ihnen optisch den betörenden Zauber nimmt, erschließt sich nicht wirklich. Soll damit angedeutet werden, dass der eigentliche Reiz nicht in der Schönheit der Nixen sondern im glänzenden Rheingold liegt, was den Nibelungen Alberich schließlich dazu verleitet, der Liebe zu entsagen, um aus dem Gold den Reif zu schmieden, mit dem er Macht über die ganze Welt gewinnen möchte? Musikalisch begeistern Ilia Staple als Woglinde mit frisch leuchtendem Sopran, Florence Losseau als Wellgunde mit dunkel-timbriertem Mezzo und Katharina Magiera als Floßhilde mit sattem Alt durch eine gute Textverständlichkeit und finden zu einem harmonisch aufeinander abgestimmten Klang. Das neckische Spiel mit Alberich setzen sie mit großem Körpereinsatz um. Craig Colclough stattet den Nachtalben mit dunklem Bassbariton aus. Man möchte zunächst Mitleid mit ihm haben, wenn ihm die Rheintöchter so böse mitspielen. Wenn er dann aber die Liebe verflucht und den Schatz an sich rafft, jagt Colcloughs Interpretation dem Zuhörer einen Schauer über den Rücken.

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Die Riesen Fasolt (Thomas Faulkner, links vorne) und Fafner (Anthony Robin Schneider, vorne in der Mitte) streiten mit den Göttern um den Lohn (hinten Mitte: Manuel Walser als Donner, rechts daneben: Brian Michael Moore als Froh, ganz rechts: Simon Bailey als Wotan, dahinter von links: Monika Buczkowska als Freia und Dshamilja Kaiser als Fricka).

Für den Wechsel zur freien Gegend auf Bergeshöhen werden dann zahlreiche Koffer und Möbelstücke auf der rechten Bühnenseite positioniert. Hier haben die Götter wohl für ihren Umzug in die Burg Walhall ihr Mobiliar geparkt. Wotan sitzt zum von den Bläsern mit hehrem Klang zelebrierten Walhall-Thema meditierend auf der Mitte der Bühne, bevor er von seiner Frau Fricka aus seinen Träumen gerissen wird. Glarner setzt in den Kostümen der Götter farbliche Akzente. So dominiert bei Wotan die Farbe blau und bei Fricka altrosa, was andeuten mag, dass Wotan mittlerweile das Interesse an seiner Gattin verloren hat. Freia tritt in sattem Grün auf, das für die Natur und die Äpfel steht, mit denen sie den Göttern die Jugend erhält. Froh trägt rot und Donner schwarz mit einer langen Mähne und zwei großen Hammern, die ihn als Donnergott auszeichnen. Wotan verfügt über mehrere Vertragsspeere, die ebenfalls bei den Möbeln für den Einzug in Walhall stehen. Simon Bailey punktet als Göttervater mit kräftigem Bassbariton und großer Textverständlichkeit. Gleiches gilt für Dshamilja Kaiser, die die Partie der Fricka mit dunkel gefärbtem Mezzosopran anlegt. Die beiden Riesen Fafner und Fasolt erlangen ihre Größe vor allem durch überdimensionale hohe Zylinder. Sie haben sich wie Bräutigame in Schale geschmissen, um Freia als Lohn für die Burg entgegenzunehmen. Dabei betont Fassbaender in der Personenregie von Anfang an, dass Fafner anders als sein verliebter Bruder Fasolt nach einer anderen Entlohnung sucht. Er hält die Fäden  in der Hand und leitet Fasolt, wenn er von den Göttern Freia fordert. Zunächst steht Freia diesem Ansinnen noch sehr negativ gegenüber, doch im vierten Bild hat man das Gefühl, dass sie Fasolt wirklich zu lieben gelernt hat. Thomas Faulkner und Anthony Robin Schneider punkten als Riesen Fasolt und Fafner mit dunklem Bass. Monika Buczkowska unterstreicht die Jugend Freias mit leuchtendem Sopran.

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Wotan (Simon Bailey, hinten rechts) und Loge (Ian Koziara, hinten Mitte) haben Alberich (Craig Colclough) in ihre Gewalt gebracht.

Mit mehreren Feuerfontänen, die aus dem Boden emporflammen, wird dann Loges Auftritt in Szene gesetzt. Glarner kleidet ihn in leuchtendem Gelb. Ian Koziara spielt die Hinterlistigkeit und Überlegenheit des Feuergottes gekonnt aus und stattet die Partie mit einem recht dunkel gefärbten Tenor aus. Für den Abstieg nach Nibelheim werden Loge und Wotan dann von oben an Schnüren herabgelassen. Bibi Abels schafft erneut eine beeindruckende Video-Projektion aus dunklen Felsen, in denen die Nibelungen für Alberich schuften. Das Mobiliar auf der rechten Seite der Bühne wird mit einem schwarzen Tuch abgedeckt und geht somit in die dunklen Felsen über. George Vincent Humphrey gibt mit kräftigem Tenor den geschundenen Zwerg Mime, der unter der Gewalt seines Bruders Alberich leidet. Der Tarnhelm ist eine überdimensionale Brille, während der geschmiedete Ring an einen Schlagring erinnert, was wohl die Gewalt unterstreichen soll, die davon ausgeht. Die Szene zwischen Loge, Wotan und Alberich wird nahezu märchenhaft umgesetzt. So trägt Alberich den Kopf einer gewaltigen Kobra, wenn er sich in den Riesenwurm verwandelt. Die Ausmaße des Wurms werden durch das abgedeckte Mobiliar auf der rechten Seite und einen gewaltigen Schatten in der Videoprojektion noch unterstrichen. Auch die Kröte hüpft im Anschluss munter über die Bühne, bevor sie von Loge und Wotan überwältigt wird und Alberich aus Nibelheim fortgeführt wird. Das Rheingold wird dann in großen Eimern auf die Bühne geschafft, mit denen später Freia bedeckt wird. Beeindruckend setzt Colclough auch Alberichs Fluch um, wenn ihm der Ring entrissen wird.

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Judita Nagyová als Erda

Rätselhaft ist der Auftritt Erdas, die in einem feinen Kostüm, das an einen US-amerikanischen Film der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert, in einem Lichtstrahl auftritt, der auch den Scheinwerfern eines Filmstudios entsprechen könnte. Judita Nagyová begeistert als Erda musikalisch mit dunkel gefärbter Stimme, wirkt aber optisch eigentlich viel zu jung für die weise Urwala. Andererseits werden dadurch Wotans Faszination für diese Frau und Frickas Eifersucht deutlich. Nachdem Fafner seinen Bruder erschlagen, Freia eine Weile trauernd beim toten Fasolt gesessen hat und die Götter erkannt haben, das der Fluch des Nibelungen bereits Wirkung zeigt, folgt der Einzug in die Burg. Hier haben dann auch Brian Michael Moore in der recht kleinen Rolle des Froh und Manuel Walser als Donner ihre großen Momente. Moore überzeugt mit in den Höhen strahlendem Tenor, und Walser punktet mit kräftigem Bariton, wenn er mit großer Durchschlagskraft das Gewitter heraufbeschwört. Im Anschluss wird im Bühnenhintergrund vor dem Orchester auf der rechten Seite eine Art Steg herabgelassen, über den die Götter dann mit ihrem Mobiliar in die Burg einziehen, während die Rheintöchter aus der Bodenluke im Vordergrund noch einmal den Verlust des Goldes beklagen. Loge findet in der Hand des toten Fasolt noch einen goldenen Löffel, gewissermaßen als Überbleibsel des verlorenen Goldes, den er mit einem gewissen Spott den Rheintöchtern übergibt und auf den sie sich stürzen, wenn sie wieder in der Tiefe verschwinden. Nach einiger Überlegung und einigem Zögern beschließt Loge, auch in Walhall einzuziehen. Das Ensemble wird auch bei dieser zweiten Aufführung mit großem und verdientem Jubel bedacht.

FAZIT

Brigitte Fassbaender gelingt ein toller Auftakt zum neuen Ring in Erl, der neugierig auf die weiteren Teile macht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Eric Nielsen

Regie
Brigitte Fassbaender

Bühnenbild und Kostüme
Kaspar Glarner

Video Design
Bibi Abel

Licht
Jan Hartmann

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Orchester der Tiroler Festspiele Erl


Solisten

Wotan
Simon Bailey

Loge
Ian Koziara

Alberich
Craig Colclough

Mime
George Vincent Humphrey

Fricka
Dshamilja Kaiser

Erda
Judita Nagyová

Fasolt
Thomas Faulkner

Fafner
Anthony Robin Schneider

Donner
Manuel Walser

Froh
Brian Michael Moore

Freia
Monika Buczkowska

Woglinde
Ilia Staple

Wellgunde
Florence Losseau

Floßhilde
Katharina Magiera

 


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