Unbekannter früher geistlicher Rossini
Von Thomas Molke
/ Fotos: © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)
Neben dem umfangreichen Opernschaffen des Schwans von Pesaro widmet man sich
beim Rossini Opera Festival auch immer wieder Rossinis übrigen
Kompositionen, die neben einigen Kantaten auch geistliche Werke
umfassen. In dem Jahr, in dem Pesaro Kulturhauptstadt ist, hat man eine ganz
besondere Rarität ausgegraben, die beim Festival als "moderne Weltpremiere"
gefeiert wird: Rossinis Messa di Ravenna. Bei diesem um
1808 komponierten Frühwerk handelt es sich wahrscheinlich um das erste
Auftragswerk des jungen Komponisten, noch bevor er mit seinem Opernerstling
La cambiale di matrimonio 1810 die Opernbühne in Venedig betrat. Rossinis
Familie war zu dieser Zeit eng mit dem Großgrundbesitzer Agostino Triossi
befreundet, der als Förderer des jungen Talentes wahrscheinlich auch daran
beteiligt war, dass Rossini den Kompositionsauftrag für eine Messe in Ravenna
erhielt. Vermutlich wurde die Messe erstmalig am 24. Juni 1808 in der Kirche San
Giovanni Battista in Ravenna gespielt. Laut Zeitungsberichten soll es mit großem
Erfolg
weitere Aufführungen in unterschiedlichen Kirchen gegeben haben, bevor sie in
Vergessenheit geriet. 1869 fand man in einem Second-Hand-Buchladen eine Kopie der Messe,
die am 28. März 1869 im Dom von Ravenna dargeboten wurde. Allerdings war die
Kopie unvollständig. Es fehlten drei Zeilen aus dem "Gloria", so dass die Lücke
mit einem Duett aus Rossinis Oper L'equivoco stravagante geschlossen
wurde. Ferdinando Sulla hat nun in anderen Archiven geforscht und mit weiteren
Funden die Messe wieder so zusammengesetzt, wie sie wahrscheinlich 1808 in Ravenna gespielt
worden ist. Diese Fassung ist nun erstmals beim Rossini Opera
Festival im Teatro Rossini zu erleben.
von links: Jorge Juan Morat, Tianxuefei Sun und
Alejandro Baliñas, dahinter: Coro del Teatro della Fortuna
Ähnlich wie Rossinis 1820 komponierte Messa di Gloria folgt
auch die Messa di Ravenna der dreigliedrigen Struktur von "Kyrie-Gloria-Credo" und vertont damit die
ersten drei Teile der lateinischen Messe. Anders als die Messa di
Gloria ist sie aber nur für Männerstimmen komponiert und
umfasst zwei Tenöre und einen Bass als Solopartien neben dem Herrenchor. Das
"Gloria" ist in sechs Abschnitte unterteilt, während das "Kyrie" und
"Credo" für sich allein stehen. Wenn das Filarmonico Gioachino Rossini unter der
musikalischen Leitung von Ferdinando Sulla beginnt, hat man zunächst den Eindruck, es handele
sich um eine klassische Opernintroduktion, und man findet das Theater als
Aufführungsort mehr als passend. In den leichten, schnellen Läufen spürt man
bereits den jugendlichen Charme eines jungen Komponisten, der mit seinen Werken
einmal die Opernwelt erobern wird. Umso überraschender kommt dann das vom Chor
angesetzte "Kyrie eleison", in das die beiden Tenöre mit einstimmen. Das
folgende "Christe eleison" übernehmen die beiden Tenöre im
Wechselgesang, bevor sich
Chor und Solostimmen im anschließenden "Kyrie eleison" wieder vereinen.
Schlussapplaus: von links: Jorge Juan Morata,
Tianxuefei Sun, Alejandro Baliñas, Ferdinando Sulla und Mirca Rosciani,
dahinter: Coro del Teatro della Fortuna
Beim "Gloria" stimmt dann auch der Solo-Bass mit ein. Die
einzelnen Abschnitte des "Gloria" werden dann zwischen den beiden Tenören, dem
Bass und dem Chor aufgeteilt. "Laudamus" und "Qui tollis" wird vom ersten Tenor
vorgetragen. Diese Partien sind relativ hoch angesetzt, so dass man vermuten
kann, dass dieser Part damals vielleicht von einem Kastraten gesungen wurde. Jorge
Juan Morata hat mit den hohen Passagen dabei sehr zu kämpfen und muss stark
forcieren. Das "Gratias - Domine Deus" geht dann an den zweiten Teno
und hat
fast eine baritonale Färbung. Tianxuefei Sun begeistert dabei mit
kraftvollem, dunkel angesetztem Tenor und bildet auch im ersten Teil beim
"Christe eleison" einen angenehmen Kontrast zum ersten Tenor. Das "Quoniam" ist
dann dem Bass vorbehalten. Alejandro Baliñas gestaltet diesen Abschnitt
mit profunden Tiefen. Zum Abschluss beim "Cum Sancto Spirito" greift dann auch
der von Mirca Rosciani homogen einstudierte Coro del Teatro della Fortuna wieder
ins Geschehen ein und bringt den zweiten Teil zu einem würdigen Abschluss.
Zum Abschluss folgt dann noch von allen das "Credo". Auch hier
begeistert Rossinis Partitur durch eine spielerische Leichtigkeit. Vielleicht
hätte das Werk in einer Kirche aufgrund der anderen Akustik einen ernsteren und
erhabeneren Eindruck gemacht. So verlässt man nach gut einer Stunde beschwingt
den Saal wie nach einer lustigen Rossini-Farsa.
FAZIT
Musikalisch kann auch der "geistliche" Rossini nicht leugnen, dass seine Musik
eigentlich für das Theater geschaffen ist.
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Ausführende
Musikalische Leitung
Ferdinando SullaChorleitung
Mirca Rosciana
Coro del Teatro della Fortuna
Filarmonica Gioachino Rossini
Solistinnen und Solisten
Tenor
Jorge Juan Morata
Tianxuefei Sun
Bass
Alejandro Baliñas
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