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Rossini Opera Festival

Pesaro
07.08.2024 - 23.08.2024


Bianca e Falliero

Melodramma in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 40' (eine Pause)

Premiere im Auditorium Scavolini in Pesaro am 7. August 2024
(rezensierte Aufführung: 11. August 2024)


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Verbotene Liebe mit zweifelhaftem Happy End

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Zur Neueröffnung des Auditorium Scavolini, des ehemaligen Palafestival in Pesaro, ist die Wahl auf Rossinis 30. Oper Bianca e Falliero gefallen. Obwohl die insgesamt fünfte Oper, die Rossini für die Mailänder Scala komponierte, bei der Uraufführung am 26. Dezember 1819  von der Presse nur mäßig aufgenommen wurde, weil sie im musikalischen Stil schon für damalige Verhältnisse als altmodisch betrachtet wurde, erfreute sie sich beim Publikum großer Beliebtheit, so dass sie mit insgesamt 39 Vorstellungen die längste Aufführungsreihe einer Rossini-Oper im Uraufführungsjahr hatte. In den folgenden Jahren stand das Werk auch an zahlreichen Bühnen in Italien, Spanien und Portugal auf dem Spielplan, bevor es das Schicksal der meisten Opern Rossinis teilte und bis zum Beginn der Rossini-Renaissance in Vergessenheit geriet. In Rossinis Opernschaffen markiert die Oper einen Einschnitt, da es das letzte Mal war, dass Rossini innerhalb eines Jahres so viele Opern herausbrachte. In den folgenden Jahren ließ sich der Schwan von Pesaro wesentlich mehr Zeit zum Komponieren und beschränkte sich in der Regel auf eine Oper pro Jahr. Die erste moderne Wiederentdeckung fand beim Rossini Opera Festival in Pesaro 1986 im Auditorium Pedrotti mit Katia Ricciarelli als Bianca und Marilyn Horne als Falliero statt. Doch trotz der hochkarätigen Besetzung konnte sich das Werk nicht auf den Spielplänen etablieren, so dass es nur wenige weitere Aufführungen, zum Beispiel bei den Rossini-Festspielen in Pesaro (2005) und Bad Wildbad (2015), gab. Der Intendant der Frankfurter Oper Bernd Loebe, der bis zum Sommer 2024 auch Leiter der Tiroler Festspiele in Erl war, hat diese Oper 2022 in Frankfurt und anschließend auch bei den Sommerfestspielen in Erl auf den Spielplan gestellt. Erwähnenswert ist auch noch eine Studioaufnahme von Opera Rara.

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Falliero (Aya Wakizono) kehrt siegreich in die Heimat zurück.

Das Libretto von Felice Romani basiert auf der Tragödie Blanche et Montcassin von Antoine-Vincent Arnault und spielt im Venedig des 17. Jahrhunderts. Neben den Namen der Hauptfiguren änderte Romani auch den Schluss zu einem Happy End. Bianca liebt den venezianischen General Falliero, der zu Beginn der Oper siegreich aus dem Kampf gegen die spanischen Verschwörer zurückkehrt. Doch Biancas Vater Contareno befindet sich in einem Erbstreit mit Capellio und sieht eine Lösung darin, Bianca mit Capellio zu verheiraten, da dieser bereit ist, auf seine Ansprüche zu verzichten, wenn er dafür Bianca zur Frau erhält. Für Contareno ist die Beilegung der Familienfehde wichtiger als das Glück seiner Tochter, und so verbietet er ihr den Umgang mit Falliero. Als er sie zwingen will, den Ehevertrag zu unterschreiben, platzt Falliero herein und bezichtigt Bianca der Untreue. Die Hochzeit wird verschoben, und es kommt zu einem weiteren heimlichen Treffen zwischen Falliero und Bianca, bei dem Falliero allerdings in die spanische Botschaft fliehen muss und als Verräter festgenommen wird. Contareno will ihn dafür zum Tode verurteilen lassen, als Bianca vor Gericht als Zeugin auftritt und ihre Mitschuld am Aufenthalt des Geliebten in der spanischen Botschaft gesteht. Während bei Arnault dieses Geständnis zu spät kommt, Montcassin (Falliero) bereits hingerichtet worden ist und Blanche (Bianca) über dem Leichnam ihres Geliebten zusammenbricht, akzeptiert bei Romani Capellio, dass Biancas Herz ihm niemals gehören wird, und stimmt gegen eine Verurteilung. Auch der Senat befindet Falliero für unschuldig und gibt Bianca in seine Obhut. Durch Capellios Fürsprache beugt sich schließlich auch Contareno diesem Urteil und gibt seine Tochter für Falliero frei.

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Contareno (Dmitry Korchak) will Bianca (Jessica Pratt) zwingen, Capellio zu heiraten.

Das Regie-Team um Jean-Louis Grinda legt die Inszenierung relativ zeitlos an, was sich unter anderem in den größtenteils modernen Kostümen von Rudy Sabounghi, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, widerspiegelt. Wieso am Anfang das Volk in feiner Abendgarderobe mit schicken Hüten auf einer riesigen Leinwand Nachrichten über eine Kriegsberichterstattung verfolgt, erschließt sich nicht wirklich. Ob dadurch der Jubel des Volkes über die Aufdeckung der angezettelten Verschwörung gegen Venedig deutlich wird, ist Ansichtssache, da in den Videoeinspielungen jedweder Bezug zu Venedig fehlt, während im weiteren Verlauf der Oper im Hintergrund ein pittoresker Panoramablick auf die Lagunenstadt projiziert wird. Hohe verschiebbare Wände ermöglichen monumental wirkende hohe Räume, die die verschiedenen Orte der Handlung im Gegensatz zu den Kostümen eher klassisch erscheinen lassen. Wieso Grinda in den Notizen zur Inszenierung im Programmheft betont, dass es ihm wichtig sei, dass die Umbauten auf offener Bühne vor den Augen des Publikums erfolgen, wird nicht klar. Wahrscheinlich ist es eher den Bühnengegebenheiten im Auditorium Scavolini geschuldet, dass man die Umbauten nicht hinter herabgelassenem Vorhang durchführt und den Abend mit den dadurch notwendigen Pausen noch länger werden lassen will, als er schon ist.

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Happy End mit Fragezeichen: von links: Bianca (Jessica Pratt), Contareno (Dmitry Korchak), Falliero (Aya Wakizono), Costanza (Carmen Buendía), Capellio (Giorgi Manoshvili), dahinter der Chor

Dem glücklichen Ende vertraut Grinda nicht wirklich. Daher lässt er es in der Inszenierung offen, ob der Schluss real ist. Falliero, Capellio und Contareno erstarren mehr oder weniger am Ende beim Rampensingen, während Bianca bei dem großartigen Schluss-Rondo nahezu entrückt ein Bühnenelement besteigt und in den Hintergrund geschoben wird. Unklar bleibt auch die Rolle der alten Frau, die Grinda in die Inszenierung einführt und deren Nähe Bianca mehrere Male im Stück sucht, dabei von ihr aber stets kühl zurückgewiesen wird. Handelt es sich dabei um Biancas Mutter, die im Stück eigentlich nicht vorkommt? Immerhin nähert sich auch Contareno ihr  einmal, um sie zu küssen, was von ihr aber ebenfalls mit einer recht ablehnenden Haltung kommentiert wird. Beim Finale des ersten Aktes bricht sie in der allgemeinen Konfusion zusammen. In Biancas großer Szene im zweiten Akt imitiert sie Biancas Bewegungen und geht gemeinsam mit ihr zu Boden, so dass man an dieser Stelle auch auf die Idee kommen kann, dass sie als Alter Ego Biancas aus späteren Jahren fungiert.

Ansonsten folgt Grinda in der Personenregie recht nah der Geschichte und bleibt dem Werk treu. Auch musikalisch bewegt sich der Abend auf hohem Niveau. Einiges klingt musikalisch bekannt, da Rossini einzelne Passagen aus früheren Opern übernommen oder in spätere eingefügt hat. Am bekanntesten dürfte dabei das große Schlussrondo Biancas sein, das er bereits in der im gleichen Jahr für Neapel komponierten La donna del lago verwendet hat, und ein Teil der Ouvertüre. Roberto Abbado führt das Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai mit sicherer Hand durch die farbenreiche Partitur, lotet die zahlreichen romantischen Bögen mit großer Intensität aus und lässt das Orchester in den dramatischen Passagen sehr beherzt aufspielen. Der von Giovanni Farina einstudierte Coro del Teatro Ventidio Basso überzeugt durch große Spielfreude und beeindruckt vor allem im Finale des ersten Aktes in den punktgenau angesetzten schnellen Läufen.

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Hat ihre Liebe eine Chance? Bianca (Jessica Pratt) und Falliero (Aya Wakizono)

Die Solistinnen und Solisten lassen ebenfalls keine Wünsche offen. Jessica Pratt gestaltet die Partie der Bianca mit glasklaren Koloraturen und enormer Beweglichkeit in den Läufen. Während sie in ihrer ersten Kavatine, wenn sie sehnsüchtig auf die Rückkehr Fallieros wartet, noch wie ein naives kleines Mädchen wirkt, was Pratt sowohl stimmlich als auch darstellerisch glaubhaft zum Ausdruck bringt, entwickelt sie sich mit großer Dramatik in der Stimme zu einer selbstbewussten Frau, die für ihren Geliebten Falliero am Ende alles wagt und gewinnt. Im finalen Rondo kann Pratt noch einmal ihre vokalen Fähigkeiten unter Beweis stellen und begeistert mit stupender Flexibilität in der Stimme. Aya Wakizono verfügt als Falliero über einen farbigen Mezzosopran, dem allerdings ein bisschen die virile Note fehlt. In den dramatischen Ausbrüchen in den Höhen kann sie mehr überzeugen als in der dunklen Mittellage. In den schnellen Läufen zeigt sie wie Pratt enorme Flexibilität. Zu erwähnen ist hier vor allem ihre Arie im zweiten Akt, in der Falliero sich aufgegeben hat, weil er glaubt, dass seine Geliebte Bianca den Rivalen Capellio geheiratet habe.

Ein weiterer Glanzpunkt des Abends ist Dmitry Korchak als Contareno, auch wenn seine Figur im Stück nicht gerade ein Sympathieträger ist. Mit Bravour meistert er die anspruchsvolle Partie, die Korchak neben Ausflügen in stupende Höhen, die er kraftvoll meistert, auch ein umfangreiches Volumen in der Mittellage abverlangt. So gelingt es ihm in seiner großen Arie im ersten Akt, in der er seine Tochter erst zwingen will, seinem Befehl Folge zu leisten, und dann an ihr Mitgefühl für seine auswegslose Situation appelliert, mit variabler Stimmführung die Manipulationsfähigkeit dieses durch und durch unsympathischen Charakters glaubhaft zu machen. Von daher ist es in der Personenregie konsequent, ihn relativ unbeteiligt seinen Umschwung zum Guten am Ende der Oper interpretieren zu lassen. Giorgi Manoshvili gestaltet die Partie des verschmähten Liebhabers Capellio mit markantem Bass, der in den Läufen ebenfalls große Flexibilität zeigt. Auch die kleineren Partien sind mit Carmen Buendía als Biancas Vertrauter Costanza, Nicolò Donini als Dogen, Dangelo Díaz als Cancelliere und Claudio Zazzaro in der Doppelrolle als Ufficiale und Usciere gut besetzt.

FAZIT

Die Aufführung arbeitet die musikalischen Perlen, die in Rossinis selten gespielter Oper stecken, eindrucksvoll heraus und bleibt auch in der Regie der Geschichte im Großen und Ganzen treu.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roberto Abbado

Regie
Jean-Louis Grinda

Bühnenbild und Kostüme
Rudy Sabounghi

Licht
Laurent Castaingt

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai

Statisterie


Solistinnen und Solisten

Priuli
Nicolò Donini

Contareno
Dmitry Korchak

Capellio
Giorgi Manoshvili

Falliero
Aya Wakizono

Bianca
Jessica Pratt

Costanza
Carmen Buendía

Ufficiale / Usciere
Claudio Zazzaro

Cancelliere
Dangelo Díaz

 


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