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Pferd frisst Hut

Musikalische Komödie nach dem Schauspiel Un chapeau de paille d'Italie (Der Florentiner Hut) von Eugène Labich
Libretto von Sabine Zwach (Liedtexte von Herbert Grönemeyer)
Musik von Herbert Grönemeyer
Arrangement von Thomas Meadowcroft

In deutscher Sprache mit englichen Übertiteln, Liedtexte mit deutschen und englischen Übertiteln

Dauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Eine Produktion des Theaters Basel in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin

Premiere bei der Ruhrtriennale am 11. September 2024 in der Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord
(Premiere dieser Produktion am Theater Basel am 5.11.2023)

Logo: Ruhrtriennale 2024

Herr Grönemeyer bittet zur Operette

von Stefan Schmöe / Fotos © Thomas Aurin

Das Pferd knabbert einen florentinischen Strohhut an. Unglücklicherweise hat die Besitzerin ihn in einer, nun ja, pikanten Situation abgelegt und benötigt umgehend Ersatz, damit ihr eifersüchtiger Ehemann nichts von ihren Eskapaden erfährt. Einen Schadensersatzanspruch, den ihr Liebhaber, ein Polizist, quasi mit Amtsgewalt unterstreicht. Der Besitzer des Pferdes will ja durchaus den Schaden begleichen, befindet sich allerdings gerade auf dem Weg zur eigenen Hochzeit. Und so beginnt eine aberwitzige Jagd nach einem Ersatzhut, die Hochzeitsgesellschaft im Schlepptau. Sabrina Zwach hat die flotte Komödie Un chapeau de paille d'Italie (Der Florentinerhut) von Eugène Labiche aus dem Jahr 1851 für das Theater Basel neu übersetzt und zu einer Operette überarbeitet. Die Musik dazu hat Herbert Grönemeyer komponiert - und der ist bekanntlich in 4630 Bochum aufgewachsen und dem Ruhrpott verbunden. Wenn das kein Grund ist, die Produktion auch bei der Ruhrtriennale zu zeigen! Allerdings nicht in Bochum, sondern in der Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg.

Vergrößerung in neuem Fenster Pferdebesitzer und Bräutigam Fadinard hat Mühe, seine Braut Hélène zu beruhigen, während im Hintergrund Polizist Emile Tavernier auf die Beschaffung eines Ersatzhuts drängt

Herbert Fritsch inszeniert die gut geölte Tür-auf-Tür-zu-Komödie im Slapastick-Modus als völlig überdrehte Groteske. Das Bühnenbild (Herbert Fritsch, Mitarbeit Oscar Mateo Grunert) besteht aus einem aus den Fugen geratenen Guckkasten mit diversen Türen an den Seiten (die erahnbar ins Nichts führen) und einer Treppe zu einer Drehtür hinauf am Kopfende. Das funktioniert für alle Orte der Handlung gut und deckt die Mechanismen der Komödie auf. Dabei sind sich Fritsch und Librettistin Zwach für kein noch so albernes Wortspiel zu schade, ganz im Gegenteil. Eine schlechte Pointe reiht sich an die nächste, und das ist ganz wunderbar so. Fritsch wartet nie auf einen Lacher, sondern rast weiter. Der Text (der noch verständlicher gesprochen werden dürfte) rattert mit allen Abgründen und Untiefen durch. Dabei sind auch die Ruhepunkte mit genauem Gespür für das richtige Timing ausinszeniert. In den manierierten Bewegungen (jede Figur hat ihr spezifisches Bewegungsmuster) herrscht ebenfalls höherer Blödsinn vor. Wie nebenbei baut Fritsch noch so manches Filmzitat ein. Kurz: Es ist hochgradig albern. Aber der Wahnsinn hat Methode.

Vergrößerung in neuem Fenster Fadinard mit Braut, Brautvater und Hochzeitsgesellschaft

Herbert Grönemeyer hat eine Musik in Anlehnung an die Revue-Operette der 1920er-Jahre komponiert, ein bisschen weniger gefällig und mit der ironischen Distanz eines Jahrhunderts. Thomas Meadowcroft hat diese Musik für großes Symphonieorchester arrangiert. Der spezifische Sound der Grönemeyer-Songs schimmert bestenfalls ganz selten ein kleines bisschen durch - wer als Grönemeyer-Fan anreist, wird wohl enttäuscht sein. Ganz große Kunst ist die Partitur sicher nicht geworden, aber eine praktikable Gebrauchsmusik in farbiger, satter Instrumentation. Die recht schlichte Melodik erinnert mitunter an kreuzbrave Etüden, vom satten Bläsersound mächtig aufgepeppt. Nicht alle Nummern sind gleich gut geraten, und bei den schwächeren nervt der holprige Text der Gesangsnummern (von Grönemeyer verfasst), in verunglückten Formulierungen oft die falschen Silben betonend. Die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Thomas Wise lassen bei der Umsetzung keine Wünsche offen.

Vergrößerung in neuem Fenster Ein Hauch von Mary Poppins: Hélène, die Braut

Auf der Bühne wird brillant gesprochen, gespielt, gestolpert - und gesungen. Ein solches Ensemble, wo jede und jeder eigentlich alles kann, ist ein Phänomen für sich. In der Hauptrolle des eloquenten und charmanten Pferdebesitzers Fadinard brilliert Christopher Nell, der (als einziger) hin und wieder stimmlichen Eigenarten Herbert Grönemeyers andeutet und gleichzeitig liebevoll karikiert. Sopranistin Cécilia Roumi gibt seine Braut mit Dauerübelkeit, Hubert Wild (Schauspieler, Bariton, Countertenor, bei Bedarf auch formidabler Pianist auf der Bühne) den hinterwäldlerischen Brautvater (den das Theater Basel dem Dialekt nach eindeutig auf der anderen Seite des Rheins in badischen Gefilden angesiedelt hat). Mezzosopranistin Jasmin Etezadzadeh wird mit angeklebtem Bart als Cousin Bobin beinahe Ersatzbräutigam. Sarah Bauerett erinnert sich als von Fadinard verlassene Diva im schlechtesten Moment an dessen nicht eingehaltenes Eheversprechen. Und so weiter. Alle auf der Bühne sind großartig, die Sängerinnen und Sänger des Chors des Theaters Basel eingeschlossen.

Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble

Türen gehen auf und zu (oft schmerzreich für die Person, die davor steht), Wörter aus dem Französischen werden um die Wette verballhornt, schlüpfrige Versprecher nach Belieben eingestreut. Daraus entsteht völliger Nonsens. Das klassische, fast schon ausgestorbene Boulevardtheater wird gleichermaßen zerlegt wie gefeiert. Dreieinhalb Stunden sind dafür insgesamt zu lang, es dürfte ruhig hier und da und auch dort gekürzt werden, angefangen bei der zu langen Ouvertüre. Wobei das vielleicht bildungsbürgerliche Einwände sind, die der Abend locker weglacht. In einer besonders absurden Szene wird Fadinard irrtümlich für einen angeblich italienischen Tenor gehalten und muss, begleitet vom angehenden Schwiegervater, ein Ständchen geben. Das Ergebnis klingt verdächtig nach vermeintlich "moderner" Musik. Herbert Fritsch inszeniert aber auch das nicht als schnellen Gag, sondern lässt die Situation im offenen Schwebezustand: Niemand weiß so recht, was davon zu halten ist. Im besten Sinne komisch ist dieses Bürgertum mit seinen ungeschriebenen Regeln und Gesetzen, die hier unweigerlich ins Chaos führen, aber allemal.


FAZIT

Pferd frisst Hut ist ein absurdes Nonsens-Spektakel, für das Herbert Grönemeyer eine Musik geschrieben hat, die nicht nach Herbert Grönemeyer klingt. Von einem brillanten Ensemble wird man ziemlich gut unterhalten.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Wise

Inszenierung und Bühnenbild
Herbert Fritsch

Mitarbeit Bühnenbild
Oscar Mateo Grunert

Kostümbild
Geraldine Arnold

Licht Design
Cornelius Hunziker

Arrangeur
Thomas Meadowcroft

Dramaturgie
Roman Reeger




Chor des Theaters Basel

Bochumer Symphoniker


Solisten

Fadinard
Christopher Nell

Nonancourt
Hubert Wild

Emile Tavernier / Baronin von Champigny
Florian Anderer

Tardiveau / Beauperthuis
Klaus Brömmelmeier

Vezinet / Baronin von Champigny
Gottfried Breitfuss

Clara
Sarah Bauerett

Bobin
Jasmin Etezadzadeh

Anais
Nanny Friebel

Felix
Julius Engelbach

Maurice
Jonathan Fink

Hélène
Cécilia Roumi

Virgine
Pia Dembinski


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