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Klavierfestival Ruhr 2022

Historische Stadthalle am Johannisberg, Wuppertal
24. Januar 2022


Martha Argerich
Gidon Kremer
Mischa Maisky
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Klavierfestival Ruhr

Politik und die Lust am Musizieren

Von Stefan Schmöe / Fotos: Peter Wieler

Solo-Recitals gibt Martha Argerich schon seit 40 Jahren nicht mehr, und trotzdem ist dieses Konzert ist bereits ihr 29. beim Klavier-Festival Ruhr, im Klavier-Duo oder als Kammermusik-Partnerin mit anderen Instrumenten. Mit Gidon Kremer (Violine), dem dieses Konzert anlässlich seines im Februar bevorstehenden 75. Geburtstag gewidmet ist, und Mischa Maisky (Cello) stehen zwei weitere Ausnahmemusiker an ihrer Seite. Die drei kennen sich gut; Argerich hat einmal erzählt, wie Kremer ihr, bevor sie gemeinsam musizierten, bei einem Konzert mit Maisky die Noten umblätterte. Drei Künstlerpersönlichkeiten, deren Lebenslinien sich oft berührt haben, muss man an dieser Stelle pflichtschuldigst konstatieren, denn "Lebenslinien" wird das Motto des Klavier-Festivals 2022 sein, das offiziell erst im April beginnen wird. Dann wird sich zeigen, ob aus diesem an sich reichlich unverbindlichen Motto ein "roter Faden" durch das Festivalprogramm erwächst.

Da spielen also drei starke Persönlichkeiten, die ausgezeichnet miteinander harmonieren, die sich und ihren individuellen Stil aber keineswegs unterordnen. Deutlicher noch als in Schostakowitschs zweitem Klaviertrio wurde das in der Zugabe, einer instrumentalen Fassung von Schuberts Lied Du bist die Ruh`, bei der die Melodie zunächst im strophischen Wechsel von Cello (in hoher Lage) und Violine, dann gemeinsam gespielt wurde. Kremer spielt mit glasklarem, fast sachlichen Ton, wenig Vibrato, ungemein konzentriert; Maisky mit deutlich größerer Geste, wärmer und vibratoreicher, auch "romantischer". Und Argerich versteht sich keineswegs als Begleiterin, sondern setzt ganz eigene Akzente, nicht in den Vordergrund drängend, aber doch sehr bestimmt. So wurde das Lied bei aller Schlichtheit - auf große Zäsuren verzichtet das Trio - zum Kunstwerk en miniature, nicht ganz ohne einen leichten Hang zur Salonmusik, was bei Liedern ohne Worte zugegebenermaßen schnell der Fall ist.

Foto

Foto: Peter Wieler / Klavier-Festival Ruhr

Diese Gefahr besteht bei Schostakowitschs 1943/44 komponiertem Trio Nr. 2 e-Moll op. 67 nicht. Gewidmet ist es dem während der Komposition verstorbenen Musikkritiker Iwan Sollertinski, mit dem der Komponist eng befreundet war, und sicher haben die Kriegsereignisse sich darin niedergeschlagen. Ob sich das Werk tatsächlich "ganz in die Tradition des schmerzlich-wehmütigen russischen Klaviertrios stellt", wie der Einführungstext im Programmheft behauptet, darf man getrost hinterfragen, den es gibt eben auch viel der für Schostakowitsch typischen Bitterkeit, einen aggressiven Unterton als Gegenpol zur Wehmut, scharfen Witz im dahinstürmenden Allegro con brio. Bei Argerich, Kremer und Maisky steht die innermusikalische Botschaft über einer möglichen politischen, soweit sich das trennen lässt: Die Schärfen werden nicht kaschiert, aber auch nicht herausgestellt. Das Finale verklingt nicht im Weltuntergang (was ja in der Komposition durchaus angedeutet ist), sondern behält bei aller Doppelbödigkeit Witz und Charme. Und alle drei behalten auch hier ihre Individualität, sodass, überspitzt formuliert, Kremer eine eher sachliche, Maisky eine stärker emotionale Ausrichtung vertritt, Argerich derweil sehr nuanciert dem Klavierpart vielfältigste Klangfarben abgewinnt. Den Preis für das homogenste Klaviertrio gewinnt man damit nicht, aber es macht viel Spaß, diesem sich wechselseitig befeuernden Spiel zuzuhören.

Zuvor gab es kleinere Besetzungen: Zunächst Beethovens zweite Sonate für Klavier und Violoncello. Maisky und Argerich nehmen den langsamen Teil des ersten Satzes nicht zu düster-dramatisch, sondern mit schöner, romantisch geprägter Melancholie, der furiose Schlusssatz wird im hohen Tempo zum musikalischen Feuerwerk. Dann die zweite Violinsonate von Mieczyslaw Weinberg (1919 - 1996) aus dem Jahr 1953. Kremers auch hier höchst konzentriertes, gleichsam nüchternes wie intensives und darin analytisches Spiel findet ganz ausgezeichnet den Tonfall dieser sehr persönlich klingenden und durch die Interpretation doch ins Allgemeine geöffneten Musik.

Mit zwei kurzen Werken ist Kremer auch solistisch zu hören: Nur knapp vier Minuten dauert die Serenade von Valentin Silvestrow (*1937), von Kremer flüssig liedhaft und unprätentiös interpretiert, wobei die hübsche, fast naive Melodie über einzelnen isolierten Akkorden liegt, was entfernt an die langsamen Sätze der Bach-Partiten erinnert - dieser Assoziationsraum ist von Kremer sicher mitgedacht. Auch Requiem für Violine solo des georgischen Komponisten Igor Loboda (*1956) ist über einer volksliedhaften Melodie aufgebaut, variiert diese dann aber komplexer. Wegen der Widmung "for the endless sufferings uf Ukraine" besitzt das ebenfalls nur wenige Minuten kurze Werk (das die Geigerin Lisa Batiashvili seinerzeit in Auftrag gegeben hatte) eine durchaus brisante (tages-)politische Aussage. Kremer beeindruckt auch hier mit seinem klar fokussierten Spiel. Ein würdiges Geburtstagskonzert.




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Klavier-Festival Ruhr 2022

Historische Stadthalle, Wuppertal
24. Januar 2022


Ausführende

Martha Argerich, Klavier
Gidon Kremer, Violine
Mischa Maisky, Violoncello


Programm

Ludwig van Beethoven
Sonate für Violoncello und Klavier
Nr.2 g-Moll op. 5/2

Mieczyslaw Weinberg
Sonate für Violine und Klavier Nr.5 op.53

Valentin Silvestrov
Serenade für Violine solo

Igor Loboda
Requiem für Violine solo
Dedicated to the endless sufferings of Ukraine

Dmitri Schostakowitsch
Klaviertrio Nr. 2 e-Moll op.67



Zugaben:

Franz Schubert
Du bist die Ruh' D776
Fassung für Violine, Violoncello und Klavier

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