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Meisterhaftes von RossiniVon Thomas Molke / Foto: © Rossini in Wildbad Die Konzerte der Teilnehmer*innen der Meisterklassen haben sich seit einigen Jahren zu einem Geheimtipp beim Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad entwickelt, da man hier vielversprechende Nachwuchskünstler*innen erleben kann, bevor sie auf den großen Bühnen der Welt Erfolge feiern. Erinnert sei an dieser Stelle beispielsweise an Olga Peretyatko oder Diana Haller, die beide hier vor einigen Jahren in diesen Konzerten zu erleben waren und mittlerweile beide auf eine große Karriere zurückblicken können. Wie im vergangenen Jahr gibt es auch 2023 aufgrund des verdichteten Zeitplans des Festivals nur zwei Meisterklassen, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich im Königlichen Kurtheater in zwei Abschlusskonzerten präsentieren. Geleitet werden diese beiden Meisterklassen wieder von Raúl Giménez und Filippo Morace, die dem Festival schon seit mehreren Jahren treu verbunden sind. Das zweite Konzert nimmt dabei stets einen besonderen Stellenwert ein, da man hier nicht nur die potentiellen Stars von morgen erlebt, sondern auch der Internationale Belcanto-Preis verliehen wird, der unter anderem mit einem Rollenangebot bei einem künftigen Festival verbunden ist. In diesem Jahr sind mit César Cortés als Conte Almaviva in Rossinis Il barbiere di Siviglia und Eleonora Bellocci als Sofia in Il signor Bruschino gleich zwei ehemalige Preisträger in Hauptpartien zu erleben. Zusätzlich wird jedes Jahr auch noch ein nicht dotierter Publikumspreis vergeben, der laut Festspielintendant Jochen Schönleber am Applaus für die einzelnen Beiträge gemessen werde. Doch dies lässt sich mit Blick auf das hohe Niveau der Meisterklasse sehr schwer messen, da man im Publikum das Gefühl hat, dass diesen Preis auch in diesem Jahr wieder mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer verdient hätten. Jubel für eine Meisterklasse: von links: Kai Wang, Alexandru Suciu, Francesco Lucii, Filippo Morace, Jordi Serrano-Jové, Blanca Vázquez Canales, Camilla Carol Farias, Polina Anikina, Viktoriia Shamanska, Francesca Pusceddu und Giada Campione Schönlebers Wahl fällt auf die junge Mezzosopranistin Camilla Carol Farias, die schon als Dienerin Marianna in Rossinis Il signor Bruschino durch eine überbordende Bühnenpräsenz aufgefallen ist. Auch in diesem Konzert lässt sie den konzertanten Charakter der Veranstaltung vergessen, wenn sie in die Rollen der Angelina und ihrer missgünstigen Stiefschwester Tisbe aus La Cenerentola schlüpft. Alexandru Suciu hat als Dandini gerade mit Francesco Lucii als Prinz Ramiro die Rollen getauscht und macht den beiden eingebildeten Töchtern Don Magnificos den Hof, da liefert sich Farias mit Francesca Pusceddu als Clorinda szenisch einen wunderbaren Schlagabtausch, bei dem die beiden Mädchen versuchen, den vermeintlichen Prinzen für sich zu gewinnen. Im Anschluss daran präsentiert Farias in der Rolle der Angelina das berühmte Schluss-Rondo "Nacqui all' affano" mit beweglicher Stimmführung und strahlenden Koloraturen. Doch dies bleibt nicht der einzige Preis mit dem Farias in diesem Jahr ausgezeichnet wird. Schönleber beschließt, wie bereits häufiger in früheren Jahren, den Internationalen Belcanto-Preis aufzuteilen und ihn an Farias und den Bariton Francesco Bossi zu verleihen. Bossi ist sogar in beiden szenischen Produktionen des diesjährigen Festivals in kleineren Partien zu erleben. In Il signor Bruschino begeistert er als Wirt Filiberto, der mit dem verhafteten Bruschino figlio für einige Verwirrung sorgt. Im Barbiere ist er als Fiorello und als Offizier zu erleben und punktet beide Male mit humorvoller Bühnenpräsenz. Auch beim Konzert empfiehlt er sich für eine große Karriere als Buffo-Charakter. Mit großartiger Komik präsentiert er die Auftrittskavatine des Kanadiers Slook, der siegesgewiss bei dem englischen Kaufmann Tobia Mill vorspricht, um dessen Tochter Fannì zu heiraten. Schon bevor er den ersten Ton gesungen hat, schlüpft er ganz in die Rolle und zeigt sich als selbstverliebter Geck. Sein Bariton besitzt eine enorme Leichtigkeit, mit der er sich spielend durch die schnellen Läufe bewegt. Große darstellerische Komik beweist er auch als Don Magnifico in La Cenerentola, wenn er beim Auftritt des vermeintlichen Prinzen versucht, seine Töchter im Zaum zu halten, und auch die Verwirrung beim großen Sextett am Ende des Konzertes, wenn er erkennt, dass Ramiro sich als Diener verkleidet hat, gestaltet er mit witzigem Spiel. Neben Farias und Bossi sind auch Francesca Pusceddu, Francesco Lucii und Filiberto Bruno in den Genuss eines Stipendiums für die beiden Meisterklassen gekommen, die aus dem Nachlass von Lotte Breuer finanziert werden. Alle drei sind ebenfalls in den szenischen Produktionen des Festivals zu erleben und stellen auch beim Konzert unter Beweis, dass sie hervorragende Darsteller*innen sind. Pusceddu, die im Barbiere als Berta überzeugt, macht in der Arie der Fannì aus La cambiale di matrimonio deutlich, dass sie sich keinesfalls wie eine Handelsware an den Kanadier Slook verschachern lassen will. Pusceddu punktet dabei mit glasklaren Koloraturen und strahlenden Höhen. Als Tisbe steht sie Farias als Clorinda an Zickigkeit in nichts nach. Lucii ist außerdem als Bruschino figlio zu erleben und punktet in der Arie des Narciso aus Il turco in Italia mit sauber geführtem Tenor. Herrlich genervt zeigt er sich als Prinz Ramiro bei Dandinis Arie, wenn er der Meinung ist, dass sein Diener beim Verkleidungsspiel ein wenig übertreibt. Bruno, der im Signor Bruschino als Kommissar zu erleben ist, schlüpft im Konzert in die Rolle des Batone aus L'inganno felice und überzeugt mit flexibel geführtem Bass und witzigem Spiel. Neben den Stipendien aus der Lotte-Breuer-Stiftung gibt es auch zwei Stipendien, die aus dem Nachlass von Inge Borkh finanziert werden. Borkh, die sich in den 50er Jahren vor allem einen Namen als berühmte Wagner- und Strauss-Interpretin gemacht hat, in Bayreuth und Salzburg Erfolge feierte und in München den Titel "Bayerische Kammersängerin" erhielt, war bis zu ihrem Tod 2018 dem Festival in Bad Wildbad sehr eng verbunden und stiftete einen Teil ihres Vermögens für einen Gedächtnispreis sowie Stipendien für Sopranistinnen. In diesem Jahr kommen die Sopranistin Viktoriia Shamanska und die Mezzosopranistin Polina Anikina in den Genuss dieses Preises. Shamanska punktet in der Kavatine der Semiramide aus der gleichnamigen Oper mit strahlenden Koloraturen und sauber ausgesungenen Höhen. Anikina begeistert in der Kavatine der Isabella aus L'italiana in Algeri , "Cruda sorte", mit sattem Mezzosopran und großer Beweglichkeit in den Läufen. Während beim Konzert der Meisterklasse von Raúl Giménez vor einer Woche das Programm zur Hälfte aus Mozart bestand, gibt es beim Konzert der zweiten Klasse sozusagen "Rossini pur", sieht man davon ab, dass das erste Stück, die Arie des Haly aus L'italiana in Algeri, von einem anonymen Mitarbeiter Rossinis stammt. Dabei beschränken sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer allerdings nicht auf Rossinis Opern, sondern greifen auch auf die geistigen Werke zurück. So gibt es direkt zwei Stücke aus Rossinis Petite messe solennelle. Der junge Tenor Kai Wang, ebenfalls Stipendiat des Festivals, präsentiert mit weichem Tenor die Arie "Domine Deus", der ein kleines Duett von Giada Campione und Polina Anikina folgt. Aus Stabat mater präsentiert Omar Mancini anschließend die Arie "Cuius animam" mit dunkel gefärbtem Tenor und kraftvoll angesetzten Höhen. Giada Campione und Blanca Vázquez Canales haben bereits im vergangenen Jahr an den Meisterklassen teilgenommen. Campione präsentiert die äußerst anspruchsvolle Arie der Berenice aus Rossinis Farsa L'occasione fa il ladro. Vázquez Canales, die im vergangenen Jahr unter anderem mit Morace eine Arie der Corinna aus Il viaggio a Reims erarbeitet hat, schlüpft nun in die Rolle der Madama Cortese. In der Auftrittsarie "Di vaghi raggi adorno" punktet sie mit strahlenden Höhen und großer Beweglichkeit in den Läufen. Begleitet werden die Stücke gewohnt professionell von Gianluca Ascheri, der mit präzisem und feinfühligem Spiel die Solistinnen und Solisten allesamt glänzen lässt. Als Zugabe präsentieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann noch das Finale des 1. Aktes aus L'italiana in Algeri, wobei Polina Anikina erneut in die Rolle der Isabella schlüpft, die dem Bey von Algier, Mustafà (Jordi Serrano-Jové), Paroli bietet. Das Publikum bedankt sich für diesen kurzweiligen Streifzug durch Rossinis Werk mit großem Jubel. FAZIT Das Konzert der Meisterklasse stellt erneut unter Beweis, dass man sich um hochkarätigen Nachwuchs im Bereich des Belcanto keine Sorgen zu machen braucht. Weitere Rezensionen zu Rossini in Wildbad 2023 Programm des Konzertes Anonymer Mitarbeiter von Rossini: L'italiana in Algeri (1813): Arie des Haly "Le femmine d'Italia" (Jordi Serrano-Jové) Gioachino Rossini: L'occasione fa il ladro (1812): Arie der Berenice "Voi la sposa pretendete" (Giada Campione) Gioachino Rossini: L'inganno felice (1812): Arie des Batone "Una voce m'ha colpito" (Filiberto Bruno) Gioachino Rossini: Il viaggio a Reims (1825): Arie der Madama Cortese "Di vaghi raggi adorno" (Blanca Vázquez-Canales)
Gioachino Rossini: Petite messe solennelle (1864): Arie "Domine Deus"
(Kai Wang) Gioachino Rossini: Stabat mater (1842): Arie "Cuius animam" (Omar Mancini) Gioachino Rossini: Semiramide (1823): Kavatine der Semiramide "Bel raggio lusinghier" (Vikotriia Shamanska)
Gioachino Rossini: La cambiale di matrimonio (1810): Arie des Slook
"Grazie... grazie..." (Francesco Bossi) Gioachino Rossini: Il turco in Italia (1814): Arie des Narciso "Tu seconda il mio disegno" (Francesco Lucii) Gioachino Rossini: L'italiana in Algeri (1813): Kavatine der Isabella "Cruda sorte" (Polina Anikina)
Gioachino Rossini: La Cenerentola (1817): Arie des Dandini "Come un' ape
ne' giorni d'aprile" (Alexandru Suciu, mit Camilla Caro Farias, Francesca
Pusceddu, Francesco Bossi und Francesco Lucii)
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AusführendeKlavier Einstudierung Teilnehmer*innen der Masterclass
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