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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
14.07.2023 - 23.07.2023


Il signor Bruschino
(Der Herr Ruppig)

Farsa giocosa in einem Akt
Libretto von Giuseppe Foppa
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 55' (eine Pause)

Produktion von Passionart und der Filharmonia im. Karola Szymanowskiego W Krakowie

Premiere im Königlichen Kurtheater am 14. Juli 2023

 

 

 

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Verwechslungsspaß im Bagni Gioachino

Von Thomas Molke / Fotos: © Patrick Pfeiffer

Il signor Bruschino ist die letzte von fünf Farse, die Rossini zu Beginn seiner Karriere für das Teatro San Moisè in Venedig komponierte. Nachdem er 1810 mit La cambiale di matrimonio dort noch als Einspringer debütierte, erzielte er mit seiner zweiten Farsa L'inganno felice 1811 einen so großen Erfolg, dass der damalige Impresario am Teatro San Moisè, Antonio Cera, Rossinis Mutter in einem Brief attestierte, dass das Genie Cimarosas in Rossini übergegangen sei, und den jungen Mann gleich für drei weitere Farse ans Teatro San Moisè verpflichtete. Doch mit L'inganno felice wurden auch andere Opernhäuser auf das junge aufstrebende Talent aufmerksam und boten dem Schwan von Pesaro größere und weitaus lukrativere Opernaufträge an, denen Rossini natürlich ebenfalls nachkommen wollte, was seinem Erfolg und auch seiner Sympathie am Teatro San Moisè nicht gerade zuträglich war. Von daher lässt sich vermuten, dass es eher einer Intrige Ceras als der mangelnden musikalischen Qualität geschuldet war, dass diese letzte Farsa, die Rossini parallel zum Tancredi für das benachbarte Teatro Felice komponierte, ein absoluter Flop war und direkt nach der Premiere am 27. Januar 1813 abgesetzt und gegen Stefano Pavesis Ser Marcantonio, einem Vorläufer von Donizettis Don Pasquale, ausgetauscht wurde. Gemutmaßt wird jedoch auch, dass Rossini von dem Libretto nicht allzu viel gehalten und er es abgelehnt habe, als es ihm bereits für den ersten der drei Folgeaufträge für das San Moisè vorgelegt worden sei. Dass er Il signor Bruschino schließlich doch noch vertont habe, sei nur dem akuten Zeitmangel geschuldet. In Bad Wildbad kann man sich nun in einer überarbeiteten Inszenierung, die 2009 hier im Kurhaus zu erleben war, von den Qualitäten dieser "Jugendsünde", wie Rossini das Werk selbst in einem Brief bezeichnete, überzeugen.

Das Libretto von Giuseppe Foppa basiert auf der fünfaktigen französischen Komödie Le fils par hasard, ou Ruse et folie von René de Chazet und Maurice Ourry aus dem Jahr 1809 und trägt den Untertitel Il figlio per azzardo. Der alte Gaudenzio möchte sein Mündel Sofia aus wirtschaftlichen Gründen mit dem Sohn eines gewissen Signor Bruschino verheiraten, den er allerdings noch nie gesehen hat. Sofia liebt jedoch den jungen Florville, dessen Vater ein Erzfeind Gaudenzios ist und den Gaudenzio ebenfalls nicht kennt. Florville will die Hochzeit um jeden Preis verhindern. Zugute kommt ihm dabei, dass der junge Bruschino einen etwas zweifelhaften Lebenswandel hat und auf dem Weg zu Gaudenzio in der Schenke des Gastwirtes Filiberto so hohe Schulden gemacht hat, dass er dort nun hinter Schloss und Riegel gehalten wird, bis die Schulden bezahlt sind. Florville gibt sich Filiberto gegenüber als Bruschinos Vetter aus und zahlt einen Teil der Schulden mit der Auflage, den jungen Bruschino auf keinen Fall freizulassen. Des Weiteren erhält er von Filiberto ein Schreiben des jungen Bruschino, mit dem er sich Gaudenzio gegenüber als Bruschinos Sohn ausgeben kann. Allerdings taucht der alte Bruschino auf, der natürlich bestreitet, dass Florville sein Sohn sei, was für große Verwirrung sorgt. Da scheinbar mehrere Beweise dafür sprechen, dass der alte Bruschino seinen Sohn nur aus Wut auf dessen Lebenswandel verleugnet, glaubt Gaudenzio dem alten Bruschino nicht. Völlig erbost begibt sich der alte Bruschino schließlich selbst auf die Suche nach seinem Sohn und macht ihn in der Schenke ausfindig. Als er jedoch erfährt, dass Florville der Sohn von Gaudenzios Erzfeind ist, beschließt er, sich an Gaudenzio zu rächen, und spielt die Maskerade mit. So werden Sofia und Florville vermählt, bevor der richtige junge Bruschino auftritt und Gaudenzio erkennen muss, dass sein Mündel den Sohn seines Erzfeindes geheiratet hat.

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Chaos im "Bagni Gioachino": von links: Filiberto (Francesco Bossi), Kriminalkommissar (Filiberto Bruno), Bruschino padre (Emmanuel Franco), Gaudenzio (Giorgio Caodura), Sofia (Eleonora Bellocci) und Florville (Hyunduk Kim)

Das Regieteam um den Intendanten Jochen Schönleber verlegt die temporeiche, verrückte Handlung in ein Strandbad der 1960er Jahre, das den Namen "Bagni Gioachino" trägt. Der Orchestergraben stellt gewissermaßen das Schwimmbecken dar. Während sich Antonino Fogliani, der die Produktion 2009 musikalisch leitete, damals vor der Ouvertüre eine Badekappe aufsetzte, wählt José Miguel Pérez-Sierra eine Taucherbrille, mit der er sich mit dem Philharmonischen Orchester Krakau in die Ouvertüre "stürzt". Und die weist wie das komplette Stück bereits einige Skurrilitäten auf. So müssen die Violinistinnen und Violinisten zwischendurch mit ihrem Bogen auf den Notenständer klopfen. Schönleber, der die Solistinnen und Solisten bereits während der Ouvertüre auftreten lässt, integriert diesen Moment auch gekonnt in das Spiel des Ensembles. So steigt beispielsweise Sofia in einem Moment in das "Becken" und hat nach dem Bad Wasser im Ohr, das sie sich dann im Takt hinauszuklopfen versucht. Auch die Vorgeschichte wird während der Ouvertüre inszeniert. So sieht man den jungen Bruschino, der im Stück eigentlich erst ganz am Ende auftaucht, bereits zu Beginn recht betrunken durch das Bad taumeln, bevor er vom Wirt Filiberto wegen der nicht beglichenen Rechnungen festgesetzt wird. Der alte Bruschino tritt auf und wird scheinbar über die geplante Hochzeit zwischen seinem Sohn und Sofia mit Gaudenzio einig. So ist durch das abwechslungsreiche, komödiantische Spiel bereits nach der Ouvertüre die Grundlage für die nun folgenden Verwicklungen gelegt.

Das Bühnenbild, für das ebenfalls Schönleber nach einer Idee von Anton Lukas verantwortlich zeichnet, zeigt im ersten Teil drei Umkleidekabinen im Hintergrund, über denen in großen Lettern "Bagni Gioachino" steht. Daneben sieht man einen Kühlschrank vor einem Zaun, der eine wichtige Requisite in Schönlebers Inszenierung darstellt. Da der alte Bruschino während des ganzen Stückes stets die schreckliche Hitze beklagt, soll ihm ein riesiges Kühlpack aus diesem Schrank Abkühlung verschaffen, was bei den ganzen Turbulenzen allerdings auch nicht wirklich hilft, so dass er schließlich vor der Pause komplett in diesen Kühlschrank krabbelt. Auch wenn in den einaktigen Farse in der Regel keine Pause vorgesehen ist, wird in Bad Wildbad nach dem großen Terzett zwischen dem alten Bruschino, Florville und Gaudenzio eine Pause eingefügt, um einen etwas umfangreicheren Umbau zu ermöglichen. Nach der Pause sind die Umkleidekabinen gedreht und man befindet sich im Hause Gaudenzios, wo nun der Ehevertrag geschlossen wird. Der Kühlschrank steht nun auf der anderen Seite und die linke ehemalige Umkleidekabine stellt eine Dusche dar, unter der sich Sofia und Florville beim Umziehen für die Hochzeit recht nahekommen.

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Eine Frau, die weiß was sie will: Sofia (Eleonora Bellocci) mit Bruschino padre (Emmanuel Franco)

Das spielfreudige Ensemble setzt nicht nur die temporeichen Einfälle Schönlebers in der Personenregie mit so großem Witz um, dass man stellenweise durch das abwechslungsreiche Treiben auf der Bühne gar keine Zeit hat, die Übertitel zu verfolgen, sondern überzeugt auch musikalisch auf ganzer Linie. Hyunduk Kim verfügt als Florville über einen geschmeidigen Tenor mit sauber ausgesungenen Höhen. In dem kurzen Duett zwischen Florville und Sofia zu Beginn der Oper, in dem sich die beiden ihre innige Liebe gestehen, glänzt er als jugendlicher Liebhaber mit tenoralem Schmelz. Im Duett mit Filiberto zeigt er sich durchaus als gerissen und spielt im weiteren Verlauf seine Rolle als falscher Bruschino figlio mit großem, komischem Talent. Eleonora Bellocci darf durchaus als Entdeckung des Rossini-Festivals in Bad Wildbad bezeichnet werden, wurde ihr doch hier 2018 als Stipendiatin der Akademie BelCanto mit dem Internationalen Belcanto Preis verliehen. Auch dürfte sie vielen noch als Fannì in La cambiale di matrimonio und als Rosalia in L'equivoco stravagante in bester Erinnerung sein. Als Sofia begeistert sie nun mit flexiblen, kraftvollen Koloraturen in ihrer großen Arie, in der sie den alten Bruschino zu überreden versucht, ihr den falschen Sohn als Gatten zu geben, und zeigt stimmlich und darstellerisch, dass diese junge Frau ganz genau weiß, was sie will. Im Duett mit Gaudenzio mimt sie hingegen mit zarten Tönen mit kokettem Spiel das unschuldige Mädchen und willigt nur zu gern in die vom Vormund geplante Hochzeit mit dem falschen Bruschino ein. Mit Kim findet sie im Duett mit warmem Sopran zu einer betörenden Innigkeit. Francesco Bossi, Stipendiat der diesjährigen Akademie BelCanto, gestaltet die Partie des Gastwirtes Filiberto mit profundem Bariton und sorgt mit seiner falschen Annahme, dass Florville Bruschinos Vetter ist, für komische Momente.

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Gaudenzio (Giorgio Caodura) verkündet Marianna (Camilla Carol Farias) siegesgewiss seinen Plan.

Auch die beiden großen Buffo-Partien sind wunderbar besetzt. Giorgio Caoduro hat bereits beim Rossini Opera Festival in Pesaro 2021 als Gaudenzio mit dunklem Bariton überzeugt. In seiner Auftrittsarie, in der er hofft, für sein Mündel mit dem jungen Bruschino eine lukrative Partie gefunden zu haben zeigt er sich auch in Bad Wildbad stimmlich absolut beweglich. Mit großem Spielwitz punktet er bei der Verwirrung darüber, dass der alte Bruschino seinen vermeintlichen Sohn nicht als diesen anerkennt. Emmanuel Franco darf schon fast als "alter Hase" in Bad Wildbad bezeichnet werden, den man allerdings mit den weißen Haaren und der ihm verpassten großen Leibesfülle gar nicht wiedererkennt. Mit überbordender Komik gestaltet er den "ruppigen" Alten, der ständig die unerträgliche Hitze beklagt oder von Rheuma geplagt wird, was ihn allerdings nicht daran hindert, in den Kühlschrank zu klettern. Stimmlich punktet er mit beweglichem Bariton. Die übrigen kleineren Partien sind mit Stipendiat*innen der Akademie BelCanto gut besetzt. Camilla Carol Farias beweist als Marianna, dass man auch ohne Arie mit großem Spielwitz eine enorme Bühnenpräsenz entwickeln kann. Francesco Lucii gibt den ständig betrunkenen jungen Bruschino mit herrlicher Komik. Das Philharmonische Orchester Krakau lotet unter der Leitung von José Miguel Pérez-Sierra die Finessen der abwechslungsreichen Partitur mit viel Feingefühl aus und rundet den Abend wunderbar ab, so dass es zu Recht großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Inszenierung in Bad Wildbad zeigt, dass Rossinis Farsa durchaus ihre Meriten hat und lässt vermuten, dass das Stück bei der Uraufführung nicht wegen musikalischer oder szenischer Qualitäten der Vorlage durchgefallen ist.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
José Miguel Pérez-Sierra

Regie
Jochen Schönleber

Regieassistenz
Eleonora Calabrò
Noah Vannei

Bühne, nach einer Idee von Anton Lukas
Jochen Schönleber

Mitarbeit Bühnenbild
Lars Werneke

Kostüme
Olesja Maurer

Licht
Michael Feichtmeier

 

Philharmonisches Orchester Krakau
(Leitung: Alexander Humala)

Musikalische Assistenz und Tafelklavier
Gianluca Ascheri


Solistinnen und Solisten

Gaudenzio
Giorgio Caoduro

Sofia
Eleonora Bellocci

Bruschino padre
Emmanuel Franco

Bruschino figlio
Francesco Lucii

Kriminalkommissar
Filiberto Bruno

Florville
Hyunduk Kim

Filiberto
Francesco Bossi

Marianna
Camilla Carol Farias

 


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