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Musikfestspiele
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Festspielhaus Baden-Baden - Osterfestspiele 2023

Il Trionfo del Tempo e del Disinganno

Oratorium in zwei Teilen
Text von Benedetto Pamphilj
Musik von Georg Friedrich Händel


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführung am 8. April 2023 im Festspielhaus Baden-Baden

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Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Wahres Vergnügen durch himmlische Musik

Von Christoph Wurzel / Fotos von Monika Rittershaus

"Lascia la spina, cogli la rosa" singt Piacere (das Vergnügen), eine der vier allegorischen Figuren in Händels Oratorium, und möchte Bellezza (die Schönheit) überreden, sich zu immerwährendem Lustgewinn zu bekennen: "Lasse die Dornen, sammle die Rose!" Und dazu öffnete Julia Lezhneva gleich einen ganzen Rosengarten mit ihrem betörenden Gesang. Trotzdem wendet sich am Ende Bellezza vom bloßen Vergnügen ab. Wahre Schönheit sei nur in der Ergebung an die "ewige Weisheit des Himmels" zu erlangen, singt sie und die Musik umschmeichelt diese engelsgleiche Schlussarie von Elsa Benoit mit Daishin Kashimotos, des Berliner Konzertmeisters in himmlische Sphären entschwebenden Geigentönen. Anders als der Titel dieses Oratoriums vermuten lässt, endet die Musik nicht triumphal, sondern verklingt in einem Adagio, leise und entrückt. Am Anfang des Oratoriums noch erschien die Schönheit vordergründig keck und eitel ins eigene Spiegelbild verliebt, am Schluss haben Zeit (Tempo) und Ernüchterung (Disinganno) sie zur Einsicht gebracht, dass wahre Schönheit weit mehr als nur oberflächlichen Glanz bedeutet. Und die Musik beglaubigt dies mit fast überirdischer Schönheit. Am Karsamstag war Händels  Il Trionfo del Tempo e del Disinganno mit dem Libretto des Kardinals Pamphilj im Rahmen der Osterfestspiele daher gar nicht so schlecht platziert.

Inmitten eines breiten Panoramas der Musik um 1900 (in Orchester- und Kammerkonzerten) präsentierten die Berliner Philharmoniker dieses Meisterstück des 22jährigen Händel aus seinen musikalischen Lehrjahren in Rom in einer rundum begeisternden Aufführung. Wie selbstverständlich dieses Spitzenorchester für das klassisch-romantische Repertoire (das ja auch weit hinein in die Moderne reicht) sich auch in der Barockmusik bestens zuhause fühlt, war an diesem Abend zu erleben, vor allem wenn es von einer so versierten Spezialistin wie Emmanuelle Haïm dirigiert wird. In einer der historisch informierten Praxis angepassten kleinen Besetzung und ergänzt durch eine Continuogruppe, die Haïm aus ihrem eigenen Orchester Le Concert d’Astrée mitgebracht hatte, gelang eine wirklich überwältigende Aufführung.

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Elsa Benoit, Julia Lezhneva, Emmanuelle Haïm, Carlo Vistoli und Anicio Zorzi Giustiniani mit den Berliner Philharmonikern

Quasi auf der Stuhlkante wurde musiziert. Emmanuelle Haïm forderte mit entschiedenen Gesten die Musikerinnen und Musiker mit rasanten Tempi zu virtuosen Höchstleitungen heraus. Dabei blieb der Ton stets klar und schlank. Bei der Arienbegleitung strahlten die Klangfarben der Soloinstrumente um die Wette. Blockflöten malten behutsame Ruhe, Cello und Theorbe unterstrichen Abgeklärtheit und immer wieder trat die Orgel hervor, die auch in der Sonata ihren glanzvollen Soloauftritt hatte. Die barocke Klangrede war perfekt. Schier unerschöpflicher Reichtum der Händelschen Klangerfindungen kam zu voller Blüte.

Klug spannte Emmanuelle Haïm auch den dramaturgischen Bogen des Stücks um den rechten Weg, bei dem Piacere im Interesse des von ihr propagierten unbefangenen Vergnügens einerseits und Tempo und Disinganno von der Seite der Argumentation die Schönheit quasi in die Zange nehmen - einen Bogen von anfänglich heftigem Disput bis hin zur abgeklärten Einsicht. Julia Lezhneva war dabei die am meisten herausgefordere Stimme, zumal Händel dieser Partie die wildesten Tempi und extremste Stimmakrobatik einkomponiert hat  - beides für diese grandiose Sängerin überhaupt kein Problem. Der Tenor Anicio Zorzi Giustiniani (Tempo) steigerte in seiner Arie mit Emphase und starker Eindringlichkeit die morbiden Bilder der Vergänglichkeit ("Ihr Gräber, öffnet euch!") fast bis zur Groteske. Beruhigend und mit eher sanftem Nachdruck mahnte Carlo Vistoli als Disinganno immer wieder Nachdenken und Achtsamkeit an. Als vokale Repräsentation der Schönheit war Elsa Benoit mit hellem Timbre und kristallklarem Ton Idealbestzung.


FAZIT

Viele werden heute mit der religösen Botschaft des Textes nur wenig anfangen können, aber die Schönheit der Musik des jungen Händel darf man besonders in dieser Interpretation getrost himmlisch nennen.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Emmanuelle Haïm



Berliner Philharmoniker

Laute
Laura Monica Pustilnik

Blockflöte
Sebastien Marq
Meillane Willmotte

Cembalo
Benoît Hartoin

Orgel
Philippe Grisvard


Solisten

Bellezza
Elsa Benoit

Piacere
Julia Lezhneva

Disinganno
Carlo Vistoli

Tempo
Anicio Zorzi Giustiniani


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