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Erbschaftsstreit mit LokalkoloritVon Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant
Als neue
Entsetzt nimmt die Familie (Ensemble) zur
Kenntnis, dass der verstorbene Buoso Donati seinen gesamten Besitz der Kirche
vermachen will.
Da das alte Getreidelager in Wexford hinter den Talbot Suites natürlich
ursprünglich nicht für Theaterstücke gedacht war und es aufgrund der
Räumlichkeiten auch nur für ca. 70 bis 80 Zuschauer*innen Platz bietet, wird
Puccinis Einakter als eine Art Museumsgang in Szene gesetzt. Das Publikum
wandert während des Stückes von einem Raum zum nächsten, wird ebenfalls Teil der
Inszenierung und erlebt so eine interaktive Aufführung. Diese wird mit viel
Spielwitz und Liebe zum Detail umgesetzt, und auch die Wexforder
Laiendarsteller*innen werden nicht nur auf bloße Statistenrollen reduziert. So
gibt es zahlreiche zusätzliche - wenn auch entferntere - Verwandte, die
ebenfalls wie die übrigen Figuren des Stückes hoffen, in Donatis Testament
großzügig bedacht zu werden. Außerdem übernehmen sie die Rollen des Notars und
der beiden Zeugen, denen Schicchi als verkleideter Buoso den neuen letzten
Willen diktiert. Dabei verbreitet vor allem Pat Whelan als Notar mit endlosen
lateinischen Monologen großen Spielwitz.
Eingeführt wird die Rolle eines Erzählers, der als MC das Publikum am Eingang
begrüßt und klare Anweisungen gibt, wann von einem Raum zum anderen gewechselt
wird. Peter McCamley gestaltet die Rolle mit großer Originalität und
Spontaneität und übernimmt auch noch die Partie des verwirrten Maestro
Spinelloccio, der nicht zum verstorbenen Buoso vorgelassen wird, da dieser zu diesem
Zeitpunkt bereits von Gianni Schicchi gespielt wird. Vereinzelte Zuschauerinnen
und Zuschauer aus dem Publikum werden dafür als "Wand" zwischen Spinelloccio und
Schicchi eingesetzt, damit der Betrug nicht auffällt. In diesem Ambiente erlebt
das Publikum unterhaltsame 75 Minuten. Dass das Stück länger als im Original
ist, ist dem Wechsel der Örtlichkeiten geschuldet und den damit einhergehenden
erforderlichen Erläuterungen des Erzählers.
Lauretta (Ami Hewitt) und Rinuccio (Conor
Prendiville) lieben einander.
Insgesamt werden vier Räume auf zwei unterschiedlichen Etagen des Getreidelagers
genutzt. Mehrere Säulen in der Mitte der jeweiligen Räume grenzen den Bereich
für das Publikum von dem der Darstellerinnen und Darsteller ab. Wenn man den
ersten Raum betritt, befindet sich auf der linken Seite das Bett, in dem Buoso
stirbt. Die engeren Verwandten haben sich um das Bett versammelt. Die zusätzlich
eingeführten Figuren werden vom Erzähler vorgestellt und befinden sich in
einiger Entfernung zum Bett im gleichen beziehungsweise in dem daran angrenzenden
Raum. Einige Requisiten deuten liebevoll den verspielten Charakter des Stückes
an. Wenn Buoso gestorben ist und Betto di Signa die Vermutung verbreitet, dass
Buoso sein ganzes Vermögen eventuell der Kirche vermacht hat, geht es in den
benachbarten Raum. Hier bringen nun die Darstellerinnen und Darsteller auf der
Suche nach dem Testament alles durcheinander. Man kann hierbei auch nicht mehr
zwischen Rollen des Stückes und eingefügten Charakteren unterscheiden. Hier
bilden sie alle eine stimmige Einheit. Als dann der letzte Wille gefunden und
das Gerücht bestätigt worden ist, geht es bedrückt in den ersten Raum zurück.
Eine Lösung muss her, die Rinuccio sehr zum Missfallen der Familie in Gianni
Schicchi sieht.
Noch feiert der Donati-Clan (Ensemble) Gianni
Schicchi (Rory Musgrave, in der Mitte auf dem Bett).
Anschließend wechselt man die Etage. Auf dem Weg dorthin rekapituliert der
Erzähler noch einmal mit dem Publikum, ob man bis jetzt der Handlung folgen
konnte. Natürlich wird in diesem Ambiente nicht auf Italienisch sondern in einer
englischen Übersetzung gesungen. Außerdem weist er darauf hin, dass man im
Folgenden besonders auf den Bentley, die Apartments in Dublin und das große Haus
in Wexford achten solle. Diese drei Dinge gehören zum Erbe Donatis und sind für
die Familienangehörigen von besonderer Bedeutung. Die obere Etage ist dann
ähnlich aufgebaut wie die beiden Räume darunter. Im Bett auf der linken Seite
liegt nun die Leiche Donatis, die von Zita, Nella und La Ciesca in einen Teppich
eingerollt und einen Schacht hinuntergeworfen wird. Andere Requisiten sind
in mehreren Bereichen aufgestellt, so als ob man das Vermögen des Verstorbenen
hier bereits sortiert habe. Auf diese Gegenstände stürzen sich dann auch die
Angehörigen, nachdem Schicchi sie um das Erbe der drei oben erwähnten Dinge
gebracht hat, bevor sie von Schicchi aus dem Haus getrieben werden.
Begleitet wird die Produktion von drei Musikern, die den nahezu familiären
Charakter der Veranstaltung wunderbar einfangen. Auch gesungen wird auf hohem
Niveau. Conor Prendiville gestaltet die Partie des Rinuccio, der Gianni
Schicchis Tochter Lauretta liebt und eigentlich noch der Sympathischste aus der
Familie Donati ist, mit kraftvollem Tenor, der in den Höhen für die Größe des
Raumes an einigen Stellen ein bisschen zu weit aufdreht. Hier hätte er sich
vielleicht ein wenig zurücknehmen können. Ami Hewitt punktet als Lauretta mit
lieblichem Sopran und macht die bekannte Arie, hier "O beloved Father", zu einem
musikalischen Höhepunkt der Produktion. Deirdre Arratoon und Peter Lidbetter
punkten als Zita und Simone mit großartiger Komik. Leah Redmond und Vladimir
Sima nimmt man als Nella und Gherardo die habgierige Verwandtschaft genauso ab
wie Marta Pluda und Eoin Foran als La Ciesca und Marco. So gibt es am Ende
verdienten Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT
Die neue Community Opera ist ein herrliches Projekt, ein wenig Lokalkolorit ins
Festival zu bringen und auch Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt einzubeziehen.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2023 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungLuca Capoferri Tutoren Stage Manager
Cello
Klarinette
Solistinnen und Solisten*rezensierte AufführungGianni Schicchi
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- Fine -