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Musikfestspiele
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45. Tage Alter Musik in Herne

11.11.2021 - 14.11.2021

Enea in Caonia

Serenata in zwei Teilen
Libretto von Silvio und Luigi Maria Stampiglia nach Vergils Aeneis
Musik von Jo
hann Adolf Hasse

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h' 10 (eine Pause)

Konzertante Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 13. November 2021

 

 

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Kleine Episode aus der Aeneis als Serenata

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost / WDR

Johann Adolf Hasse zählte im 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Vertretern der Opera seria und prägte mit seinen festen musikalischen Strukturen und Formen europaweit diese Gattung. Mit dem Aufkommen der Reformoper durch Christoph Willibald Gluck verschwand sein Werk aber nahezu vollständig von den Spielplänen und fiel dem Vergessen anheim. Eine allmähliche Wiederentdeckung seiner Opern findet größtenteils nur bei Festspielen statt, die sich der Vielfalt der Barockmusik widmen. So hat man sich nun auch bei den Tagen Alter Musik in Herne entschlossen, ein Werk des in Bergedorf bei Hamburg geborenen Komponisten zur Aufführung zu bringen, das am Anfang von Hasses Karriere in Neapel entstand: Enea in Caonia. Als Schüler Alessandro Scarlattis war Hasse aus dem hohen Norden nach Neapel, die damalige Metropole der Oper, gekommen und startete dort eine kometenhafte Karriere. Enea in Caonia war das letzte und dritte Stück der Gattung der Serenata, mit der er in Neapel den Geschmack des Publikums gewissermaßen austestete, bevor er es in seinen großen musikdramatischen Werken umsetzte. Zur modernen Erstaufführung gelangte das Stück erst 2019 in Rom mit dem Enea Barock Orchestra unter der Leitung von Stefano Montanari. Diese Aufführung ist auch als CD erhältlich.

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Ensemble: von links: Enea (Anthea Pichanick), Ilia (Giulia Bolcato), Andromaca (Gaia Petrone), Stefano Montanari (Musikalische Leitung), Eleno (Paola Valentina Molinari) und Niso (Luca Cervoni), dahinter Enea Barock Orchestra

Komponiert wurde die Serenata wahrscheinlich für einen Neapel-Besuch der Violante Beatrix von Bayern, der Witwe des Großherzogs Ferdinand de' Medici, und ihres Neffen Clemens August von Bayern, des Kurfürsten von Köln, der nach Italien gekommen war, um in Rom von Papst Benedikt XIII. zum Erzbischof geweiht zu werden. Deswegen wählte Hasse eine Episode aus Vergils Aeneis aus, in der mit der Prophezeiung von Roms künftiger Größe eben auch den Gästen in Neapel gehuldigt werden konnte. Im dritten Buch der Aeneis gelangt der trojanische Prinz Aeneas (Enea) auf seinen Irrfahrten nach dem Untergang Trojas nach Chaonia in Epirus, einer Region im nordöstlichen Griechenland. Dort trifft er auf seinen Schwager Helenus (Eleno), der sich nach seiner Flucht aus Troja dort niedergelassen hat und Andromache (Andromaca), die Witwe Hektors geheiratet hat. Eleno, der wie seine Schwester Kassandra hellseherische Fähigkeiten hat, befragt das Orakel des Apoll und prophezeit Enea, dass er in Italien den Grundstein für Rom als zukünftige Weltmacht legen werde. Eingefügt in diese Episode wird die Jägerin Ilia, die als ehemalige Trojanerin nun in den Wäldern von Caonia lebt und in die sich Eneas Gefährte Niso verliebt. Doch Ilia will ihre Freiheit nicht für die Liebe opfern.

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Schlusschor: von links: Ilia (Giulia Bolcato), Enea (Anthea Pichanick), Andromaca (Gaia Petrone), Stefano Montanari (Musikalische Leitung), Eleno (Paola Valentina Molinari) und Niso (Luca Cervoni)

Inhaltlich ist diese Geschichte zwar recht dürftig, wird von Hasse aber in zauberhafte Musik übertragen, wobei die Aufteilung der Arien auf die beiden Teile recht ungleichmäßig erfolgt. Während im ersten Teil mit sechs Arien die Solist*innen mit Ausnahme von Ilia nur eine Arie singen, enthält der zweite Teil fast doppelt so viele Arien. Vorangestellt wird an den zweiten Teil auch noch eine Sinfonia, die aus Hasses Oper Gerone tiranno di Siracusa stammt, die ebenfalls 1727 in Neapel komponiert wurde. Den Anfang macht Enea, der mit seinem Gefährten Niso in Caonia landet und auf Ilia trifft, die die beiden im Anschluss zu Eleno bringt. Anthea Pichanick gestaltet die Partie des Enea mit einem satten Alt und großer Beweglichkeit in den Läufen. Luca Cervoni wirkt als Niso in seiner ersten Arie, wenn er die Schönheit Ilias preist, noch ein bisschen blass. Da kann sich sein Tenor noch nicht ganz gegen das Enea Barock Orchestra unter der Leitung von Stefano Montanari durchsetzen. Nach der Pause verleiht er dem Liebesleid des jungen Trojaners aber mit tenoralem Glanz mehr Gewicht und glänzt auch im Schlusschor, wenn alle Eneas zukünftigen Ruhm preisen. Giulia Bolcato lässt als Jägerin Ilia mit strahlendem Sopran und leuchtenden Höhen aufhorchen. In ihrer ersten Arie, in der sie in Enea und Niso ehemalige Leidensgenossen aus Troja wiedererkennt, begeistert sie mit perlenden Koloraturen.

Interessant an der Komposition ist, dass die Partie der Andromaca für eine tiefere Stimmlage komponiert worden ist als die ihres Gatten Eleno, der bei der Uraufführung von dem Starkastraten Giovanni Carestini interpretiert wurde. Andromaca hingegen ist mit einem Mezzosopran besetzt. Gaia Petrone gestaltet die Partie mit dunkel gefärbtem Mezzosopran, der unterstreicht, welches Leid der Witwe des Hektor widerfahren ist. Nach dem Untergang Trojas und dem Tod ihres Kindes wurde sie zunächst Sklavin des Pyrrhus, der sie schließlich Eleno überließ, weil er sich in eine andere Frau verliebt hatte. Petrone macht mit intensiver Interpretation deutlich, dass Andromaca immer noch ihrem verstorbenem Gatten nachtrauert und die Begegnung mit Enea alte Wunden wieder aufreißt. Paola Valentina Molinari punktet als König Eleno mit kräftigem Sopran und flexiblen Läufen. Ein besonderes Kleinod ist Ilias große Arie am Ende des ersten Aktes, in der sie die Einladung ablehnt, die Wälder zu verlassen, um fortan im Palast zu leben. Während die meisten Arien in Dur gehalten sind, wählt Hasse hier eine Moll-Tonart, die fraglich erscheinen lässt, ob Ilia mit ihrem Leben so glücklich ist, wie sie vorgibt.

Kernstück des zweiten Teils ist die große Prophezeiung des Eleno. Nachdem erst der Gott Apoll in einer Arie angerufen und ihm gedankt worden ist, dass er Eleno einen Blick in die Zukunft gewährt hat, verkündet Molinari als Eleno zunächst in einem eindrucksvollen Rezitativ die glorreiche Zukunft Eneas, um anschließend in einer Arie die denkwürdigen Taten des trojanischen Helden zu preisen. Molinari begeistert hier mit großartiger Interpretation und flexiblen Läufen. In diesem Teil erfolgt dann auch die Huldigung an die Gäste der Uraufführung. Violante Beatrix von Bayern wird als "grand'eroina di regio sangue ornata" (große Heldin von edlem königlichem Blut) begrüßt, die an der Seite ihres großartigen Neffen Clemens August von Bayern die Lobpreisungen auf das neue Troja vernehmen kann. Mit dem Schmuck, den Eleno in seiner Prophezeiung in der Arie sieht, wird auf die Weihung zum Erzbischof angespielt. Szenisch könnte man aus dieser Serenata heute sicherlich nicht viel machen. Musikalisch ist sie aber ein Hochgenuss, die in einem freudigen Jubelchor mündet, der als Zugabe im Anschluss noch einmal gespielt wird. Stefano Montanari führt das Enea Barock Orchestra mit sicherer Hand durch die leicht klingende Partitur und macht den Abend zu einem wunderbaren Barockerlebnis.

FAZIT

Von Johann Adolf Hasse würde man eigentlich gerne mehr auf den Bühnen erleben. Es ist schade, dass er nur selten wiederentdeckt wird.

 Weitere Rezensionen zu den Tagen Alter Musik in Herne 2021

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefano Montanari

 

Enea Barock Orchestra

 

Solisten

Eleno, Sohn des Priamos und König von Caonia
Paola Valentina Molinari

Enea, trojanischer Prinz
Anthea Pichanick

Andromaca, Witwe des Hektor und Gattin des Eleno
Gaia Petrone

Ilia, eine Jägerin in Caonia
Giulia Bolcato

Niso, Gefährte des Enea
Luca Cervoni

 

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Tage Alter Musik in Herne
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