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Haydns Schöpfung auf ItalienischVon Thomas Molke "Im Anfange" war... der Regen. So beginnt zwar nicht Joseph Haydns Oratorium Die Schöpfung. Für den Start des diesjährigen Belcanto Opera Festivals Rossini in Wildbad beschreibt es allerdings die Situation sehr gut. Um in diesem immer noch von der Corona-Pandemie gezeichneten Jahr das Festival überhaupt möglich zu machen, hatte Festspiel-Intendant Jochen Schönleber für alle Veranstaltungen Open-Air-Spielstätten gesucht. Für den Auftakt hatte man den bereits in den Vorjahren erprobten Aussichtsturm Baumwipfelpfad auf dem Sommerberg auserkoren und wollte in luftigen Höhen musikalisch Haydns Schöpfung durchleben. Aber der Wettergott hatte andere Pläne. Bad Wildbad wäre allerdings nicht Bad Wildbad, wenn nicht auch diese Eventualität eingeplant worden wäre. So wurde das Konzert kurzfristig in die im Süden des Kurorts gelegene Offene Halle Marienruhe verlegt, die im Aufbau ein wenig an die Trinkhalle erinnert, dabei an der rechten Seite einzelne Öffnungen hat und damit eine ideale Ausweichspielstätte für Regenwetter ist. So konnte der Aussichtsturm nur auf die Rückwand der Bühne projiziert werden und einen Eindruck vermitteln, wie "himmlisch" dieses Auftaktkonzert wohl auf dem Sommerberg geklungen hätte. Haydns Oratorium sorgte bereits in den ersten geschlossenen Aufführungen am 29. und 30. April 1798 im Stadtpalais Schwarzenberg in Wien mit Antonio Salieri am Cembalo für so viel Aussehen, dass es nach der öffentlichen Uraufführung im Wieder Burgtheater am 19. März 1799 schnell seinen Siegeszug über nahezu ganz Europa antrat. Bereits 1801 gab Ignazio Pleyel eine französische und italienische Übersetzung heraus. Diese Fassung muss Rossini wohl sehr gut gekannt haben. Als er nämlich 1821 im Gefolge der österreichischen Truppen nach Neapel kam und den Auftrag erhielt, zur Fastenspielzeit am 10. und 12. April Haydns Oratorium im Teatro Nuovo zu dirigieren, wählte er nicht die wesentlich populärere italienische Übersetzung von Giuseppe Carpani aus, sondern entschied sich für den unbekannteren Text, den er nach seinen eigenen Erzählungen bereits während seiner Jugendzeit in Bologna so intensiv studiert habe, dass er ihn "bis auf die kleinsten Recitative auswendig" könne. Nicht zuletzt die Begeisterung für den deutschen Komponisten hat Rossini den Spitznamen "Tedeschino" eingebracht. Es versteht sich beinahe von selbst, dass man sich beim Festival Rossini in Wildbad nun für diese von Rossini dirigierte italienische Fassung entschieden hat, deren Aufführung in diesem Jahr obendrein genau 200 Jahre zurückliegt. Das Werk schildert die Schöpfungsgeschichte in insgesamt drei Teilen. In den ersten beiden Teilen besingen die Erzengel Gabriel (Sopran), Uriel (Tenor) und Raphael (Bass) in Rezitativen und Arien die Erschaffung der Welt und des Menschen durch Gott an den ersten sechs Tagen. Dabei kommt dem Chor als Vertreter der himmlischen Heerscharen oder auch der herabstürzenden Höllengeister große Bedeutung zu. Der erste Teil umfasst die ersten vier Tage, in denen die Welt und der Kosmos entsteht. Der zweite Teil beschreibt den fünften und sechsten Tag mit der Entstehung des Lebens. Im dritten Teil loben Adam (Bass) und Eva (Sopran) am siebten Tag die Schöpfung des Herrn. Der Sündenfall findet hier zugunsten einer selbstbewussten Menschheitsvorstellung Haydns noch nicht statt, auch wenn Uriels Andeutung "Wenn falscher Wahn euch nicht verführt" kurz vor dem allgemeinen Jubelchor am Schluss die beschriebene Idylle hinterfragt. Auch die Aufführung 1821 in Neapel dürfte ein politisches Geschmäckle gehabt haben. Dort war es im Jahr zuvor zu Zusammenstößen und Aufständen gekommen, die sich gegen den von den Habsburgern unterstützten Ferdinand I. richteten. So kann Uriels Zeile im letzten Rezitativ auch als Warnung an die Neapolitaner verstanden werden, Ferdinand I. wie eine göttliche Macht als Herrscher zu akzeptieren. Das Konzert gelangte bereits am 1. Juli 2021 beim Royal Opera Festival in Krakau zur Aufführung. Dort hat Festspiel-Intendant Jochen Schönleber 2019 mit dem Verein Passionart einen Kooperationspartner für das Belcanto Opera Festival in Bad Wildbad gefunden. Nun sind das Philharmonische Orchester Krakau und der Philharmonische Chor Krakau nach Bad Wildbad gekommen, um auch hier einen fulminanten Einstieg in die Entstehung der Welt zu geben. Bereits der Anfang des Oratoriums, in dem sich die Mollstimmung der Ouvertüre zum strahlenden C-Dur entwickelt, wenn der Chor der Engel die Lichtwerdung beschreibt, markiert den ersten Höhepunkt des Abends. Da bedarf es keiner ca. 400 Ausführenden, mit der die Uraufführung in Wien stattgefunden haben soll. Der Chor begeistert auch in kleinerer Besetzung mit strahlendem und kraftvollem Klang. Luciano Acocella führt das Philharmonische Orchester Krakau sehr ruhig und mit leichten Ausbrüchen durch das wabernde Chaos, das vor dem Beginn der Welt herrscht, und trumpft bei der Entstehung des Lichtes regelrecht auf, wenn die Schar der Höllengeister zu ewiger Nacht verdammt wird. Der Chor macht dabei die Verzweiflung, die Wut und den Schrecken der Höllengeister spürbar. Auch die Solisten lassen keine Wünsche offen. Serena Farnocchia stattet den Erzengel Gabriel und Eva mit einem warmen und flexiblen Sopran aus. In den Läufen verfügt sie über große Beweglichkeit, und die Höhen zeichnen sich durch große Strahlkraft aus. Hervorzuheben ist ihre Arie am fünften Tag, wenn sie sehr lautmalerisch die Entstehung der Vögel besingt und in den Koloraturen sowohl die Nachtigall als auch die Lerche hörbar werden lässt. Marcell Bakonyi verfügt als Erzengel Raphael und als Adam über profunde Tiefen, was besonders in seiner Arie des sechsten Tages zum Ausdruck kommt. Wenn er am fünften Tag die Entstehung der Tiere im Accompagnato-Rezitativ besingt, ist es vor allem das Orchester, dass lautmalerisch den Löwen als König der Tiere, den kraftvoll springenden Hirsch und das in sanfter Ruhe weidende Schaft plastisch vor dem inneren Auge entstehen lässt. Mit Farnocchia findet er im Duett zwischen Adam und Eva zu einer betörenden Innigkeit. Luis Aguilar, Stipendiat der Akademie BelCanto, legt die Partie des Erzengels Uriel mit dunkel gefärbtem Tenor an. Nach dem fulminanten Schlusschor gibt es großen Jubel für alle Beteiligten.
FAZIT Rossini in Wildbad trotzt nicht nur der Corona-Pandemie sondern auch dem Wetter mit einer musikalisch überzeugenden Aufführung von Haydns Schöpfung in italienischer Sprache in der Offenen Halle Marienruhe.
Weitere Informationen zum
Festival Rossini in
Wildbad 2021 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungLuciano Acocella
Philharmonisches Orchester Krakau Philharmonischer Chor Krakau
SolistenGabriel / Eva (Sopran) Uriel (Tenor) Raphael / Adam
(Bass)
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