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Klangvokal 2024 Musikfestival Dortmund 24.05.2024 - 16.06.2024
Werther in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause) Aufführung im Konzerthaus Dortmund am 9. Juni 2024, 18.00 Uhr |
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Große Gefühlswallungen im Konzerthaus Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum Jules Massenets Werther zählt neben seiner Manon zu den größten Erfolgen des französischen Komponisten. Dabei war der Weg bis zur Uraufführung ziemlich steinig. Der große Anklang, den Gounods Faust und Thomas' Mignon fanden, veranlasste Massenet, sich ebenfalls mit einem Stoff von Goethe zu beschäftigen. Seine Wahl fiel dabei auf Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther, den Massenets Verleger Georges Hartmann 1880 bei einem Besuch von Goethes ehemaligem Wohnhaus in Wetzlar dem Komponisten in der französischen Übersetzung zugesteckt haben soll. Massenet berichtet in seinen Memoiren, von dem Buch so begeistert gewesen zu sein, dass er gar nicht mehr habe aufhören können zu lesen und beschlossen habe, aus dem Stoff eine Oper zu machen. Als er das 1887 vollendete Werk dem Operndirektor der Opéra comique, Léon Carvalho, vorlegte, lehnte dieser das Stück als "zu trist" ab. In der darauf folgenden Nacht brannte die Oper ab, und Massenet hatte keine Hoffnungen mehr, das Werk in Paris herauszubringen. Die Wiener Hofoper zeigte sich interessiert, doch es sollte ganze fünf Jahre dauern, bis Werther dort am 16. Februar 1892 zur Uraufführung gelangte, allerdings in einer deutschen Übersetzung von Max Kalbeck, die dieser extra für Wien angefertigt hatte. Der Erfolg in Wien war so groß, dass das Stück ein Jahr später an der wieder aufgebauten Opéra comique herauskam, nun in der französischen Originalsprache, und dort allein bis zum Zweiten Weltkrieg über 1000 Mal gespielt wurde. Charlotte (Annalisa Stroppa) und Werther (Matthew Polenzani) Dass man in Deutschland lange Zeit mit dem Werk fremdelte, mag daran liegen, dass man es hier wie bei Gounods und Thomas' Vertonung als "Sakrileg" ansah, den großen deutschen Dichterfürsten zu verfälschen. Immerhin erlaubte sich Massenet einige Eingriffe, um aus dem Briefroman eine dramatische Oper zu machen. Während bei Goethe alle Figuren nur durch Werthers Augen gesehen werden und man folglich nie weiß, ob sie wirklich so sind, wie sie vom Erzähler beschrieben werden, entwickeln sie in der Oper eine eigene Persönlichkeit und agieren auch in Abwesenheit Werthers auf der Bühne. Charlotte fühlt sich bei Massenet durchaus zu Werther hingezogen und widersetzt sich seinem Werben und ihren innigen Gefühlen nur, weil sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett das Versprechen gegeben hat, Albert zu heiraten. Albert ist, anders als bei Goethe, kein farbloser Beamter, sondern erkennt in Werther durchaus einen Rivalen für seine Beziehung zu Charlotte. Wenn er folglich im dritten Akt Charlotte anweist, Werther für die angebliche Reise durch einen Diener die erbetenen Pistolen schicken zu lassen, gewinnt er schon fast die Züge eines klassischen Opernbösewichts. Neu bei Massenet ist die Partie von Charlottes jüngerer Schwester Sophie, die bei Goethe gar nicht vorkommt und ein leicht naives und stets gut gelauntes Gegengewicht zu den anderen Figuren bildet. Eine Szene in Goethes Roman, in der Werther und Charlotte ihre Seelenverwandtschaft über ein Gedicht Klopstocks erkennen, überträgt Massenet auf ein weiteres junges Pärchen, Brühlmann und Käthchen, die ansonsten in der Oper keine Rolle spielen. Sophie (Suzanne Jerosme, links) versucht, ihre Schwester Charlotte (Annalisa Stroppa, rechts) aufzuheitern. Dass beim Klangvokal Musikfestival in Dortmund für die konzertante Opernaufführung im Konzerthaus die Wahl auf dieses spätromantische Werk gefallen ist, mag mehrere Gründe haben. Zum einen setzt Festspieldirektor Torsten Mosgraber nach den beiden Oratorien Ève und La Vierge seine Beschäftigung mit Werken Massenets fort. Zum anderen bietet die Oper große Gefühlsregungen in opulenter Musik, die die Leiden der Titelfigur in Klangbildern einfängt, die schon fast prädestiniert wären, große Blockbuster musikalisch zu untermalen. Hinzu kommt, dass die literarische Vorlage genau vor 250 Jahren erschienen ist, die Geschichte des Werther folglich ein rundes Jubiläum feiert. Ans Pult des WDR Funkhausorchesters, das seit 2009 zahlreiche Opernproduktionen des Klangvokal Musikfestivals begleitet hat, hat man den italienischen Dirigenten Giacomo Sagripanti geholt, der hier bereits 2017 Rossinis Le comte Ory und 2022 eine Belcanto-Gala und Donizettis Caterina Cornaro geleitet hat. Außerdem wurde er für sein Dirigat des Werther an der Opéra Bastille 2016 bei den Opera Awards als bester Nachwuchsdirigent ausgezeichnet und konnte das Werk später auch in Wien einstudieren. Schlussapplaus: von links: Albert (Germán E. Alcántara), Sophie (Suzanne Jerosme), Charlotte (Annalisa Stroppa), Werther (Matthew Polenzani) mit Giacomo Sagripanti und dem WDR Funkhausorchester Schon bei den ersten Tönen des Vorspiels macht Sagripanti mit dem WDR Funkhausorchester deutlich, welche eruptive Sprengkraft in der Musik steckt. Man hat das Gefühl, dass die Katastrophe des Endes bereits vorweggenommen wird. Unheilvoll zeichnet das Orchester ein Bild des bevorstehenden Selbstmordes. Aus diesen bewegenden Klängen wird man dann relativ unvermittelt in den Beginn der Geschichte versetzt. Der Amtmann übt mit seinen Kindern im Sommer Weihnachtslieder. Was befremdlich wirkt, wird auch musikalisch mit humorvollen Tönen umgesetzt. Dazu tragen zwei kleinere Rollen bei, Schmidt und Johann, die das Unterfangen des Amtmanns kommentieren. John Heuzenroeder und Timothy Edlin überzeugen darin mit hellem Tenor und dunkel gefärbtem Bass. Edlin schlüpft anschließend auch in die kleine Partie des Brühlmann, der mit Laetitia Bihr, einem Mitglied des OpernKinderchors der Chorakademie Dortmund unter der Leitung von Elisabeth Strake den kurzen Bezug zu Klopstock herstellt. Lucas Singer interpretiert mit autoritärem Bass den recht strengen Amtmann und Charlottes Vater, der über den Gesang der Kinder zunächst sehr ungehalten ist. Der OpernKinderchor setzt die Szene sehr spielerisch um. Für die Titelpartie hat man den US-amerikanischen lyrischen Star-Tenor Matthew Polenzani verpflichtet, der die Partie bereits an nahezu allen großen Häusern gesungen hat. Mit strahlenden Höhen und leidenschaftlichem Timbre gestaltet er die Leiden des jungen Mannes. Wenn er bei seinem ersten Auftritt in "O nature pleine" noch voller Hoffnung die Schönheit der ländlichen Idylle besingt, klingt er absolut lyrisch und leicht. Wie auf Wolken schwebt er mit Charlotte zum Fest und genießt dort den Abend, der für ihn den Höhepunkt der Glückseligkeit manifestiert. Voller Innbrunst gesteht er ihr anschließend bei der Rückkehr im Mondenschein seine Liebe, wird von ihr allerdings aus seinem Liebestaumel gerissen, wenn sie ihm gesteht, Albert heiraten zu müssen. Als dann auch noch unvermittelt Alberts Rückkehr am Ende des ersten Aktes verkündet wird, bricht für ihn eine Welt zusammen. Von nun an ergeht er sich in seinem Leiden, macht Charlotte im zweiten Akt erneut Avancen, wenn sie bereits mit Albert verheiratet ist, und will für immer Abschied nehmen, bevor er beschließt, am Weihnachtsabend zurückzukehren. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist seine große Arie im dritten Akt, "Pourquoi me réveiller", in der er ein Gedicht Ossians zitiert und Charlotte erneut seine Liebe gesteht. Hier reißt Polenzani das Publikum mit leuchtenden Höhen und großer Leidenschaft regelrecht von den Sitzen. Bewegend gestaltet er auch die Sterbeszene im letzten Akt, wenn er glückselig in Charlottes Armen sein Ende findet. Annalisa Stroppa gestaltet die Partie der Charlotte mit warm-timbriertem Mezzosopran, der zu großen dramatischen Ausbrüchen fähig ist. Glaubhaft zeigt sie den inneren Kampf Charlottes, die bis zum dritten Akt relativ erfolgreich gegen ihre Gefühle für Werther ankämpft und sich unter Kontrolle halten kann. Doch dann bricht es aus hier hervor. Stroppa wechselt für den zweiten Teil nach der Pause das Kleid. Während sie im ersten Teil in einer ausladenden hellen Robe auftritt, die von einer gewissen Unnahbarkeit zeugt, trägt sie nach der Pause ein relativ schlichtes schwarzes Kleid, dessen Farbe ihre Trauer widerspiegelt. Ganz große Momente hat sie im dritten Akt, wenn sie am Weihnachtstag Werthers Briefe liest und sich ihre Gefühle für ihn endgültig eingesteht. Mit intensivem Spiel zeigt Stroppa Charlottes innere Zerrissenheit, die im Gebet Rettung sucht. Wenn es dann zum erneuten Aufeinandertreffen mit Werther kommt und er seine berühmte Arie anstimmt, möchte man fragen, welche Dame im Publikum dabei dem Werben dieses Mannes widerstehen könnte. Wenn Werther dann im letzten Akt in ihren Armen stirbt, gelingt es Stroppa auch ohne szenisches Spiel nur mit Mimik und Gestik, den Schmerz Charlottes zu zeigen. Der Kinderchor steht nun auf der Chorempore und klingt wie die Schar der Engel aus einer anderen Welt, in die Werther nun übergeht. Suzanne Jerosme stattet die Partie von Charlottes jüngerer Schwester Sophie mit einem jugendlich frischen, mädchenhaften Sopran aus und schafft es, mit ihren Auftritten das Stück aus der jeweiligen Schwermut zu reißen, in die Werthers und Charlottes Musik führt. Fast möchte man mit ihr Mitleid haben, weil sie selbst Werther gegenüber nicht abgeneigt ist und sicherlich eine gute Partie für ihn wäre, er jedoch nur Augen für ihre Schwester hat, die für ihn unerreichbar ist. Germán E. Alcántara verleiht dem Albert einen dunklen, autoritären Bass, der Charlotte gegenüber am Anfang zu großen Gefühlsregungen fähig ist, im Verlauf der Oper jedoch immer misstrauischer wird. Wenn er Werther die Pistolen bringen lässt, zeichnet Alcántara Albert absolut gefühlskalt. Das WDR Funkhausorchester taucht mit Sagripanti tief und emotionsgeladen in die Gefühlswelt Werthers ein und lässt das Publikum eine regelrechte Achterbahnfahrt der Emotionen durchleben. So gibt es am Ende begeisterten Beifall für alle Beteiligten. FAZIT Wer von diesem emotional intensiven Opernabend nicht mitgerissen wird, muss schon sehr gefühlskalt sein. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2024
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AusführendeMusikalische Leitung
WDR Funkhausorchester OpernKinderchor der Chorakademie Dortmund
Solistinnen und Solisten
Werther
Charlotte
Sophie
Albert
Le Baillli
Schmidt
Johann / Brühlmann
Käthchen
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- Fine -