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Klangvokal 2024
Musikfestival Dortmund
24.05.2024 - 16.06.2024

Operngala

Pretty Yende, Sopran
Artur Ruciński, Bariton
Lorenzo Passerini, Dirigent
Neue Philharmonie Westfalen

Ouvertüren, Arien und Duette von Vincenzo Bellini, Gaetano Donizetti und Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Aufführung im Konzerthaus Dortmund am 30. Mai 2024, 18.00 Uhr

 

 

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Glanzlichter der italienischen Oper

Von Thomas Molke / Fotos: © Julius Naudiet

Opern handeln häufig von großen Dramen, die selten gut ausgehen. Auch eine konzertante Gala, die aus musikalischen Höhepunkten verschiedener Opern besteht, kann sich zu einem regelrechten Drama entwickeln. Diese Erfahrung musste das Klangvokal Musikfestival zumindest in der Vorbereitung des Abends machen. Eigentlich war eine große Operngala mit Pretty Yende und Nadine Sierra geplant. Letztere hatte das Publikum bereits in einer Italienischen Operngala im Februar 2022 gemeinsam mit dem Tenor Xabier Anduaga begeistert. Als Sierra im April aus persönlichen Gründen das Konzert im Mai absagen musste, hatte man mit der Sopranistin Aigul Akhmetshina einen hochkarätigen Ersatz gefunden. Doch zum Festivalbeginn am 24. Mai 2024 fiel Akhmetshina aus gesundheitlichen Gründen aus. Nun war guter Rat teuer. Ein gleichwertiger Sopran-Ersatz war wegen der Kürze der Zeit nicht mehr zu bekommen. So verständigte man sich mit dem Dirigenten des Abends, Lorenzo Passerini, darauf, den Bariton Artur Ruciński anzufragen, mit dem Passerini und Yende schon häufig zusammengearbeitet haben. Und Ruciński konnte es terminlich einrichten und einspringen. Nun musste natürlich fast das komplette geplante Programm umgestrickt werden. Von der ursprünglichen Planung konnten nur drei Stücke gespielt werden. Aber auch das meisterte man mit Bravour, und so hatte zumindest dieses Drama mit großartigen Glanzlichtern der italienischen Oper von Verdi, Bellini und Donizetti ein glückliches Ende.

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Artur Ruziński springt ein und "rettet" die Operngala.

Die südafrikanische Sängerin Pretty Yende zählt mittlerweile zu den weltweit gefragtesten Sopranistinnen unserer Zeit, die an den renommiertesten Bühnen wie der Metropolitan Opera in New York, dem Royal Opera House Covent Garden, dem Teatro alla Scala in Mailand, dem Theater an der Wien sowie in München, Berlin und Frankfurt häufiger Gast ist. Auch ins Dortmunder Konzerthaus scheinen zahlreiche Fans angereist zu sein, die sie bereits bei ihrem ersten Auftritt mit frenetischem Applaus empfangen und nach den einzelnen Nummern stehende Ovationen geben. Neben so einem Superstar muss man erst einmal bestehen können. Doch damit hat der in Warschau geborene Verdi- und Belcanto-Bariton Artur Ruciński keine Probleme, zumal er ja auch eine ganz andere Stimmfarbe ins Spiel bringt. Nach der Ouvertüre aus Verdis Nabucco, die Lorenzo Passerini mit ganzem Körpereinsatz dirigiert und die von der Neuen Philharmonie Westfalen mit viel Verve interpretiert wird, startet Ruciński mit der Arie des Renato aus Verdis Un ballo in maschera. Nachdem Renato feststellen musste, dass die verschleierte Frau, mit der sich sein bester Freund Riccardo getroffen hat, seine eigene Ehefrau Amelia ist, fühlt er sich betrogen und will zunächst seine Gattin töten. In der Arie "Alzati!... Eri tu" überlegt er es sich jedoch anders und will lieber Rache an dem vermeintlichen Freund nehmen. Ruciński interpretiert dieses Stück voller Leidenschaft, so dass man ihm die innere Zerrissenheit Renatos in jedem Moment abnimmt, und punktet stimmlich mit kraftvollem Bariton, der in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft besitzt. Im letzten Ton liefert er sich ein Duell mit dem Orchester, das er schließlich für sich entscheiden kann. Man fragt sich, woher er die Luft nimmt, um diesen Ton so lange und klangschön anhalten zu können.

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Pretty Yende als Violetta

Nach Un ballo in maschera folgen Auszüge aus Verdis wohl populärster Oper La traviata. Natürlich darf in einer Operngala mit einer Spitzensopranistin wie Yende die große Arie der Violetta aus dem ersten Akt nicht fehlen. Hierbei kann eine Sängerin schließlich ein wahres Koloraturfeuerwerk abschießen. Yende setzt diese großartige Nummer äußerst vielschichtig um. Bewegend gelingen ihr die zarten und leisen Töne, in denen Violettas Krankheit durchschimmert. Dann schraubt sie sich zu grandiosen Koloraturen empor, die absolut klar und leuchtend klingen. Wenn man schon glaubt, dass dies nicht mehr zu toppen ist, belehrt Yende das Publikum eines Besseren und übertrifft sich anschließend noch selbst. Der Saal feiert sie mit großem Jubel. Im Anschluss gibt es für Yende eine kurze Verschnaufpause, in der die Neue Philharmonie Westfalen das Prelude des ersten Aktes präsentiert. Hier kitzelt Passerini aus den Geigen mit zerbrechlichem und klagendem Klang die ganze Tragik der Geschichte heraus. Den Abschluss des ersten Teils bildet dann die große Szene zwischen Violetta und Alfredos Vater Germont, ein Parade-Stück für Sopran und Bariton. Germont verlangt darin von Violetta, ihre Beziehung zu Alfredo zu beenden, um das Glück von Alfredos Schwester nicht zu zerstören, die nur heiraten kann, wenn Alfredo in den Schoß der Familie zurückkehrt und seinen "unsittlichen Lebenswandel" mit Violetta beendet. Hier spürt man im Zusammenspiel zwischen Yende und Ruciński, dass die beiden sich als Kollegen vertraut sind. So setzen die beiden diese Szene auch darstellerisch eindrucksvoll um. Ruciński arbeitet die Härte, mit der Germont der jungen Frau begegnet und die aufgrund ihrer Reaktionen ins Wanken gerät, absolut glaubhaft um. Yende entwickelt sich von einem leicht trotzigen jungen Mädchen zu einer empfindsamen Frau, die ihr Leben für das eines anderen Menschen aufzugeben bereit ist.

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Pretty Yende mit Lorenzo Passerini und der Neuen Philharmonie Westfalen

Nach der Pause geht es mit Vincenzo Bellinis Norma  und dem Klassiker "Casta diva" weiter. Die Oberpriesterin und Tochter des Oberhaupts der gallischen Druiden wendet sich darin in einem Friedensgebet an die keusche Mondgöttin, fleht aber insgeheim darum, dass ihr Geliebter Pollione, der feindliche römische Prokonsul, mit dem sie zwei Kinder hat, zu ihr zurückkehrt. Yende begeistert hier mit wunderbar lyrischen Bögen und strahlenden Höhen. Das Publikum zeigt sich absolut gerührt und spendet stehende Ovationen, von denen Yende regelrecht überwältigt zu sein scheint. Danach geht es dann mit Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor weiter. Auf die große Wahnsinnsszene der Lucia hofft man allerdings vergeblich. Das wäre dann vielleicht doch zu viel für einen Opernabend gewesen. Stattdessen präsentiert Ruciński ein weiteres Glanzstück aus der Oper, Enricos Arie "Cruda, funesta smania". Hier hat Enrico gerade erfahren, dass seine Schwester Lucia Edgardo Ravenswood, den Erzfeind der Ashtons liebt. In einer expressiven Cabaletta lässt er seinem Zorn und den Rachegefühlen freien Lauf. Ruciński begeistert hier mit großartigen Läufen und baritonaler Härte, die die Wut Enricos deutlich machen. Zum Abschluss gibt es dann noch das große Duett zwischen Enrico und seiner Schwester Lucia aus dem zweiten Akt, in dem er sie mit einem gefälschten Brief dazu zwingen will, Arturo Bucklaw, einen wichtigen Verbündeten der Ashtons, zu heiraten. Auch diese große Szene wird von Yende und Ruciński in intensivem Spiel unter großartiger Ausnutzung des Platzes vor dem Orchester umgesetzt.

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"La ci darem la mano": Pretty Yende und Artur Ruziński mit viel Spaß bei der Zugabe als Zerlina und Don Giovanni

Zwischen den beiden Auszügen aus Donizettis Lucia di Lammermoor präsentiert die Neue Philharmonie Westfalen noch die Ouvertüre aus Donizettis Oper Roberto Devereux. Auch wenn das Stück relativ unbekannt ist, hört man hier mit Anspielungen auf die britische Nationalhymne bekannte Klänge. Die Neue Philharmonie Westfalen punktet unter der Leitung des agilen Dirigenten Lorenzo Passerini in den Instrumentalstücken genauso wie in der Begleitung der Arien und Duette. Natürlich lässt das Publikum nach einem solch fulminanten Abend die Beteiligten nicht einfach gehen und fordert mit stehenden Ovationen Zugaben. Die gibt es natürlich auch. Den Auftakt macht Pretty Yende mit der berühmten Arie der Rosina aus dem ersten Akt, "Una voce poco fa". Hierbei stellt Yende unter Beweis, wieso dieses Stück ein Parade-Stück für jede Koloratur-Sopranistin ist. Vom scheinbar braven Mädchen steigert sie sich in exorbitante Koloraturen und leitet mit einem zackigen "ma" dazu über, dass man sich mit dieser Frau besser nicht anlegen soll. Was Yende hier in den Höhen zelebriert, ist wirklich unglaublich und lässt das Publikum regelrecht vor Begeisterung von den Sitzen springen. Ruciński gibt solistisch zwar keine eigene Zugabe, glänzt dafür aber in einem Duett mit Yende mit großartiger Komik. Zum Abschluss hat man sich "La ci darem la mano" aus Mozarts Don Giovanni ausgesucht. Mit verführerischem Bariton will Ruciński als Don Giovanni darin Yende als unschuldiges Bauernmädchen Zerlina auf sein Schloss entführen. Yende gibt sich als Zerlina wunderbar naiv. Doch dann schreitet Passerini ein und versucht, sie zurückzuhalten. Im Folgenden entspinnt sich auf der Bühne ein regelrechter Zweikampf zwischen den beiden Männern um Yende, was von Ruciński und Passerini mit witzigem Spiel umgesetzt wird. Am Ende spielt das Orchester dann allein weiter, während die drei von der Bühne eilen. Auch für diesen großartigen Abschluss gibt es frenetischen Jubel im Saal.

FAZIT

Man weiß nicht, wie diese Operngala mit zwei Sopranistinnen geklungen hätte. Die Variante mit Sopran und Bariton und einem relativ kurzfristig gestrickten neuen Programm geht jedenfalls voll auf und wirkt wie langfristig geplant. Es bleiben keine Wünsche oder Erwartungen offen.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2024

 

Ausführende

Pretty Yende, Sopran

Artur Ruciński, Bariton

Lorenzo Passerini, Dirigent

Neue Philharmonie Westfalen

 

Programm

Giuseppe Verdi
Nabucco: Ouvertüre

Un ballo in maschera
"Alzati!... - Eri tu"
Arie des Renato

La traviata
"È strano... Sempre libera"
Arie der Violetta
Prelude 1. Akt
"Madamigella Valéry?..."
Szene und Duett Violetta - Germont

Vincenzo Bellini
Norma: Ouvertüre
"Sediziose voci... Casta diva...
Ah! Bello, a me ritorna"
Cavatina der Norma

Gaetano Donizetti
Lucia di Lammermoor
"Cruda, funesta smania"
Arie des Enrico

Roberto Devereux: Ouvertüre

Lucia di Lammermoor
"Appressati, Lucia... Se tradirmi tu potrai"
Duett Lucia - Enrico


Weitere
Informationen

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Klangvokal Dortmund
(Homepage)



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