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Mama wird's schon richtenVon Thomas Molke / Fotos: © Graca Darius Bialojan (www.mangual.de) Zum zweiten Mal findet in Kooperation mit dem Festival Alte Musik Knechtsteden auf dem Gelände an der Rennbahn in Neuss die Sommeroper im Globe statt. In der 1991 errichteten maßstabsgetreuen Verkleinerung des Londoner Globe-Theaters, in dem jeden Sommer das Shakespeare Festival mit internationalen und nationalen Theatergruppen den Schwan von Stratford-upon-Avon feiert, gibt es Mitte August erneut Barock-Musik vom Feinsten mit Dorothee Oberlinger und ihrem vor 20 Jahren in Köln gegründeten Ensemble 1700. Während die im letzten Jahr präsentierte Serenata Il giardino d'amore mit Venus und Adonis noch einen direkten Bezug zu Shakespeares epischer Dichtung aufwies, wendet man sich in diesem Jahr einer der berühmtesten mythologischen Figuren der Opernliteratur zu: Orpheus. Zahlreiche Komponisten haben sich mit dem Schicksal des thrakischen Sängers beschäftigt, der seine Geliebte Eurydike aus der Unterwelt zurückholen will und sie erneut verliert, weil er sich auf dem Weg zurück zur Erde nach ihr umdreht. Die Serenata von Giovanni Alberto Ristori zählt dabei zu den heute gänzlich unbekannten Vertonungen und behandelt den Stoff auf eine recht ungewöhnliche Weise. Orfeo (Valer Sabadus) beklagt vor seiner Mutter Calliope (Francesca Lombardi Mazzulli) den Verlust seiner geliebten Gattin Eurydike. Im Mittelpunkt stehen im Libretto von Giovanni Claudio Pasquini Orpheus (Orfeo) und seine Mutter, die Muse Kalliope (Calliope). Zu ihr begibt sich der Sänger nämlich, nachdem er seine Geliebte Eurydike verloren hat. Am Fuß des Parnass kommt es zu einem Streitgespräch zwischen den beiden. Calliope versucht, ihrem Sohn klarzumachen, dass das Unterfangen von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Orfeo ist zunächst anderer Meinung und beklagt die Grausamkeit der Götter, die sein Glück zerstört haben. Als er seine Leier vor Wut zerstören will, gebietet ihm seine Mutter Einhalt. Schließlich habe ihn niemand gezwungen, sich auf dem Weg nach seiner Geliebten umzudrehen. Der erneute Verlust sei folglich seine eigene Schuld. Dem kann Orfeo nicht widersprechen. Er ist bereit, sich wieder seinen musikalischen Fähigkeiten zu widmen. Seine Leier soll nun eine Dame namens Ermelinda Talea rühmen, die einst auf Erden ebenso viel musikalischen Ruhm ernten werde wie Orfeo. In einem bewegenden Duett feiern die beiden die Zukunft. Calliope (Francesca Lombardi Mazzulli) und Orfeo (Valer Sabadus) prophezeien eine würdige Nachfolgerin für die Musik. Mit Ermelinda Talea war die Ehefrau des sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian, Maria Antonia Walpurgis, gemeint. Ristori, der als Cembalist, Organist, Komponist, Vizekapellmeister und Musiklehrer der kurfürstlichen Kinder fast vier Jahrzehnte eine zentrale Stellung im Musikleben des Dresdner Hofes bekleidete, widmete die Serenata im Eröffnungskonzert des Jahres 1749 der 24-jährigen Prinzessin und pries sie darin als würdige Erbin des mythologischen Sängers. Die junge Dame konnte bereits, bevor sie 1747 an den Dresdner Hof kam, auf eine hervorragende musikalische Ausbildung am kurfürstlich-bayerischen Hof zurückblicken und bildete ihre Talente in Dresden weiter aus. 1754 komponierte sie auf ein selbstgedichtetes Libretto ihre erste Oper, der 1763 als zweite Oper Talestri, ein Stück über die Amazonenkönigin, folgte. Bevor in Neuss die Serenata präsentiert wird, erklingt das Allegro aus der Sinfonia dieser Oper, das mit ungeheurer Wucht deutlich macht, welches kompositorische Talent Maria Antonia Walpurgis gegeben war. In einer Videoprojektion sieht man dabei den Namen Ermelinda Talea, der am Ende der Serenata wieder aufgegriffen wird. Dorothee Oberlinger fächert mit dem Ensemble 1700 die spannungsgeladene Musik in diesem relativ kurzen Allegro differenziert auf, so dass man Lust bekommt, von diesem Werk mehr zu hören. Dorothee Oberlinger Es folgen zwei Sätze aus Johann Adolf Hasses Cantata per flauto. Hasse feierte am Dresdner Hof bei Kurprinzen Friedrich Christian ebenfalls große Erfolge. Unter anderem komponierte er besagte Kantate für eine Blockflöte, was für Oberlinger natürlich von besonderem Interesse ist. Im Adagio lässt Hasse die Flöte regelrecht singen, während sie im temperamentvollen Allegro mit virtuosen Läufen und Akkordbrechungen begeistert. Dies alles wird von Oberlinger grandios umgesetzt. Dann geht es zu Ristori. Aber bevor die Serenata erklingt, werden noch zwei Sätze aus seinem Oboenkonzert gespielt, in denen Clara Blessing als Solistin glänzen kann. Schlussapplaus: Dorothee Oberlinger (Mitte) mit Calliope (Francesca Lombardi Mazzulli) und Orfeo (Valer Sabadus) Bei der folgenden Serenata führt wie bereits im Vorjahr Nils Niemann Regie, der auf barocke Gestik setzt. Die Rückwand der relativ kleinen Bühne wird mit Videoprojektionen angestrahlt, die den Fuß des Parnass als Gemälde andeuten. Mit eindrucksvollen Lichtstimmungen werden die Gefühle von Orfeo und Calliope eingefangen. Teilweise sieht man auch die von Orfeo besungenen Büßer der Unterwelt in den Projektionen. Orfeo und Calliope tragen relativ klassische Kostümen, für die Johannes Ritter verantwortlich zeichnet. Requisiten werden recht spärlich eingesetzt, so dass sich alles auf die Bewegungen und den Dialog zwischen Calliope und Orfeo konzentriert. Den Text kann man im Programmheft nachlesen. Eine Übertitelung wäre jedoch hilfreich gewesen. Mit Valer Sabadus und Francesca Lombardi Mazzulli hat man zwei großartige Barockinterpreten für dieses kleine musikalische Juwel gewinnen können. Sabadus verfügt als Orfeo über einen geschmeidigen und weichen Countertenor, der die Leiden des Sängers bewegend nachvollziehen lässt. In seiner ersten Arie beklagt er sein Schicksal mit fließenden Bögen. In der virtuosen zweiten Arie "Persa la speme" lässt er seiner Wut in halsbrecherischen Koloraturen freien Lauf und glänzt durch große Beweglichkeit in der Stimme. Lombardi Mazzulli punktet als Calliope mit einem vollen Sopran, der in den Höhen große Durchschlagskraft besitzt, und zeigt, dass sie für die Vorwürfe und Klagen ihres Sohnes kein Verständnis hat. Lombardi Mazzulli unterstreicht diese Einstellung auch durch eine großartige Mimik. Während sie in ihrer ersten Arie versucht, ihren Sohn mit sachlichen Argumenten zu überzeugen, wird Lombardi Mazzullis Sopran in der zweiten Arie wesentlich härter und autoritärer und führt schließlich dazu, dass Orfeo einlenkt. Im Schluss-Duett finden beide zu einer bewegenden Innigkeit. Neben dem Bildnis von Maria Antonia Walpurgis erscheinen in der Videoprojektion auch noch andere Bilder von Frauen der Musikgeschichte. Das Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothee Oberlinger präsentiert sich auch bei der Serenata absolut ausdrucksstark, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt. Nahezu ungewohnt ist es, dass es statt der obligatorischen Blumen am Ende eine Flasche Wein für die Solistinnen und Solisten gibt. FAZIT
Ristoris Vertonung ist inhaltlich zwar ungewöhnlich für den
Orpheus-Mythos, enthält aber wunderbare musikalische Perlen, die von Valer
Sabadus und Francesca Lombardi Mazzulli mit dem Ensemble 1700 unter der
Leitung von Dorothee Oberlinger mit viel Gefühl präsentiert werden. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung und Blockflöte
Regie
Bühne und Kostüm
Video
Ensemble 1700 Oboe
Solistinnen und SolistenOrfeo (Countertenor) Calliope (Sopran)
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- Fine -