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Triumph der LiebeVon Thomas Molke / Fotos: © Xiomara Bender (TFE Presse)
Pietro Mascagni zählt zu der Riege der Opernkomponisten, die mit nur einem Werk
in die Musikgeschichte eingegangen sind. Bei ihm ist es sogar besonders
tragisch, weil er direkt mit seinem Erstling, Cavalleria rusticana,
Fritz (Gerard Schneider, rechts) wettet mit
seinem Freund David (Domen Križaj, links), dass er niemals heiraten werde
(in der Mitte von links: Caterina (Reilly Nelson), Hanezò (Giovanni Battista
Parodi) und Federico (Carlos Andrés Cárdenas)).
Die Handlung, die auf eine gleichnamige französische Erzählung von
Emile Erckmann und Alexandre Chatrian zurückgeht, spielt im Elsass und ist von
der Grundidee nicht viel dümmer als andere seichte Komödien. Der wohlhabende
Grundbesitzer Fritz wettet mit seinem Freund, dem Rabbi David, um einen
Weinberg, dass er sein Leben lang ledig bleiben werde. David hingegen, der der
Meinung ist, dass es zur Natur des Menschen gehöre, eine feste Bindung
einzugehen, setzt alles daran, dass Fritz diese Wette verliert. Als Mittel zum
Zweck dient ihm Suzel, die schüchterne und schöne Tochter eines Pächters.
Fritz findet zwar durchaus Gefallen an der jungen Frau, ist aber nicht bereit,
für sie sein freies Leben aufzugeben. Suzel, die sich in Fritz verliebt hat,
leidet unter seiner Zurückweisung. Als sie beschließt, einen anderen Mann zu
heiraten, wird Fritz klar, was er wirklich für sie empfindet. Er gesteht ihr
seine Liebe und akzeptiert, dass er die Wette verloren hat. David, der über
diesen Ausgang sehr glücklich ist, gibt den gewonnenen Weinberg Suzel als
Mitgift mit in die Ehe. Mit einer geschickten Ausgestaltung der Figuren hätte
man aus dieser Geschichte sicherlich etwas machen können, aber im Libretto von
Nicola Daspuro bleiben die Figuren leider recht farblos und eindimensional.
Suzel (Karen Vuong) liebt Fritz (Gerard
Schneider).
Das Regie-Team um Ute Monika Engelhardt versucht nun, den Charakteren der Oper
mehr Tiefe zu verleihen und sie mit einer eigenen Geschichte auszustatten. Den
größten Eingriff nimmt Engelhardt dabei bei der Figur des Beppe vor. Im Original
handelt es sich eigentlich um einen Zigeuner, der mit seinem leidenschaftlichen
Spiel auf der Geige die anderen Figuren zu Tränen rührt und im dritten Akt mit
seinem traurigen Lied über seine eigene Liebeserfahrung Fritz bewusst macht, wie
tief dessen Gefühle für Suzel sind. Die Rolle ist als Hosenrolle angelegt, was
Engelhardt veranlasst, in ihrer Inszenierung daraus eine Frau zu machen. Als
Femme fatale hat Beppe hier bereits mehrere Male Fritz den Kopf verdreht und den Genuss
der Liebe auch ohne feste Bindung kosten lassen. Ob das inhaltlich aufgeht, ist
Ansichtssache, da beispielsweise die große Erzählung Beppes im dritten Akt nicht
wirklich zu dieser Einstellung passt. Auch Fritz' Freund Federico bekommt in
Engelhardts Lesart eine größere Bedeutung. Er verliebt sich ebenfalls in die schöne Suzel und macht ihr im großen Intermezzo vor dem dritten Akt einen
Heiratsantrag. Leider bietet das Libretto am Schluss nur einen Satz, der eine
solche Deutung zulässt und dem Happy End einen etwas schalen Beigeschmack gibt.
Da sieht man Davids tröstende Worte, dass auch Federico und Hanezò eine Frau
finden werden, mit gemischten Gefühlen, auch wenn vielleicht mit dem
Dienstmädchen Caterina bereits eine potenzielle Kandidatin gefunden ist.
Fritz (Gerard Schneider, 2. von rechts) und David
(Domen Križaj, rechts) mit Beppe (Nina Tarandek, Mitte) und Suzel (Karen Vuong, links)
Sonja Füsti hat für das Bühnenbild einen Raum mit hohen Kassettenwänden
entworfen, die zunächst recht kühl wirken. Hier scheinen Gefühle zunächst keinen
Platz zu haben. Ausschlaggebend ist letztlich, was sich hinter diesen Wänden
abspielt. Mal ist
es eine Wand in der Mitte, die in die Höhe gezogen wird und Beppe bei
ihrem Geigenspiel im ersten Akt einen spektakulären Auftritt in einem weiten
ausladenden weißen Kleid ermöglicht, in dem die Geburtstagsglückwünsche
wesentlich eindrucksvoller überbracht werden als in dem schlichten Auftritt Suzels. Dann findet hinter
der gleichen hochgezogenen Wand der Heiratsantrag
Federicos statt. Wie die Liebe bahnt sich auch die Natur im weiteren Verlauf
ihren Weg durch die Wände. So brechen beispielsweise große
Kirschblüten im dritten Akt durch die Wände hindurch. Im zweiten Akt scheint sich
Fritz komplett in eine andere Welt zu träumen. Da verschwinden die Kassettenwände sogar
ganz, und die Bühne wird von großen Kirschbäumen und einer einfachen Hütte
dominiert, die Suzels Heim darstellt. Ob es der Pizzakartons bedarf, die zur
Junggesellen-Party als Essen gereicht werden, um die Handlung wie die Kostüme
von Henriette Hübschmann in der Gegenwart zu verorten, ist sicherlich
Geschmacksache. Für Suzel und Beppe entwirft Hübschmann ähnlich schlichte blaue
Kostüme, die wahrscheinlich betonen sollen, dass Fritz sich zwischen diesen
beiden Frauen bewegt. Zu Beppes Charakter als Femme fatale, als die sie zu
Beginn eingeführt ist, passt das allerdings nicht wirklich.
Happy End nicht für alle: in der Mitte: Fritz
(Gerard Schneider) und Suzel (Karen Vuong), links: Beppe (Nina Tarandek) und
Hanezò (Giovanni Battista Parodi), rechte Seite von links: David (Domen Križai) und Federico (Carlos Andrés Cárdenas)
Musikalisch kann man Mahlers und Verdis Urteil sicherlich zustimmen und dem Stück
großartige Musik bescheinigen, die vom Ensemble auch auf hohem Niveau umgesetzt
wird. Francesco Lanzillotta lotet mit dem Orchester der Tiroler Festspiele Erl
die Klangvielfalt der Musik differenziert aus und lässt das Publikum in
lieblichen Bögen baden, die stellenweise vielleicht schon wieder ein bisschen zu
zuckersüß sind. Bemerkenswert ist das große Intermezzo vor dem dritten Akt, das
den Wendepunkt der Geschichte einleitet und mit Federicos Antrag auch inhaltlich
motiviert, wieso Fritz nun handeln muss, um Suzel nicht für immer zu verlieren.
Gerard Schneider verfügt als Fritz in der Titelpartie über einen kräftigen
Tenor, der aber zumindest in der Derniere mit den hohen Tönen arg zu kämpfen
hat, so dass er in Fritz' großer Bravourarie im dritten Akt, in der er sich
seine Liebe zu Suzel eingesteht, nicht wirklich zu glänzen vermag. Karen Vuong
begeistert als Suzel mit einem runden Sopran und verströmt in den Spitzentönen
strahlenden Glanz. Darstellerisch wird sie dem schüchternen Mädchen mehr als
gerecht. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre große Arie zu Beginn des zweiten
Aktes, in der sie die Reife der Kirschen besingt. Erwähnenswert ist auch das
große Duett mit Domen Križaj
FAZIT
Musikalisch hat das Stück seine Meriten. Die inhaltlichen Schwächen kann aber
auch das Regie-Team nicht wirklich umgehen und werden dem
Stück wohl keine Chance bieten, ins Repertoire aufgenommen zu werden.
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Tiroler Festspielen Winter 2021/2022 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungFrancesco Lanzillotta Inszenierung Bühne Kostüme Licht Chor
Orchester und Chor der Tiroler Festspiele Erl Statisterie
SolistenFritz
Suzel Beppe
David Caterina
Federico
Hanezò
|
- Fine -