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Metaphysik der Liebe und OpernkrimiVon Ursula Decker-Bönniger, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
1843 wurde das erste Musikdrama Richard Wagners Der fliegende Holländer in Dresden uraufgeführt; 1865 Tristan und Isolde in München. 22 Jahre hörbare Entwicklung der dramatischen Form, eines Musik- und Seelendramas mit nicht enden wollenden harmonischen Fortschreitungen, mit immer ausgefeilteren, ineinander verwobenen Klangfarb- und Leitmotivkompositionen.
Tristan und Isolde, erster Aufzug
Die Tristan-Inszenierung der diesjährigen Bayreuther Festspiele stammt aus dem Pandemie-Jahr 2022. Roland Schwab (Inszenierung), Piero Vinciguerra (Bühne), Gabriele Rupprecht (Kostüme) und Nicol Hungsberg (Licht) rücken nicht die Erlösung, die sinnlich wahrnehmbare Handlung, sondern die Suche und Weltenflucht in den Vordergrund und scheuen nicht, das Publikum merkwürdig leer zurückzulassen. Piero Vinciguerra hat die Akt-Schauplätze in einen riesigen ausgeklappten Taschenspiegel aus zwei Bild- und Spielebenen verwandelt. Glichen Licht-, Natur- und Farbgebung zunächst noch - in Anlehnung an die Überfahrt auf See von Irland nach Kornwall - einem realen wolkenbewegten blauen Himmel mit schillernder Wasseroberfläche am Pool, so gehen die Bilder später abstraktere, das Leid kennzeichnende, symbolträchtige Verbindungen aus Licht, Farbe, Bewegung und Naturerscheinung ein. Schwabs Augenmerk gilt nicht der Libretto-Handlung von Richard Wagners Tristan und Isolde. Seine Erzählung sucht eher die besondere ent-individualisierte Verbundenheit von Philemon und Baucis aufzuspüren.
Noch im ersten Akt - endlich haben es die Protagonisten geschafft, sich auszusprechen - beginnt sich das Poolwasser rot zu färben. Später, nach dem Sühnetrank und nachdem die Beiden statt des erwarteten Todes von Liebesbegehren überwältigt werden, verwandelt sich die Wasseroberfläche in einen bedrohlichen Strudel. Immer schneller wirbelt die Bewegung. Beide würden in der schwarzen Mitte nach unten gezogen - wenn sie sich nicht an den Händen festhalten würden. Ein anrührendes, an die Metaphysik der Liebe erinnerndes Bild. Im zweiten Akt, während beide den Tag verwünschen und die Nacht preisen, senken sich aus dem funkelnden Sternenhimmel unmerklich Lichtschwerter auf Tristan, während Isolde von hellen Scheinwerfern verfolgt und geblendet wird. In weiße Gewänder gekleidet, gleichsam entrückt, stirbt Tristan schließlich im dritten Akt, besingt Isolde ihren Liebestod.
Tristan und Isolde, dritter Aufzug
Musikalisch hätte ich mir an dem besuchten Abend mehr Leidenschaft, Pathos, romantischen Überschwang gewünscht. Markus Poschner scheint, wie verinnerlicht, die Affektsprache der Musik nachzuzeichnen, ähnlich den immer neuen unauflösbaren, harmonischen Spannungen, ähnlich der Unstillbarkeit des Liebesbegehrens. Die Tempi wirken langsam, machmal geradezu gedehnt. Agogische, den Ausdruck unterstreichende Schwankungen bleiben außen vor. Hin und wieder hebt das Orchester zu einer lauteren Exclamatio an, erstirbt jedoch in Pausen, die diese Geste ins Leere laufen lässt.
Clay Hilley ist ein wohlklingender, mitunter leicht metallisch schillernder Tristan, Georg Zeppenfeld ein tiefgründiger, wunderbar textverständlich singender Marke. Catherine Foster stellt vor allem im ersten Akt eine klangvoll dramatische Isolde dar, Christa Mayer überzeugt mit ähnlich gestaltetem Timbre und tiefgründiger, klangschöner Dramatik als Brangäne. Markus Eiche ist ein differenziert gestaltender, mit baritonaler Tragfähigkeit ausgestatteter Kurwenal.
Ganz anders die musikalische Darbietung und das fantastische Solist:innenensemble im Fliegenden Holländer. Zwei Stunden und zwanzig Minuten ohne Pause. Oksana Lyniv zaubert mit Festspielchor und -orchester eine ausdrucksstarke, rhythmisch-dynamisch geschärfte, faszinierende musikalische Plastizität und Landschaft auf die Bühne, die die besondere Akustik des Festspielhauses hautnah erfahrbar werden lässt.
Michael Volle als fliegender Holländer, Georg Zeppenfeld als Daland, Elisabeth Teige als Senta, Tomislav Muzek als Erik, Nadine Weissmann als Mary, Attilo Glaser als Steuermann begeistern jede und jeder in ihrer bzw. seiner Rolle und geben ihr zugleich eine besondere individuelle Prägung. Solch lebensnahes Musiktheater ist ein nur selten zu erfahrender Genuss und wurde am Ende mit anhaltendem, wellenartig ansteigendem Hand- und Fußapplaus belohnt.
Der fliegende Holländer, zweiter Aufzug
Dmitry Tcherniakovs (Inszenierung und Bühne) Schauermärchen entspringt im wirklichen Leben. Passgenau auf die Stationen der Ouvertüre - Holländer-Motiv, Spinnerlied etc. - abgestimmt, muss der Holländer als kleiner Junge miterleben, wie seine in Daland verliebte Mutter zunächst von ihrem Liebhaber verstoßen und von der Dorfgemeinschaft so verletzt, gedemütigt und ausgegrenzt wird, dass sie sich schließlich das Leben nimmt. Genial, wie man beginnt, die gewaltig aufbrausenden und langsam verklingenden Naturgewalten mit den traumatischen Erinnerungen des Jungen zu assoziieren. Dass die Rückkehr des Holländers in sein Heimatdorf bedrohlich werden könnte, ist von Anfang an klar.
Tcherniakov lässt das Publikum auf ein kubistisch anmutendes, in warme Farben und warmes Licht getauchtes Dorf mit Kirche, perspektivisch ausgerichteten Straßenlaternen und -fluchten blicken. Schritt für Schritt und passgenau auf die Musik Richard Wagners abgestimmt taucht man genauer, tiefer in das Leben vor Ort, den Opernkrimi ein. Daland und der Holländer begegnen sich im ersten Akt beim Feierabendbierchen in der Dorfkneipe. Die Spinnstube ist eine von Mary geleitete Chorprobe, bei der Senta als aufmüpfige Jugendliche rebelliert. Bei einem festlich eingedeckten Essen versuchen Daland und seine Lebensgefährtin Mary, Senta und den Holländer einander näherzubringen. Auf dem abschließenden Dorffest kommt es schließlich zur gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Dalands Leuten und denen des Holländers. Daland wird getötet. Und während das Dorf in Flammen steht und Senta dem davon eilenden Holländer folgen will, tötet Mary den Holländer. Senta bleibt am Leben. Beide Frauen umarmen sich. Wie genial Tcherniakov Regietheater und Personencharakterisierung vom Feinsten vor Augen führt, mit welcher Gesangs- und Spielfreude hier von allen Beteiligten Musik gemacht wurde, lässt sich kaum in Worte fassen. Man muss es erleben.
Wagners Musiktheater und Gesamtkunstwerk stellt besonders präzise, Musik, Wort und Bild vernetzende Anforderungen an das Regietheater, wie es Dmitry Tcherniakov in Der fliegende Holländer erfahrbar werden lässt.
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Tristan und IsoldeProduktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Video
Chor
Dramaturgie Solisten
Tristan
Marke
Isolde
Kurwenal
Melot
Brangäne
Ein Hirt
Ein Steuermann
Ein junger Seemann
Der fliegende HolländerProduktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Bühne
Kostüme
Licht
Chor Solisten
Daland
Senta
Erik
Mary
Der Steuermann
Der Holländer
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