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Rossini Opera Festival

Pesaro
07.08.2024 - 23.08.2024


Il barbiere di Siviglia

Commedia in zwei Akten
Libretto von Cesare Sterbini
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Wiederaufnahme-Premiere in der Vitifrigo Arena in Pesaro am 10. August 2024
(Premiere der Produktion: 13.08.2018)


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Rossini Opera Festival

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Staubfreier Klassiker

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)

Da Pesaro in diesem Jahr Kulturhauptstadt ist, soll dieser Auszeichnung auch beim Rossini Opera Festival Tribut gezollt werden. Im Gegensatz zu den anderen Jahren stehen deshalb dieses Mal vier szenische Opernproduktionen auf dem Programm, und so gibt es neben zwei Neuproduktionen zwei Wiederaufnahmen von Inszenierungen aus den vergangenen Jahren. Dem feierlichen Anlass entsprechend hat man dabei natürlich nach einem besonderen Highlight gesucht, und die Wahl ist - zu Recht - auf den "Klassiker" Il barbiere di Siviglia in der Inszenierung von Pier Luigi Pizzi aus dem Jahr 2018 gefallen. Zum einen handelt es sich bei der Oper um Rossinis wohl bekanntestes Werk, das seit seiner Uraufführung am 20. Februar 1816 im Teatro Torre Argentina in Rom als einzige Oper Rossinis zu keiner Zeit aus dem Repertoire der Musiktheaterbühnen verschwunden ist und somit für ein breiteres Publikum, das über die Rossini-Fans hinausgeht, eine Verbindung zum Geburtsort des Komponisten im Kulturhauptstadtjahr herstellt. Zum anderen ist die Inszenierung von Pier Luigi Pizzi herrlich klassisch unverstaubt, dass Opernpuristen hier voll auf ihre Kosten kommen und auch Anhänger des modernen Regietheaters kaum vergrault werden können. Dabei war die Entscheidung für die Inszenierung damals relativ kurzfristig gefallen. Eigentlich wollte man 2018 eine alte Inszenierung von Luca Ronconi aus dem Jahr 2005 wieder aufnehmen, entschied sich aber nach Pizzis großem Erfolg mit La pietra del paragone im Jahr 2017 dazu, den Regisseur für einen neuen Barbiere zu verpflichten.

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Almaviva (Jack Swanson, Mitte) dringt als verkleideter Soldat bei Bartolo (Carlo Lepore, 2. von links) ein (auf der linken Seite: Michele Pertusi als Basilio, mittig: Andrzej Filonczyk als Figaro, auf der rechten Seite von links: Maria Kataeva als Rosina und Patrizia Biccirè als Berta).

Pizzi gelingt es, auf moderne Regietheater-Mätzchen zu verzichten und dem Stück treu zu bleiben, ohne dass die Geschichte dabei museal oder langweilig wirkt. Dabei zeichnet er auch für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich. Für den ersten Akt hat er zwei Häuserfronten in heller Farbe konzipiert, die die Bühne auf beiden Seiten einrahmen. Der erste Stock ist jeweils mit einem Balkon verziert. Auf der rechten Seite wohnt Bartolo mit seinem Mündel Rosina. Die linke Seite hat wohl der Graf Almaviva gemietet, um der von ihm verehrten jungen Dame nahe zu sein. Ein Springbrunnen vor der Häuserfront auf der rechten Seite bietet den Solisten zu Beginn eine willkommene Abkühlung. Figaro steigt sogar bei seiner Auftrittsarie hinein und nimmt ein Bad. Im weiteren Verlauf des ersten Aktes werden die Häuserfronten nach links verschoben, und das Publikum erhält Einblick in Bartolos Haus, das ebenfalls mit sehr hellen Möbeln ausgestattet ist. Rosina bietet in den unterschiedlichen pastellfarbenen Kleidern, in denen sie auftritt, einen wunderbaren Blickfang. Dass der Umbau teilweise während ihrer berühmten Arie "Una voce poco fa" stattfindet, stört nicht weiter, da sie den ersten Teil aus dem Balkonfenster im ersten Stock singt.

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Figaro (Andrzej Filonczyk, links) "rasiert" Bartolo (Carlo Lepore, Mitte) (dahinter: Armando de Ceccon als Ambrogio).

Im zweiten Akt nach der Pause wird die Bühne verkleinert und gewährt nur noch den Blick auf den großen hellen Raum in Bartolos Haus. Die Fenster im Hintergrund, die in der oberen Ebene neu hinzugekommen sind, dienen lediglich dazu, den Sturm durch Lichteffekte zu verdeutlichen. In diesem Ambiente lässt Pizzi die Solistinnen und Solisten feinste Komödie spielen. Besonders witzig ist Almavivas Auftritt im zweiten Akt als vermeintlicher Musiklehrer Don Alonso. Über die Knie hat er längliche Schuhe gespannt, auf denen er um einiges kleiner in das Zimmer rutscht und unterwürfig seine Dienste anbietet. So wirkt es zumindest teilweise glaubwürdig, dass Bartolo Almaviva nicht als den angetrunkenen Soldaten aus dem Finale des ersten Aktes wiedererkennt, auch wenn Rosina sofort weiß, um wen es sich bei Don Alonso handelt. Als Musiklehrer kommt Almaviva nicht allein in Bartolos Haus, sondern hat seinen Gehilfen Fiorello mitgebracht, der mit ausladendem Spiel und herrlicher Komik Rosinas Arie am Cello begleitet. Auch die stumme Rolle des Ambrogio wird durch das intensive Spiel von Armando de Ceccon herrlich aufgewertet. Mit großartiger Mimik und herrlich rhythmischen Bewegungen zur Musik wird er ein unverzichtbarer Teil der Inszenierung, was dann in Bertas Sorbetto-Arie gipfelt, wenn sie dem Kollegen recht unverblümt an die Wäsche geht und er entsetzt Reißaus nimmt.

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Auftritt Figaro (Andrzej Filonczyk)

Auch musikalisch begeistert der Abend auf ganzer Linie. Da ist zunächst das Orchestra Sinfonica G. Rossini zu nennen, das unter der Leitung von Lorenzo Passerini den Schwung und die Spritzigkeit der Partitur mit viel Elan herausarbeitet und mit den großen Klassikern des Stückes musikalisch zum Schwelgen einlädt. Der von Giovanni Farina einstudierte Coro del Teatro Ventidio Basso zeigt sich spielfreudig und versprüht große Komik, wenn die Herren beispielsweise zu Beginn der Oper als Musiker auf Almavivas Entlohnung warten und sich dann wild auf die beiden Geldbeutel stürzen, die Almaviva lässig vom Balkon des ersten Stockes herunterwirft. Die Titelpartie ist mit Andrzej Filonczyk großartig besetzt, auch wenn er bei der berühmten Auftrittsarie des Figaro, "Largo al factotum", noch ein wenig nervös zu sein scheint und etwas polternd klingt. Dies legt er im weiteren Verlauf ab und begeistert mit kräftigem, sauber geführtem Bariton und flexiblen Läufen, so dass man ihm den Lebenskünstler darstellerisch zu jeder Zeit abnimmt. Im Zusammenspiel mit den übrigen Protagonisten zeigt er, dass er als Drahtzieher die Fäden in der Hand hält, auch wenn die von ihm geschmiedeten Pläne eigentlich nie aufgehen. Besonderen Witz entfacht er auch im zweiten Akt, wenn er die beiden Liebenden mit seinen Einwürfen beim Terzett immer wieder zur Eile drängt.

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Rosina (Maria Kataeva) singt für "Don Alonso" (Jack Swanson, links) die Arie aus der "vergeblichen Vorsicht", währen Bartolo (Carlo Lepore, rechts) dabei einschläft (im Spiegel: William Corrò als Fiorello).

Maria Kataeva legt die Partie der Rosina sehr kokett und verführerisch an. Dabei verfügt sie über einen dunkel gefärbten Mezzosopran, der sich in den Koloraturen durch große Flexibilität auszeichnet und in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Ihre große Auftrittsarie "Una voce poco fa", in der sie ihre Liebe zu "Lindoro"  besingt, lässt sie einerseits als träumerisch verliebtes junges Mädchen erscheinen. Andererseits zeichnet sie das scharf angesetzte "ma" gleichzeitig als selbstbewusste und willensstarke Frau aus, mit der man sich lieber nicht anlegen sollte und die es auch versteht, sich gegen ihren herrischen Vormund Bartolo zur Wehr zu setzen. Bei dem Lied aus der "vergeblichen Vorsicht" ("L'inutile precauzione") punktet sie mit flexiblen Läufen und mädchenhaftem Spiel. Carlo Lepore begeistert in der Partie des Bartolo mit komödiantischem Buffo-Talent und profundem Bass. Ein Höhepunkt in seiner großen Arie "A un dottor della mia sorte" sind die schnellen Parlando-Stellen, die Lepore mit einer Geschwindigkeit und Präzision meistert, dass einem schon beim Zuhören schwindelig werden kann. So simuliert er auch am Ende der großen Arie einen kleinen Zusammenbruch und darf auf der Bühne liegen, während der Applaus aus dem Publikum für diese Darbietung nicht enden will. Auch in der kleinen Arie im zweiten Akt, in der er nach Rosinas Vortrag, bei dem er eingeschlafen ist, seinen eigenen Musikgeschmack erklärt, punktet Lepore mit großartiger Komik, wenn er beispielsweise den Anfang im Falsett ansetzt.

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Almaviva (Jack Swanson mit dem Herrenchor) bei seiner Auftrittskavatine

Eine besondere Herausforderung für jede Aufführung, bei der man auf die Schlussarie "Cessa di più resistere" nicht verzichten will, ist die Besetzung des Conte d'Almaviva. Jack Swanson verfügt für die Partie über eine strahlende Stimme mit tenoralem Schmelz, mit der er sich gleich in seiner Auftrittskavatine "Ecco, ridente in cielo" unter dem Fenster der Geliebten als leidenschaftlicher Verführer präsentiert. In den schnellen Läufen stößt Swanson allerdings dabei ein wenig an seine Grenzen. Glänzen kann er dann mit lyrischen Bögen in der kleinen Canzone "Se il mio nome saper voi bramate", mit der er dann schließlich auch Rosina für einen kurzen Moment auf den Balkon locken kann. Einen weiteren Höhepunkt stellt das Duett mit Filonczyk im ersten Akt dar, wenn Figaro gegen eine reiche Belohnung seine Hilfe für die Eroberung der jungen Dame anbietet. Die beiden Verkleidungen meistert Swanson mit großartiger Komik und kann Rosina auch schnell wieder von seiner Liebe überzeugen, nachdem sie sich von ihm verraten geglaubt hat. Die große Schlussarie hatte Rossini bei der Uraufführung dem berühmten spanischen Tenor Manuel García in die Kehle gelegt, so dass das Werk ursprünglich sogar den Titel Almaviva o sia L'inutile precauzione trug. In den meisten Aufführungen an Stadttheatern wird diese Nummer gestrichen, da sie inhaltlich entbehrlich ist und extreme Herausforderungen an den jeweiligen Sänger stellt. Beim Rossini-Festival ist es natürlich undenkbar, auf diese Nummer zu verzichten. Swanson meistert sie mit strahlenden Höhen, auch wenn in den Läufen die gleichen kleinen Abstriche zu machen sind wie in der Auftrittskavatine.

Michele Pertusi schlüpft wie bereits vor sechs Jahren in die Partie des intriganten Musiklehrers Basilio und punktet mit markantem Bassbariton und komischem Spiel. Seine berühmte Arie "La calunnia è un venticello" avanciert zu einem weiteren musikalischen Glanzpunkt des Abends. Wie Pertusi aus dem lauen Lüftchen, als das die Verleumdung beginnt, mit kräftigem Bass einen orkanartigen Sturm entfacht, ist großartig. Herrlich setzt er auch Basilios unerwartetes Auftauchen im zweiten Akt in Szene, wenn sich Almaviva als vermeintlicher Ersatz für ihn Bartolos Vertrauen erschlichen hat. Wenn er sich nach der Bestechung durch den Grafen verabschiedet und mit einem letzten "Buona sera" zurückkommt, weil er seinen Hut vergessen hat, zeigt er, dass er stets unberechenbar bleibt. Auch die kleinen Rollen sind mit Patrizia Biccirè als Berta und William Corrò als Fiorello und Ufficiale sehr gut besetzt, so dass es verdienten Beifall für alle Beteiligten gibt, in den sich unter großem Jubel auch Pizzi am Schluss einreiht.

FAZIT

Dieser Abend ist nicht nur musikalisch und szenisch ein Hochgenuss, sondern auch eine hervorragende Visitenkarte für Pesaro als Kulturhauptstadt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lorenzo Passerini

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Pier Luigi Pizzi

Mitarbeit und Licht
Massimo Gasparon

Chorleitung
Giovanni Farina



Coro del Teatro Ventidio Basso

Orchestra Sinfonica G. Rossini

Statisterie


Solistinnen und Solisten

Il Conte d'Almaviva
Jack Swanson

Bartolo
Carlo Lepore

Rosina
Maria Kataeva

Figaro
Andrzej Filonczyk

Basilio
Michele Pertusi

Berta
Patrizia Biccirè

Fiorello / Ufficiale
William Corrò

Ambrogio
Armando de Ceccon

 


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