Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Osterfestspiele Salzburg 2022

Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 45' (zwei Pausen)


Premiere am 9. April 2022 im Großen Festspielhaus

Homepage

Osterfestspiele Salzburg
(Homepage)

Tatort Schleuse

Von Roberto Becker / Fotos: Ruth Walz

Lohengrin gehört zu den Einstiegsdrogen in Sachen Wagner. Von den Streicherklängen des Vorspiels über Elsas Traumvision vom nahenden Ritter, der - so ihre Aussage - mit einem "golden Horn zur Hüften, gelehnet auf sein Schwert" aus den Lüften zu ihr trat, bis hin zur Gralserzählung eben jenes Ritters bei seinem unfreiwilligen Abschied. Alles grundiert von königlichem Kriegsgetöse und intrigantem Furor des finsteren Paares im Stück. Heikel wird es immer, wenn der König mit dem deutschen Schwert rasselt, um den Feind im Osten das Fürchten zu lehren. Da packt die Regie gewöhnlich der Ehrgeiz in Sachen politischer Korrektheit. Und selbst wenn diese Passagen einfach so als Tableau durchgehen, dann kann man sie als Statement hören. Inklusive der Wahrnehmungsveränderung seit dem realen Überfall auf die Ukraine aus dem Osten.

Aber für den gelegentlichen Lohengrin-Konsumenten stellen sich mit der Zeit auch offene Fragen ein. Nicht nur danach, wie es denn "wirklich" war, also ob der historische Heinrich nicht vielleicht einfach seinen Job machte zum Beispiel. Aber auch, was die erfundene Geschichte selbst betrifft. Da ist etwas die Traumvision, in der ein charismatischer Mann einer jungen Frau "mit züchtigem Gebaren" Tröstung eingibt? Hätte sie was anderes sagen können, wenn da mehr gewesen wäre?


Vergrößerung in neuem Fenster Gotteskampf mit Herzinfarkt

Und dann dieser Wunderritter! Kommt einfach und verlangt bedingungslose Gefolgschaft und die Braut und das Land dazu. Das kann von Wagner noch so betörend ins Notenbild gesetzt sein - aber wäre da nicht eine - sozusagen faktenbasierte - Grundskepsis gegen diesen Typ angebracht? Aber nein, die Massen brüllen gleich "Heil". Heute würden sie ihn mit Likes überhäufen. Und das Ehepaar Telramund? Erst "aller Tugend Preis", und dann heißt es im Handumdrehen "Ins Nichts mit ihm"? Das ist zumindest ein spektakulärer Sieg der Gegenpropaganda über den grundsoliden Telramund und die Frau mit Migrationshintergrund an seiner Seite.

Vergrößerung in neuem Fenster

Zweiter Akt: Ortrud wickelt Elsa ein, Friedrich lauscht

Im Vorspiel bei offenem Vorhang wird an der martialischen Schleusenanlage klar, dass Ortrud offenbar tatsächlich beobachtet, was sie ihrem Mann Friedrich berichtet und eben nicht lügt: Hier sehen wir Elsa in ihren Hosen, wie sie am Ufer steht und sich vor Schreck oder vor Entsetzen über sich selbst windet. Bemüht, von Ortrud nicht bemerkt zu werden, schleicht sie zu einer Tür in der martialischen Uferanlage, um sich dort ein Kleid für die Rolle überzuziehen, die sie fortan sich selbst und allen anderen gezielt vorspielt.

In dieser Logik ist Elsas überdreht selbstbewusstes, jeder Konvention (speziell auch der Zeit um den ersten Weltkrieg, die die Kostüme im wesentlichen behaupten) hohnsprechendes Verhalten. Eine Art übersteigerte Verdrängung, die sogar dazu führt, die Massen mit ihrer Erzählung vom Traumritter zu verführen und den dann erscheinen zu lassen. Der Mann, der hier, nicht von einem Schwan, sondern einem veritablen Erdbeben begleitet, auftaucht kommt dann aber eher aus Spamelot und kaum vom Gral. Mit einem Wort: ab da funktioniert die Geschichte auf der Bühne in ihrem Bemühen, den Lohengrin auf links zu drehen, nicht mehr. Der König im Habitus eines Hindenburg (mit der wahrhaft königlichen Stimmpracht von Hans-Peter König) und sein eifriger, vor allem den Einsatz der stets sichtbar platzierten königlichen Fanfaren sichernder Heerrufer (Markus Brück) sind in sich stimmig. Bei dem cholerisch überdrehten Telramund (Martin Gantner verausgabt sich vokal bin an seine Grenzen) ist der plötzliche (vermutliche) Herzinfarkt beim Duell mit Lohengrin noch plausibel; sein Aufkreuzen mit einer Maschinenpistole vor dem Münster eher ein Amoklauf als der Versuch, mit einem Eklat die Dinge wieder gerade zu rücken. In der Logik der Geschichte wäre für ihn hier bereits Schluss. Nun könnte man sagen, dass man seine verzweifelte Wut auch sehen soll. Aber so übersteigert das die Musik nur ins Unsinnige und fördert nichts Erhellendes zutage.


Vergrößerung in neuem Fenster Zweiter Akt: Ortrud und Friedrich

Es ist überhaupt erstaunlich, wieviel hier bei einem so erfahrenen Inszenierungsteam an szenischer Behauptung nicht funktioniert. Auch wenn man die Skepsis teilt, was die überkommene Bewertung von Gut und Böse beim Lohengrinpersonal betrifft, so wie das in Salzburg durchbuchstabiert wird, geht es (selbst nach gutwilliger Programmheftlektüre) auf der Bühne nicht auf. Da nützt es auch nicht mehr viel, wenn der ermordete Gottfried (Luca Griessler) am Ende als kleiner Lohengrin-ähnlicher Zombie wieder auftaucht und sich selbst zum Führer von Brabant erklärt und das Ganze so im Nachhinein möglicherweise zu Elsas Traum erklärt werden soll.

Vergrößerung in neuem Fenster

Dritter Akt: Elsa und Lohengrin im Brautgemach

Dass der stets von der christlichen Propaganda ins heidnische Abseits verwiesenen Ortrud hier einigermaßen Gerechtigkeit widerfährt, ist dabei ein schwacher Trost. Wird aber auch dadurch untermauert, dass Elena Pankratova ihre Ortrud, neben Hans-Peter König als ebendieser, unstrittig mit vokalem Festspielniveau ausstattet. Bei Jacquelyn Wagner verbietet sich so ein Wortspielkalauer mit dem Namen. Sie hat eine schöne, schlanke Stimme. In Verbindung mit ihrer jugendlichen Erscheinung und überbordenden Spielfreude wäre sie an einem deutlich kleineren Haus vielleicht auch die Elsa, die man nicht nur sehen, sondern auch hören möchte, im Großen Festspielhaus ist sie es nicht. Das Festspielpublikum im vollbesetzten Haus war allerdings so fair, ihr das nicht anzulasten. Beim respektablen Lohengrin von Eric Cutler muss man wohl vor allem bewundern, dass er die zelebrierenden Ausbremsversuche von Christian Thielemann durchgestanden hat. Sieht man mal davon ab, so machte Thielemann seinem Ruf als Wagnerianer mit feinem Gespür und viel praktischem Geschickt für die Akustik des Großen Festspielhauses alle Ehre. Er war - trotz der kleinen Einwände - der unumstrittene Star des Abends. Das Regieteam war wohl auf die Buhs gefasst, die für die Einstudierung von Sächsischem Staatsopernchor, Bachchor Salzburg und des Chores des Salzburger Landestheaters verantwortlichen Damen und Herren für die aus einer Ecke des Saales kommenden (kaum nachvollziehbaren) Buhs hingegen nicht.


FAZIT

Thielemann bot als Abschied von den Osterfestspielen einen Wagner vom Feinsten, die Protagonisten überwiegend auch. Die Inszenierung war im Beharren auf der einen Idee konsequent. Im Scheitern daher auch. Man darf gespannt sein, wie das beim Wiener Publikum ankommen wird.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Thielemann

Inszenierung und Ausstattung
Jossi Wieler
Anna Viebrock
Sergio Morabito

Co-Bühnenbild
Torsten Gerhard Köpf

Licht
Sebastian Alphons

Chöre
Pablo Assante

Dramaturgie
Sophie Becker



Sächsischer Staatsopernchor Dresden
Einstudierung: André Kellinghaus

Bachchor Salzburg
Einstudierung: Christiane Büttig

Chor des Salzburger Landestheaters
Einstudierung:
Ines Kaun, Carl Philipp Fromherz

Staatskapelle Dresden


Solisten

Heinrich der Vogler, deutscher König
Hans-Peter König

Lohengrin
Eric Cutler

Elsa von Brabant
Jacquelyn Wagner

Friedrich von Telramund
Martin Gantner

Ortrud
Elena Pankratova

Der Heerrufer des Königs
Markus Brück

Vier brabantische Edle
Alexander Hüttner
Thomas Atkins
Simon Schnorr
Roland Faust

Vier Edelknaben
Jana Hohlfeld
Maria König
Leonie Nowak
Kristina Fuchs


Zur Homepage der
Osterfestspiele Salzburg




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2022 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -