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Verschlungene Wege zu Schönberg
Von Stefan Schmöe / Fotos von Werner Häußner ( Klavier-Festival Ruhr)
Ein Scheinwerfer scheint sie zu stören, aber als niemand auf ihr Zeichen reagiert, fängt Elisabeth Leonskaja fast unvermittelt an zu spielen. Ohne Zögern stürzt sie sich in Alban Bergs Sonate op. 1, veröffentlicht 1910 als einsätziges Werk - zur Komposition von zwei ursprünglich geplanten Sätzen kam es nie. "Nun, dann haben Sie eben alles gesagt, was zu sagen war", soll Arnold Schönberg kommentiert haben. An der Schnittstelle zwischen Romantik und Moderne folgt das Werk noch der traditionellen Sonatensatzform, aber Leonskaja hebt eher das ungezügelte, nach neuen Klangräumen suchende Moment hervor. Die Interpretation klingt sehr frei, beinahe wie eine Improvisation, bei der die musikalischen Gedanken wie nebenbei auftauchen, sich mit großer Emphase entwickeln und wieder vergehen. Dabei betont die Pianistin die motivischen Keimzellen mit Nachdruck und schafft dadurch Zusammenhänge eher auf kleinem Raum als in der architektonischen Großform. Sie verbindet Bergs jugendlichen Übermut dieses Opus' 1 mit abgeklärter wie altersweiser Weitsicht auf das Werk. Eine romantische Melancholie zeigt sich vor allem dann, wenn Phrasen zart ausklingen.
Elisabeth Leonskaja
Auch die fis-Moll-Sonate op. 2 von Johannes Brahms, obwohl der Bezeichnung nach die Nummer zwei, ist ein Erstlingswerk, früher komponiert als die als Nr. 1 bezeichnete Sonate C-Dur (die aber zuerst uraufgeführt wurde und deshalb als op. 1 geführt wird). Brahms war 19, als er das Clara Schumann gewidmete Werk komponierte (zum Vergleich: Berg begann vermutlich im Alter von 22 mit der Arbeit an seiner Sonate). Leonskaja spielt bei allem Stürmen und Drängen, das in der Musik liegt, kontrolliert. Die Kontraste bleiben klassisch ausgewogen. Ein wenig geglättet klingt dabei die harmonische Entwicklung des Werkes. Stärker hört man, wie sich Brahms motivisch an Beethoven abarbeitet. Der Anschlag hat Kraft und Energie, den Schroffheiten bleibt Leonskaja bei aller Eleganz ihres Spiels nichts schuldig. Die Übergänge, manchmal abrupte Wechsel ins Poetische, gestaltet sie mit großer Sensibilität.
Elisabeth Leonskaja
Schuberts G-Dur-Sonate D 894 spielt Elisabeth Leonskaja mit großer Schlichtheit, mitunter volkstümlich liedhaft. Zwar hält sie im Kopfsatz den ersten Akkord recht lange (es ist ja geradezu ein Markenzeichen bei Interpretationen dieses Werks, mit welcher Bedeutungsschwere die ersten Takte angereichert werden), schreitet dann aber in gesetztem, aber nicht übermäßig langsamem Tempo voran. Sie gestaltet den Satz unprätentiös, mit Schubert'scher Wehmut, aber nicht als Tragödie. Immer wieder horcht sie den kleinen Wendungen nach, ohne den Zusammenhang zu verlieren. Auch hier hat die Musik gern einen improvisatorisch spontanen Zug, als entstünde sie aus dem Moment heraus, und doch wirkt nichts zufällig. Wo ihr Mentor Swjatoslaw Richter Trauerarbeit verrichtete (das wird im Programmheft angedeutet), hört man bei ihr eine feine Heiterkeit und eine Wendung ins Positive: Nach dem nachdenklich-entspannten Andante besitzt das Menuetto mit trockenen, federnd kurzen Staccati viel bärbeißigen Witz, das Finale ist von humoristischer Graziösität.
An Vorführen von Virtuosität und pianistischer Bravour ist Leonskaja nichts gelegen, am allerwenigsten bei Schubert. Als erste Zugabe zündet sie dann im übertragenen Sinn doch noch ein Feuerwerk, nämlich Feux d'artifice (Feuerwerk) aus dem zweiten Band der Préludes von Claude Debussy, wobei sie den pianistischen Aspekt mit raumgreifenden Tonleitern und Glissandi hier über den klanglichen Reiz stellte. Als zweite (und letzte) Zugabe und damit als Abschluss des Abends dann Arnold Schönbergs extrem verknappte Klavierstücke op. 19 zu spielen - sechs Miniaturen, die ihre musikalische Entwicklung auf engstem Raum verdichten - ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich. Aber es passte ganz ausgezeichnet zu diesem Programm, nicht nur des Bogens zu Alban Berg wegen. Leonskaja spielt diese Musik im Grundton romantisch zart (ohne die kurzen Ausbrüche zu verdecken), klangsinnlich und poetisch. Und so klingt Schönberg nach, als fasse er Schubert und Brahms auf ganz eigene Weise zusammen. Ein schöner Abschluss.
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Klavier-Festival Ruhr 2025 Gevelsberg, Zentrum für Kirche und Kultur 2. Juni 2025 AusführendeElisabeth Leonskaja, KlavierProgrammAlban Berg:Sonate für Klavier op. 1 Johannes Brahms: Klaviersonate Nr. 2 fis-Moll op. 2 Franz Schubert: Klaviersonate G-Dur D 894 Zugaben: Claude Debussy: Préludes Buch 2 Nr. 12 "...Feux d’artifice" (Feuerwerk) Arnold Schönberg: Sechs kleine Klavierstücke op. 19 Klavierfestival Ruhr 2025 - unsere Rezensionen im Überblick
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