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Auftakt eines neuen Rings in ErlVon Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)
Die Regie übernimmt Brigitte Fassbaender, die in ihrer Karriere als
Mezzosopranistin häufig die Partie der Fricka interpretiert hat. Dass das
Orchester im Passionsspielhaus hinter der Bühne positioniert ist, unterstützt
den nahezu kammerspielartigen Zugang zu den einzelnen Figuren, den Fassbaender
wählt. Dabei bezieht sie die Personen zu jedem Zeitpunkt auf der Bühne in das
Geschehen mit ein, auch wenn sie eigentlich gerade nur Beobachter des gesungenen
Wortes sind, und verhindert so, wie Fassbaender es bezeichnet, "ein Herumstehen
auf der Bühne. Bühnenbildner Kaspar Glarner setzt die Einschränkungen der Bühne,
die ohne Schnürboden auskommen muss, geschickt um. So werden die
unterschiedlichen Bilder nur durch wenige Elemente auf der Bühne angedeutet und
vor allem mit eindrucksvollen Video-Projektionen von Bibi Abel eingefangen.
Während des Es-Dur-Vorspiels, das Eric Nielsen mit dem Orchester der Tiroler
Festspiele Erl mit großer Präzision entwickelt, entstehen auf der Rück- und den
Seitenwänden aus dem dunklen Nichts ganz allmählich die sanft wogenden Wellen
des Rheins, in die man durch das intensive Spiel des Orchesters regelrecht
hineingezogen wird. Vor dem Auftritt der Rheintöchter taucht bereits Alberich aus einer
Klappe im Boden auf, der sich hier auf den ersten Blick in den Tiefen des Rheins
verirrt zu haben scheint. Fassbaender legt ihn wie die anderen Figuren sehr
menschlich an und lässt ihn durch das Aufsetzen der Kapuze zum
Nibelungen mutieren.
Die Rheintöchter (von links: Florence Losseau als
Wellgunde, Katharina Magiera als Floßhilde und Ilia Staple als Woglinde)
verspotten Alberich (Craig Colclough).
Die Rheintöchter schieben bei ihrem Auftritt einen langen Tisch auf die Bühne,
den sie während ihres Spiels mit goldenem Geschirr und goldenen Lüstern decken.
Das soll wohl das Rheingold sein, das sie in den Tiefen des Rheins bewachen.
Glarner hat sie mit langen dunklen Roben ausgestattet, die im unteren Bereich an
einen glänzenden Fischschwanz erinnern. Wieso sie beim Preisen des Rheingolds
ihre schwarzen Perücken ablegen und kahlköpfig erscheinen, was ihnen optisch den
betörenden Zauber nimmt, erschließt sich nicht wirklich. Soll damit angedeutet
werden, dass der eigentliche Reiz nicht in der Schönheit der Nixen sondern im
glänzenden Rheingold liegt, was den Nibelungen Alberich schließlich dazu
verleitet, der Liebe zu entsagen, um aus dem Gold den Reif zu schmieden, mit dem
er Macht über die ganze Welt gewinnen möchte? Musikalisch begeistern Ilia Staple
als Woglinde mit frisch leuchtendem Sopran, Florence Losseau als Wellgunde mit
dunkel-timbriertem Mezzo und Katharina Magiera als Floßhilde mit sattem
Alt
durch eine gute Textverständlichkeit und finden zu einem harmonisch aufeinander
abgestimmten Klang. Das neckische Spiel mit Alberich setzen sie mit großem
Körpereinsatz um. Craig Colclough stattet den Nachtalben mit dunklem Bassbariton
aus. Man möchte zunächst Mitleid mit ihm haben, wenn ihm die Rheintöchter so
böse mitspielen. Wenn er dann aber die Liebe verflucht und den Schatz an sich
rafft, jagt Colcloughs Interpretation dem Zuhörer einen Schauer über den Rücken.
Die Riesen Fasolt (Thomas Faulkner, links vorne)
und Fafner (Anthony Robin Schneider, vorne in der Mitte) streiten mit den
Göttern um den Lohn (hinten Mitte: Manuel Walser als Donner, rechts daneben:
Brian Michael Moore als Froh, ganz rechts: Simon Bailey als Wotan, dahinter von
links: Monika Buczkowska als Freia und Dshamilja Kaiser als Fricka).
Für den Wechsel zur freien Gegend auf Bergeshöhen werden dann zahlreiche Koffer
und Möbelstücke auf der rechten Bühnenseite positioniert. Hier haben die Götter
wohl für ihren Umzug in die Burg Walhall ihr Mobiliar geparkt. Wotan sitzt zum
von den Bläsern mit hehrem Klang zelebrierten Walhall-Thema meditierend auf der
Mitte der Bühne, bevor er von seiner Frau Fricka aus seinen Träumen gerissen
wird. Glarner setzt in den Kostümen der Götter farbliche Akzente. So
dominiert bei Wotan die Farbe blau und bei Fricka altrosa, was andeuten mag,
dass Wotan mittlerweile das Interesse an seiner Gattin verloren hat. Freia tritt
in sattem Grün auf, das für die Natur und die Äpfel steht, mit denen sie den
Göttern die Jugend erhält. Froh trägt rot und Donner schwarz mit einer langen
Mähne und zwei großen Hammern, die ihn als Donnergott auszeichnen. Wotan verfügt
über mehrere Vertragsspeere, die ebenfalls bei den Möbeln für den Einzug in
Walhall stehen. Simon Bailey punktet als Göttervater mit kräftigem Bassbariton
und großer Textverständlichkeit. Gleiches gilt für Dshamilja Kaiser, die die
Partie der Fricka mit dunkel gefärbtem Mezzosopran anlegt. Die beiden Riesen Fafner und Fasolt erlangen ihre Größe vor allem durch überdimensionale hohe
Zylinder. Sie haben sich wie Bräutigame in Schale geschmissen, um Freia als Lohn
für die Burg entgegenzunehmen. Dabei betont Fassbaender in der Personenregie von
Anfang an, dass Fafner anders als sein verliebter Bruder Fasolt nach einer
anderen Entlohnung sucht. Er hält die Fäden in der Hand und leitet Fasolt, wenn er von den Göttern Freia fordert. Zunächst steht Freia diesem
Ansinnen noch sehr negativ gegenüber, doch im vierten Bild hat man das Gefühl,
dass sie Fasolt wirklich zu lieben gelernt hat. Thomas Faulkner und Anthony
Robin Schneider punkten als Riesen Fasolt und Fafner mit dunklem Bass. Monika
Buczkowska unterstreicht die Jugend Freias mit leuchtendem Sopran.
Wotan (Simon Bailey, hinten rechts) und Loge (Ian
Koziara, hinten Mitte) haben Alberich (Craig Colclough) in ihre Gewalt gebracht.
Mit mehreren Feuerfontänen, die aus dem Boden emporflammen, wird dann Loges
Auftritt in Szene gesetzt. Glarner kleidet ihn in leuchtendem Gelb. Ian Koziara
spielt die Hinterlistigkeit und Überlegenheit des Feuergottes gekonnt aus und
stattet die Partie mit einem recht dunkel gefärbten Tenor aus. Für den Abstieg
nach Nibelheim werden Loge und Wotan dann von oben an Schnüren herabgelassen.
Bibi Abels schafft erneut eine beeindruckende Video-Projektion aus dunklen
Felsen, in denen die Nibelungen für Alberich schuften. Das Mobiliar auf der
rechten Seite der Bühne wird mit einem schwarzen Tuch abgedeckt und geht somit
in die dunklen Felsen über. George Vincent Humphrey gibt mit kräftigem Tenor den
geschundenen Zwerg Mime, der unter der Gewalt seines Bruders Alberich leidet.
Der Tarnhelm ist eine überdimensionale Brille, während der geschmiedete Ring an
einen Schlagring erinnert, was wohl die Gewalt unterstreichen soll, die davon
ausgeht. Die Szene zwischen Loge, Wotan und Alberich wird nahezu märchenhaft
umgesetzt. So trägt Alberich den Kopf einer gewaltigen Kobra, wenn er sich in
den Riesenwurm verwandelt. Die Ausmaße des Wurms werden durch das abgedeckte
Mobiliar auf der rechten Seite und einen gewaltigen Schatten in der
Videoprojektion noch unterstrichen. Auch die Kröte hüpft im Anschluss munter
über die Bühne, bevor sie von Loge und Wotan überwältigt wird und Alberich aus
Nibelheim fortgeführt wird. Das Rheingold wird dann in großen Eimern auf die
Bühne geschafft, mit denen später Freia bedeckt wird. Beeindruckend setzt
Colclough auch Alberichs Fluch um, wenn ihm der Ring entrissen wird.
Judita Nagyová als Erda
Rätselhaft ist der Auftritt Erdas, die in einem feinen Kostüm, das an einen
US-amerikanischen Film der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts erinnert, in
einem Lichtstrahl auftritt, der auch den Scheinwerfern eines Filmstudios
entsprechen könnte. Judita Nagyová begeistert als Erda musikalisch mit dunkel
gefärbter Stimme, wirkt aber optisch eigentlich viel zu jung für die weise
Urwala. Andererseits werden dadurch Wotans Faszination für diese Frau und
Frickas Eifersucht deutlich. Nachdem Fafner seinen Bruder erschlagen, Freia eine
Weile trauernd beim toten Fasolt gesessen hat und die Götter erkannt haben, das
der Fluch des Nibelungen bereits Wirkung zeigt, folgt der Einzug in die Burg.
Hier haben dann auch Brian Michael Moore in der recht kleinen Rolle des Froh und
Manuel Walser als Donner ihre großen Momente. Moore überzeugt mit in den Höhen
strahlendem Tenor, und Walser punktet mit kräftigem Bariton, wenn er mit großer
Durchschlagskraft das Gewitter heraufbeschwört. Im Anschluss wird im
Bühnenhintergrund vor dem Orchester auf der rechten Seite eine Art Steg
herabgelassen, über den die Götter dann mit ihrem Mobiliar in die Burg
einziehen, während die Rheintöchter aus der Bodenluke im Vordergrund noch einmal
den Verlust des Goldes beklagen. Loge findet in der Hand des toten Fasolt noch
einen goldenen Löffel, gewissermaßen als Überbleibsel des verlorenen Goldes, den
er mit einem gewissen Spott den Rheintöchtern übergibt und auf den sie sich
stürzen, wenn sie wieder in der Tiefe verschwinden. Nach einiger
Überlegung und einigem Zögern beschließt Loge, auch in Walhall einzuziehen. Das Ensemble wird auch bei dieser zweiten Aufführung mit
großem und verdientem Jubel bedacht.
FAZIT
Brigitte Fassbaender gelingt ein toller Auftakt zum neuen Ring in Erl,
der neugierig auf die weiteren Teile macht.
Weitere Rezensionen zu den Tiroler
Festspielen Sommer 2021 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungEric Nielsen Regie Bühnenbild und Kostüme Video Design Licht Dramaturgie
Orchester der Tiroler Festspiele Erl
SolistenWotan
Loge Alberich
Mime
Fricka
Erda
Fasolt
Fafner
Donner Froh Freia Woglinde Wellgunde Floßhilde
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- Fine -