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Selbstbild des Komponisten als junger HeldVon Stefan Schmöe / Fotos von Monika Rittershaus
"Unglücklich das Land, das keine Helden hat", heißt es in Bertold Brechts Leben des Galilei. Aber der angesprochene Galilei entgegnet bekanntlich: "Unglücklich das Land, das Helden nötig hat." Mit dem Heldentum ist es inzwischen so eine Sache, was man spätestens seit der Diskussion um so manchen Straßennamen weiß, der an vermeintlich herausragende, im Gesamtbild dann doch nicht immer ganz so integre Gestalten der Geschichte erinnern. Als Richard Strauss 1898 die symphonische Dichtung Ein Heldenleben komponierte, mag er darin das Selbstverständnis des Wilhelminischen Kaiserreichs getroffen haben, zumal man sich im hier skizzierten Helden einen Künstler (und noch mehr: den gerade einmal 34-jährigen Komponisten Strauss höchstpersönlich) vorstellen darf. Bleibt die Frage: Was bedeutet uns das mehr selbstverliebte als selbstironische Werk heute noch? Die vielleicht schlüssigste, dennoch nicht voll befriedigende Antwort lautet wohl: Dieses Heldenleben setzt einen inhaltlich passenden Schlusspunkt für die Osterfestspiele Baden-Baden 2023, die niemand anderen als Richard Strauss in den Mittelpunkt gestellt haben.
Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker nehmen das Stück mit federnder Energie, nicht zu wuchtig, dafür fast durchweg stürmend und drängend. Dabei tritt der "Held" mit seinem ausladenden Thema elegant eingedunkelt auf, des Helden Widersacher meckern in den Bläsern herrlich dadaistisch respektlos, Konzertmeisterin Vineta Sareika-Völkner spielt das kapriziöse Violinsolo, das für des Helden Gefährtin steht, mit charmantem Understatement, und Solo-Hornist Stefan Dohr antwortet ihr mit betörender Sanftheit. Die Lebenskämpfe werden in tollem, hell strahlendem Gemetzel ausgetragen, und in des Helden Weltflucht findet Petrenko beeindruckende Ruhepunkte. Dabei denkt der Dirigent in großen Zusammenhängen, hat den langen Atem für schier endlose Phrasen, über die er den Spannungsbogen halten kann. Wie schon in der Frau ohne Schatten könnte der Orchesterklang im Tutti transparenter sein. Aber natürlich macht es in jedem Takt Spaß, diesem Weltklasseorchester zuzuhören. Warum es aber ausgerechnet das Heldenleben sein muss, darauf haben auch die "Berliner" keine wirklich überzeugende Antwort.
Bei den Vier letzten Liedern im ziemlich kurzen ersten Teil des Konzerts, Strauss' altersmildem Weltabschiedswerk und Abgesang auf eine untergegangene Epoche, stellt sich diese Frage sicher nicht. An Pathos ist Petrenko nicht gelegen, der Orchesterklang ist groß, aber nicht schwer, die Tempi sind eher straff und bei Im Abendrot, wie üblich als letztes gespielt, sogar ziemlich flott. Die Lerchen zwitschern in den Flöten erlesen wie ein Zeichen aus einer anderen Welt, aber insgesamt bleibt der Charakter vergleichsweise sachlich. Dem in der Höhe beeindruckend strahlenden, eher leichten und angenehm undramatischen Sopran von Diana Damrau fehlt es in der mittleren und tiefen Lage an Fülle, und bei manchen Vokalfärbungen wird die Stimme flach, was trotz sorgfältiger Textgestaltung zu einer gewissen Kurzatmigkeit führt. Sicher gelingen der Sängerin betörende Passagen (von großen körperlichen Gesten begleitet), gerade mit der Wendigkeit ihrer Stimme, aber es fehlt das frei strömende, quasi instrumentale Moment, um den großen Bogen zu schlagen. Keine schlechte Interpretation, aber echte künstlerische Heldentaten erlebt man an diesem Ostermontagsnachmittag auch nicht. Zur Übersicht Osterfestspiele 2023Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
AusführendeDiana Damrau, SopranBerliner Philharmoniker Dirigent: Kirill Petrenko WerkeRichard Strauss:Vier letzte Lieder Ein Heldenleben Symphonische Dichtung op. 40 Zur Übersicht Osterfestspiele 2023
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