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Farbenspiel im LohengrinVon Thomas Molke, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico NawrathObwohl die Lohengrin-Inszenierung von Yuval Sharon und dem Bühnen- und Kostümbildner-Team Rosa Loy und Neo Rauch bereits 2018 am Hügel Premiere feierte, ist die Produktion 2022 erst im dritten Jahr zu erleben. Die Corona-Pandemie verhinderte in den vergangenen zwei Jahren eine Aufführung. 2020 mussten die Festspiele ja bekanntlich komplett ausfallen, und 2021 war die Inszenierung wegen der erforderlichen großen Chorszenen auf der Bühne mit Blick auf die Corona-Einschränkungen nicht umsetzbar. So lässt sich leider nur der Spruch zitieren: Aller guten Dinge sind drei. Denn da die Disposition der Festspiele immer für mehrere Jahre steht, kann die Inszenierung im nächsten Jahr nicht wieder aufgenommen werden und steht in diesem Jahr leider zum letzten Mal auf dem Programm. Gemessen am großen Jubel des Publikums, das - für Bayreuther Verhältnisse eigentlich völlig ungewöhnlich - bereits beim Fallen des Vorhangs in die Aktschlüsse reinklatschte, bevor der letzte Ton aus dem Orchestergraben verklungen war, mag man das sehr bedauerlich finden, zumal auch das Regie-Team am Ende mit großem Jubel gefeiert wurde, in dem vereinzelte Unmutsbekundungen gnadenlos untergingen. Ortrud (Petra Lang, im Hintergrund) und Telramund (Martin Gantner, im Hintergrund) klagen Elsa (Camilla Nylund, Mitte) an (vorne: Michael Gniffke und Tansel Akzeybek als Edle). Dass die Inszenierung optisch ein absoluter Hingucker ist, ist Rosa Loy und Neo Rauch zu verdanken, die grandiose Bilder kreieren, die schon fast an klassisches Kulissentheater erinnern, dabei aber vor allem von einem Farbton leben: Blau. Dieser dominiert in unterschiedlichen Schattierungen die Bühne und schafft eine Atmosphäre, die sowohl die ätherischen Klänge des Vorspiels widerspiegelt als auch das Geschehen in Brabant. Blau steht in der Inszenierung nicht nur für den Himmel und das Wasser, über das laut Libretto Lohengrin in einem von einem Schwan gezogenen Nachen erscheint, um für Elsa zu kämpfen, und über das er am Ende, nachdem er seine Identität preisgegeben hat, auch wieder verschwindet. Sharon sieht in dieser Farbe auch eine Gesellschaft, die sich der Technisierung und dem dadurch erzielten Fortschritt verschrieben hat, dabei aber die Kontrolle über die Maschinen verliert. Vielleicht tragen deshalb die Figuren des Stückes allesamt Insektenflügel, um anzudeuten, dass der Mensch in dieser von Technik dominierten Welt eigentlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, den eigenen Fortschritt also nicht mehr wirklich beherrscht. Kontrastierend zu der Anspielung auf Insekten erinnern die Kostüme an Gemälde aus dem flämischen Barock. Die Flügel sind bei den einzelnen Figuren durchaus unterschiedlich. Die männlichen Hauptfiguren tragen große Flügel, wohingegen das einfache Volk mit kleineren Flügeln ausgestattet ist. Die Frauen tragen hochgestellte Flügel, wobei Elsa zur Hochzeit beide Flügelpaare auf dem Rücken trägt. Mit der Ehe scheint sie wohl der männlich dominierten Welt untergeordnet worden zu sein. Das gelingt bei Ortrud nicht. Anders hingegen verhält es sich bei den Frauen des Chors, die, nachdem sie Blumen für das Brautpaar gestreut haben, recht harsch von den Männern beiseite gezogen werden. Auftritt Lohengrin (Klaus Florian Vogt, oben Mitte) (unten: Ortrud (Petra Lang) und Telramund (Martin Gantner) mit dem Festspielchor als Volk) Und Lohengrin? Er trägt zunächst keine Flügel, wirkt in seinem hellblauen Kostüm und mit den bläulichen Haaren eher wie ein Elektriker, der die ganze Technologie noch beherrscht. So erscheint er nicht mit einem Schwan sondern über eine Transformatorenstation, die im ersten Aufzug das Bühnenbild beherrscht. Verbunden mit mehreren Strommasten, die in ihrer Größe die davor stehenden Bäume und damit die Natur überragen und auch zerstören, scheint er gewissermaßen direkt durch die Leitungen zu kommen. Auf dem Dach der Station hebt sich bei seiner Ankunft ein weißes Gebilde, das mit einiger Fantasie an einen Düsenjet erinnert. Vielleicht soll es aber auch ein "moderner" Schwan sein. All das wird mit einer beeindruckenden Lichtregie in Szene gesetzt. Der Kampf für Elsa findet dann in der Luft statt. Dass Telramund mit seinen Flügeln fliegen kann, ist dabei ja eigentlich nicht ungewöhnlich. Da Lohengrin mit einem Blitz kämpft, der ihn wie den Göttervater Zeus erscheinen lässt, benötigt er noch nicht einmal Flügel und besiegt Telramund, indem er ihm einen Flügel ausreißt. Leider vergisst man (oder hat es zeitlich nicht geschafft), dem auf dem Boden wieder auftretenden Telramund diesen Flügel zu entfernen. Im späteren Aufzug hat man diesen Fehler korrigiert. Während Telramund durch den Verlust des Flügels geschwächt wird, macht sich Lohengrin nach seinem Sieg verletzlich, indem er sich nun ebenfalls Flügel aufsetzen lässt. Diese legt er erst im dritten Aufzug wieder ab, wenn Elsa im Brautgemach die verhängnisvolle Frage stellt. Elsa (Camilla Nylund) stellt im Brautgemach die verhängnisvolle Frage an Lohengrin (Klaus Florian Vogt). Das Brautgemach liegt dann in einer Art Turm und bildet auch farblich einen starken Kontrast zu den ansonsten dominierenden Blautönen. Hier ist alles in grellem Orange gehalten. Neben dem Bett befindet sich ein weiterer Strommast mit einem spiralförmigen Stamm. Nur an der Spitze dieses Mastes sind noch Reste von zartem Blau zu erkennen. Lohengrin fesselt Elsa an diesen Mast, um die fatale Frage nach seinem Namen und seiner Herkunft zu verhindern, doch vergeblich. Elsa lässt sich nicht einschüchtern, und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Lohengrin tötet Telramund mit einer Art Stromschlag und reißt ihm auch den zweiten Flügel aus. Doch Elsa ist in Sharons Deutung nicht die Verlierende, die am Ende entseelt zusammenbricht. Nachdem sich die Szenerie in eine bläulich eingefärbte abstrakte Landschaft verwandelt hat, bei der im Hintergrund sogar ein See angedeutet wird, entzieht Lohengrin mit seiner Offenbarung nicht ihr sondern dem König und dem Volk die Kraft, indem er ihnen die Elektrizität wieder raubt. Das Volk tritt in dieser Szene mit Stangen auf, an denen Gebilde in Weißblau leuchten, die in der Form an Insektenflügel erinnern. Als Lohengrin seinen Blitz einschlagen lässt, erlöschen diese leuchtenden Stangen nach und nach, bevor dann das Eintauchen des Blitzes in den See im Hintergrund einen Stromschlag auslöst, der den König und das ganze Volk zu Boden streckt. Elsa hingegen übergibt er eine orangefarbene Kühltasche, die im Innern hell leuchtet. Scheinbar handelt es sich dabei um die Macht über die Elektrizität, und Gottfried tritt in leuchtendem Grün von der Seite auf. Soll das der Sieg der Natur sein, die sich ihren Weg zurückerobert hat? Jedenfalls zieht dieser grüne Gottfried mit der in Orange getauchten Elsa einer neuen, ungewissen Zukunft entgegen. Ortrud bricht ebenfalls nicht tot zusammen, sondern beobachtet das ganze Spektakel. Den im Programmheft angedeutete Ansatz, sie nicht als grundsätzlich böse zu betrachten, löst die Inszenierung allerdings nicht ein. Lohengrin (Klaus Florian Vogt, rechts) hat Telramund (Martin Gantner, vorne links) im Zweikampf besiegt (Mitte: Heinrich der Vogler (Georg Zeppenfeld), vorne: Ortrud (Petra Lang) im Hintergrund: Festspielchor als Volk). Musikalisch gibt es im Vergleich zu 2018 und 2019 einige Umbesetzungen. Da ist zunächst einmal Martin Gantner als Telramund zu nennen. Er begeistert mit diabolischen Tiefen und einer hervorragenden Textverständlichkeit. Bei aller Härte wird aber sehr schnell klar, dass seine Frau das Sagen hat. Das wird im Zusammenspiel mit Petra Lang als Ortrud in jedem Moment deutlich. Ein musikalischer Glanzpunkt der Aufführung ist der zweite Aufzug, wenn Telramund Ortrud zunächst für sein Versagen verantwortlich machen will, sich aber von ihr wieder wie zuvor manipulieren lässt. Auch für diese Szene finden Loy und Rauch großartige Bilder, indem sie die beiden nahezu im Dunkeln hinter einem Prospekt agieren lassen, auf den eine gespenstisch anmutende Landschaft projiziert wird. Lang begeistert mit vollem Mezzosopran und großartigen dramatischen Ausbrüchen, auch wenn in den Höhen durchaus Übertitel hilfreich wären, da der gesungene Text eigentlich kaum zu verstehen ist. Gekonnt schafft Lang es, sich mit variabler Stimmführung bei Elsa einzuschmeicheln und ihr Mitgefühl zu erlangen. Umso härter präsentiert sie sich dann, wenn sie von Elsa den Vortritt zum Gang in den Dom - in dieser Inszenierung die Transformatorenstation aus dem ersten Aufzug - einfordert. Darstellerisch lässt Lang auch am Ende an Ortruds Überlegenheit keinen Zweifel. Camilla Nylund hat die Partie der Elsa bereits 2019 alternierend mit Annette Dasch in dieser Inszenierung gesungen und macht deutlich, wieso sie für dieses Jahr erneut verpflichtet worden ist. Ihr Sopran verfügt über eine wunderbare Klarheit und Strahlkraft in den Höhen und besitzt die Wärme, die für Elsa charakteristisch ist. Dabei begeistert sie durch große Textverständlichkeit. Klaus Florian Vogt hat bereits in der Inszenierung von Hans Neuenfels den Lohengrin in Bayreuth mit überwältigendem Erfolg interpretiert. Sein Tenor ist mit seinen luziden Höhen einfach prädestiniert für diese Rolle, und auch darstellerisch gibt er den Helden, an dessen Image Sharon in dieser Inszenierung gewaltig kratzt. Georg Zeppenfeld punktet als König mit grandiosem Bass und sauberer Diktion. Auch Derek Welton erntet als Heerrufer zu Recht großen Jubel vom Publikum. Gleiches gilt für den großartig disponierten Festspielchor unter der Leitung von Eberhard Friedrich. Christian Thielemann lotet mit dem Festspielorchester die farbenreiche Partitur gewohnt souverän und mit viel Liebe zum Detail aus. Bedauerlich ist nur, dass das Publikum zu Beginn der Aufzüge ein wenig braucht, bis es endgültig zur Ruhe kommt. Da stört das eine oder andere Geräusch im Saal den Genuss der langsam anschwellenden Geigenklänge zu Beginn des ersten Aufzugs, und die düstere Stimmung des zweiten Aufzugs will sich auch nicht mit den ersten Tönen einstellen. Das ist eigentlich für Bayreuth ungewöhnlich, da das Publikum ja nicht wie in den übrigen Opernhäusern durch die Ankunft des Dirigenten zur Ruhe gemahnt wird, sondern eigentlich beim Verlöschen des Lichtes weiß, dass die Vorstellung nun beginnt. Aber diese Beobachtung passt zum Reinklatschen in die Aktschlüsse. Dennoch lässt sich der musikalische Genuss dadurch nicht nehmen.
Es ist wirklich bedauerlich, dass diese Produktion in diesem Jahr zum letzten Mal in Bayreuth auf dem Spielplan steht. Musikalisch hätte sie ruhig noch ein oder zwei Jahre laufen können. Auch die Bilder der Inszenierung sind sehr ansprechend.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Licht
Chorleitung
Festspielchor Solistinnen und Solisten
Heinrich der Vogler
Lohengrin
Elsa von Brabant
Friedrich von Telramund
Ortrud
Der Heerrufer des Königs
1. Edler
2. Edler
3. Edler
4. Edler
Edelknaben
Edeldamen
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- Fine -