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Gestrandet im HotelVon Thomas Molke / Fotos: © Pádraig Grant Die von der künstlerischen Leiterin des Festivals, Rosetta Cucchi, gegründete "Wexford Factory" geht in diesem Jahr mittlerweile ins vierte Jahr. Über einen Zeitraum von zwei Jahren können hier ausgewählte überwiegend irische Künstler*innen in Workshops vor dem Festival Meisterklassen genießen, zu denen namhafte Lehrer*innen eingeladen werden, die bereits auf eine große internationale Karriere zurückblicken. Daneben sind die jungen Künstler*innen in den großen Opernproduktionen, den Pocket Operas, der Community Opera und in den Pop-Up Events zu erleben. Der Höhepunkt ist in jedem Jahr allerdings die Erarbeitung einer eigenen Opernaufführung auf der Hauptbühne im National Opera House. Nach der im vergangenen Jahr relativ neuen Oper Cinderella der jungen Komponistin Alma Elizabeth Deutscher, die 2016 in Wien uraufgeführt worden war, gibt es im zweiten Jahr der diesjährigen Factory-Mitglieder wieder einen Opernklassiker: Gioachino Rossinis L'italiana in Algeri. Isabella (Marta Pluda, rechts) will Elvira (Hanna O'Brien, links) helfen, ihren Gatten Mustafà zurückzugewinnen. Rossinis Dramma giocoso hat sich mittlerweile neben dem Barbiere und der Cenerentola einen festen Platz im Repertoire der Opernhäuser zurückerobert. Einen bedeutenden Anteil daran dürften nicht zuletzt die schmissige Ouvertüre, das grandiose Finale des ersten Aktes und das urkomische "Pappataci"-Terzett im zweiten Akt haben. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass Rossinis elfte Oper in Venedig nur ein Lückenbüßer für das ursprünglich geplante Werk von Carlo Coccia, La donna selvaggia, gewesen sei, da dieses nicht rechtzeitig fertiggestellt worden sei. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass Rossini höchstpersönlich den Impresario Giovanni Gallo gebeten hat, ihm den Kompositionsauftrag zu geben, da seine in Mailand im Jahr zuvor mit überwältigendem Erfolg uraufgeführte Oper La pietra del paragone bei der Wiederaufnahme in Venedig ein Flop wurde und Rossini diesen Misserfolg wettmachen wollte. Die Zeit, ein neues Libretto zu erstellen, war mit knapp vier Wochen natürlich zu kurz, so dass Rossini auf ein Stück zurückgriff, das Luigi Mosca bereits fünf Jahre zuvor für Mailand vertont hatte. Mit einigen Überarbeitungen und Anpassungen stand die Oper, die inhaltlich ganz die damalige Begeisterung für orientalische Themen bediente, über mehrere Wochen erfolgreich auf dem Spielplan. Isabella (Marta Pluda) macht Mustafà (Giorgi Manoshvili, vorne) gemeinsam mit Lindoro (Victor Jiménez Moral, hinten links) und Taddeo (hier: Eoin Foran, hinten rechts) zum Pappataci. Die Handlung soll auf der wahren Geschichte der Mailänderin Antonietta Frappoli basieren, die 1808 Berühmtheit erlangte, als es ihr aus nicht genau geklärten Gründen gelang, aus der Gefangenschaft im Harem des Beys von Algier über Venedig in ihre Heimatstadt zurückzukehren. In der Oper heißt der Bey Mustafà, was wahrscheinlich eine Anspielung auf Mustafa II. darstellen soll, der von 1798 bis 1805 als osmanischer Statthalter über die Provinz Algier herrschte. Er ist seiner Frau Elvira überdrüssig und glaubt, dass nur eine Italienerin seinen Bedürfnissen nach der "idealen Frau" entsprechen könne. Diese erscheint in Gestalt der schönen in Algier gestrandeten Isabella, die in Begleitung ihres ältlichen Verehrers Taddeo von Livorno aufgebrochen ist, um ihren Geliebten Lindoro zu suchen. Wie es der Zufall will, wird dieser als Sklave bei Mustafà gefangen gehalten. Mit List und Charme gelingt es Isabella, sich den Bey gefügig zu machen. So verhindert sie, dass Mustafà seine bisherige Gattin verstößt, und ernennt ihn anschließend zum Pappataci, dessen einzige Beschäftigung darin besteht, zu essen, zu trinken und zu schweigen. Auf diese Weise gelingt ihr mit Lindoro und Taddeo die Flucht nach Italien. Mustafà, der den Betrug zu spät erkennt, bittet seine Gattin Elvira demütig um Verzeihung. Taddeo (William Kyle) im Zwiespalt: Soll er gehen oder bleiben?
Conor Hanratty verlegt die Handlung in ein Hotel an der nordafrikanischen Küste.
Der Bey Mustafà ist der Eigentümer, und seine Ehefrau Elvira ist die Managerin,
derer er mittlerweile überdrüssig ist.
Ein weiterer Höhepunkt der Aufführung ist Giorgi Manoshvili als Mustafà. Als
testosteron-gesteuerter Macho begeistert er bei seiner Auftrittsarie mit
fulminantem Bass. Auch die schnellen Läufe liegen ihm wunderbar in der Kehle.
Seine Überlegenheit Lindoro gegenüber macht er stimmlich im ersten Akt mehr als
deutlich, wenn er diesen mit seiner Frau Elvira verkuppeln will und sämtliche
Einwände des jungen Mannes autoritär aus dem Weg räumt. Dabei gelingt ihm
allerdings auch ein leichtes ironisches Augenzwinkern, so dass man ihn bei allem
Gepolter nicht wirklich ernst nehmen kann. Das unterstreicht er auch noch, wenn
er Isabella begegnet und sofort von ihr begeistert ist. Großen Spielwitz beweist
er auch in dem Terzett mit Lindoro und Taddeo, wenn er sich in die Pflichten
eines Pappataci einführen lässt und ein T-Shirt in den Nationalfarben Italiens
überzieht. Victor Jiménez Moral punktet als Lindoro mit feinem, lyrischem Tenor
und mimt die Eifersucht des jungen Mannes absolut glaubhaft. Großes komisches
Potenzial zeigt auch William Kyle als leicht schusseliger Taddeo, der von
Mustafà zum Kaimakan ernannt wird und bis zum Schluss eigentlich hofft, dass
Isabellas Herz ihm gehört. Mit flexiblem Bariton muss er dann am
Schluss eine Entscheidung treffen, ob er mit Isabella und Lindoro das Land
verlässt oder bei Mustafà bleibt, wobei ihm sehr schnell klar wird, dass Bleiben
für ihn nicht wirklich eine Alternative sein kann.
Das WFO Ensemble ist wesentlich kleiner besetzt als das Orchester für die
Abendveranstaltungen, punktet aber unter der Leitung von
Gioele Muglialdo mit sauberem Klang, auch wenn man sich diesen an der einen oder
anderen Stelle etwas üppiger gewünscht hätte, was jedoch in der kleinen Besetzung
nicht möglich ist. So bekommt man alles in allem von den Absolvent*innen der
"Wexford Factory" eine Abschlussveranstaltung geboten, die es mit den großen
Opernproduktionen des Festivals durchaus aufnehmen kann.
FAZIT
Das Projekt "Wexford Factory" stellt erneut unter Beweis, wie lohnend
die Teilnahme für
junge Künstler*innen ist, die am Beginn einer hoffentlich großen Karriere
stehen. Diese Italiana überzeugt in jeder Hinsicht.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2023 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGioele Muglialdo Inszenierung und Bühne Kostüme Licht
WFO Ensemble
Solistinnen und Solisten*rezensierte AufführungIsabella
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- Fine -