Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
Händel-Festspiele 2023 in Halle (Saale)26.05.2023 - 11.06.2023 Alessandro Severo
Oper in drei Akten (HWV A13) Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause) Premiere im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 27. Mai 2023(rezensierte Aufführung: 29.05.2023) |
|
Barocke Intrigen am Kaiserhof Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Ziegler Georg Friedrich Händels Opern-Pasticci ist seit der "Händel-Renaissance" weitaus weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden als seinen übrigen Werken. Das lag vor allem darin begründet, dass sie nicht als "echte" Werke anerkannt wurden, weil sie eben nur aus anderen Opern, teilweise auch von anderen Komponisten, zusammengesetzt waren. Alessandro Severo gehört immerhin zu den drei von insgesamt 14 Opern-Pasticci, in denen Händel nur eigene Musik verwendet. Dass das Werk selbst bei den Händel-Festspielen ein Schattendasein fristet, mag darauf zurückzuführen sein, dass es auch bei der Uraufführung am 25. Februar 1738 kein Kassenerfolg war und nur insgesamt sechs Aufführungen vor relativ wenig Publikum erlebte. Erst 1997 stand es in London wieder auf dem Spielplan. Für die Musik griff Händel vor allem auf die drei Opern Giustino, Arminio und Berenice zurück, die in der vorangegangenen Spielzeit ihre Premiere erlebt hatten. Schwacher Kaiser zwischen starken Frauen: Alessandro (Raffaele Pe) mit seiner Gattin Salustia (Hana Blažíková, links) und seiner Mutter Giulia (Sylva Čmugrová, rechts) Das Libretto, dessen Verfasser unbekannt ist, orientiert sich an dem gleichnamigen Text von Apostolo Zeno, der ihn für eine Vertonung von Antonio Lotti 20 Jahre zuvor in Venedig verfasst hatte, und handelt von dem römischen Kaiser Marcus Aurelius Severus Alexander, der von 222 n. Chr. bis zu seinem Tod 235 unter dem dominanten Einfluss seiner Mutter Julia Mamaea (in der Oper: Giulia) herrschte. Mit der eh schon literarisch ausgeschmückten Quelle des zeitgenössischen Geschichtsschreibers Herodian geht die Oper noch freier um und erweitert die Geschichte um zusätzliche Intrigen. Giulia sieht in Alessandros Ehefrau Salustia eine Rivalin um die Macht und beschuldigt sie ihrem Sohn gegenüber der Untreue. Alessandro ist zwar eigentlich von Salustias Unschuld überzeugt, kann es aber trotzdem nicht verhindern, dass sie zu einer Dienerin degradiert wird. Salustias Vater Marziano hingegen plant daraufhin gemeinsam mit seinem Freund Claudio eine Verschwörung gegen das Kaiserhaus. Dabei werden sie aber von Albina, die von Claudio einst verlassen worden war und ihm nun als Mann verkleidet gefolgt ist, belauscht. Albina verrät ihrer Freundin Salustia von dem geplanten Gift-Anschlag auf die Mutter des Kaisers. Salustia vereitelt das Attentat, ist aber nicht bereit, ihrem Gatten und seiner Mutter die Anstifter zu nennen, so dass sie schließlich in die Verbannung geschickt werden soll. Nachdem Claudio sich mit Albina versöhnt hat, planen sie gemeinsam mit Marziano, Salustia vor der Verbannung zu bewahren und Giulia erneut zu ermorden. Doch nun stellt sich Salustia schützend vor ihre Schwiegermutter und rettet ihr ein zweites Mal das Leben. Giulia bereut daraufhin die gegen ihre Schwiegertochter gesponnene Intrige und ist bereit, den Kaiserthron ihrem Sohn und seiner Gattin zu überlassen. Intrigen in barocker Optik: von links: Salustia (Hana Blažíková), Marziano (Jaromír Nosek), Alessandro (Raffaele Pe) und Giulia (Sylva Čmugrová) Das Regie-Team um Monika Hliněnská versucht gar nicht erst, der Geschichte einen aktuellen Bezug zu geben, und siedelt die Handlung optisch in der Entstehungszeit der Oper an. Linda Holubová hat einen barocken Bühnenraum geschaffen, der unter anderem auch mit Kerzenbeleuchtung spielt. Die Kostüme von Monika Kuželová sind recht opulent gehalten und werden von den Sängerinnen und Sängern während der Ouvertüre von einer Kleiderstange genommen und angezogen. Über Claudios blonde Langhaarperücke lässt sich sicherlich streiten, da er mit der Frisur eher an Camilla Parker-Bowles als an einen römischen Kavalier erinnert. Da hilft auch der aufgeklebte Schnurbart nicht viel. Alessandro wirkt in seinem hellblauen Spitzenrock recht effeminiert, was wohl seinen verweichlichten Charakter unterstreichen soll, der sich nicht gegen die dominante Mutter durchsetzen kann. Diese stellt in ihrem dunkelroten opulenten Gewand mit einer Feder auf dem Kopf die eigentliche Autorität im Stück dar. Salustia bleibt mit ihrem braunen Kleid dagegen relativ blass, bis sie am Ende von ihrer Schwiegermutter den roten Umhang und damit ja auch die Macht übertragen bekommt. Um zu betonen, dass in dieser Welt alles künstlich ist, werden statt Schwerter Federn verwendet, mit denen sich die Figuren im Kampf duellieren. Das wirkt genauso albern wie die Tatsache, dass Salustia ihre intrigante Schwiegermutter bis zum letzten Moment verteidigt. Schlussapplaus mit stehenden Ovationen: von links: Albina (Tereza Zimková), Salustia (Hana Blažíková), Jana Semerádová, Alessandro (Raffaele Pe), Claudio (Helena Kalambová), Giulia (Sylva Čmugrová) und Marziano (Jaromír Nosek) Mit einer Prise Komik werden auch die Szenenwechsel in die freie Natur umgesetzt. Aus dem Orchestergraben erklingen zahlreiche Naturgeräusche wie zwitschernde Vögel und leise fließende Bächlein, während die Solistinnen und Solisten, die nicht in der jeweiligen Szene sind, auf der recht dunkel gehaltenen Bühne mit grünen Zweigen auftreten und damit einen Wald oder ein Gebüsch simulieren. Für ein wenig Verwirrung sorgt das schon, wenn nämlich Albina, die ja Claudio und Marziano belauscht, ebenfalls mit einem Zweig auftritt, hinter dem sie sich verbirgt. Als weiteres besonderes Bühnenelement ist ein Türrahmen mit kleinen Lampen zu nennen, der einerseits als eine Art Spiegel fungiert, in dem sich zum Beispiel Claudio betrachtet, der von einem großen politischen Aufstieg träumt. Andererseits kann er als Mahnmal betrachtet werden, wenn Alessandro darin seine Mutter sieht, die sein Leben beherrscht. Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Raffaele Pe, der vor kurzem noch als Giulio Cesare in Köln brillierte, stattet die Titelfigur mit halsbrecherischen Koloraturen aus und begeistert mit strahlenden Höhen. Sylva Čmugrová punktet als seine Mutter Giulia mit sattem Mezzosopran und großen dramatischen Ausbrüchen. Auch darstellerisch begeistert sie als intrigante Drahtzieherin auf ganzer Linie. Hana Blažíková verfügt als Salustia über einen klaren und hellen Sopran, der die Opferbereitschaft der jungen Frau unterstreicht, die sich von ihrer Schwiegermutter bis aufs Äußerste demütigen lässt, sie aber dennoch vor ihrem Vater und Claudio schützt. Helena Kalambová stattet den Claudio mit einem beweglichen Sopran aus. Tereza Zimková punktet als Albina mit einem kraftvollen Sopran, der deutlich macht, dass sie für ihre Ziele kämpft und sich von ihrem Geliebten Claudio nicht einfach abspeisen lässt. Jaromír Nosek rundet das Ensemble mit profundem Bass ab, der stellenweise so sehr in die Tiefen hinabsteigt, dass die übrigen Sängerinnen für einen kurzen Moment aus ihren Rollen fallen und Marziano wie ein Weltwunder bestaunen. Die Personenregie von Monika Hliněnská ist an die barocke Aufführungspraxis angelehnt und wird von den Solistinnen und Solisten teilweise mit einem komödiantischen Augenzwinkern umgesetzt. Jana Semerádová leitet das Collegium Marianum mit sicherer Hand und führt das Ensemble mit großer Leidenschaft durch die Partitur. Dabei greift sie in einzelnen Szenen auch selbst zur Flöte. So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen und verdienten Applaus. FAZIT Monika Hliněnská gelingt mit einem spielfreudigen Ensemble eine kurzweilige Umsetzung von Händels selten gespieltem Pasticcio. Als Meisterwerk lässt sich das Stück in seiner ganzen Anlage betrachtet jedoch nicht bezeichnen. Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2023 in Halle
|
ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Ausstattung Kostüme Licht
Collegium Marianum
Solistinnen und Solisten
Alessandro, Kaiser von Rom Salustia, seine Frau
Giulia, Mutter des Kaisers
Claudio, Freund des Marziano Albina, vornehme Römerin Marziano, Salustias Vater
Weitere |
- Fine -