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Diese überwältigende Vielfalt von Grün
Von Stefan Schmöe / Fotos von Christian Palm (Klavier-Festival Ruhr)
Angekündigt wird "ein Abend in grün". Víkingur Ólafsson ist Synästhesist, d. h. er verbindet Töne mit Farben. Der Ton E klingt für ihn grün (F wäre eher blau). Und damit es ein "grünes" Konzert wird, spielt er ausschließlich Werke in den Tonarten E-Dur oder e-Moll (oder ist es umgekehrt so, dass sich aus den Werken ein "grüner" Zusammenhang ergibt?) Wobei er im Grunde nur ein einziges Werk spielt, denn er verbindet die Kompositionen von Bach, Beethoven, nochmal Bach, Schubert und wieder Beethoven übergangslos ohne Pausen zu einem großen Block, was zumindest eine gewisse tonartliche Verwandtschaft erfordert, um Brüche zu vermeiden.
Víkingur Ólafsson
Zu diesem exzentrisch zu nennenden Ansatz passt die Art der - wie soll man es bezeichnen? "Interpretation" passt nicht recht, denn Ólafsson interpretiert nicht den Notentext, sondern nimmt diesen als Schablone für eine ziemlich freie Gestaltung. Bachs Präludium E-Dur BWV 854 beginnt er streng im Taktmaß mit großer Klarheit und äußerster Transparenz. Doch bald schon fügt er unerwartet eine Zäsur ein, lässt die Musik für einen Sekundenbruchteil stocken, beschleunigt das Tempo. Das kleine Motiv, das eben noch im Legato daherkam, hüpft plötzlich in fröhlichem Staccato herum. Aus dem musikalischen Kontext ergibt sich das nicht. Vielmehr klingt es so, als probiere der Pianist alle paar Takte etwas Neues aus, das ihm gerade in den Sinn kommt. In dieser Hinsicht ist Ólafsson der Jazzer unter den klassischen Pianisten. In Anlehnung an Keith Jarrett könnte man diesen Abend auch "The Duisburg Concert" nennen.
Víkingur Ólafsson
Den zweiten Satz von Beethovens zweisätziger e-Moll-Sonate op. 90 ("Nicht zu geschwind und sehr singbar vorgetragen") beginnt Ólafsson mit charmanter Grazilität, um alsbald das Tempo gehörig anzuziehen, bis es dann doch ziemlich geschwind erklingt. In dem charmanten Rondo mit von Beethoven diskret angedeuteten kleinen Katastrophen findet er das große Drama mit viel Sturm, um irgendwann doch wieder zurückzufinden in den eleganten Tonfall des Beginns, als sei nichts gewesen. Im Auftreten bescheiden und brav, wirkt er im musikalischen Vortrag wie ein Kind, das glitzernde Bauklötze hin und her schiebt, daraus neue Gebilde baut, wieder einreißt und verändert, um am Ende ganz unschuldig die Grundordnung wiederherzustellen. Allerdings ein Kind mit magischen Fähigkeiten, das diese Bauklötze nach Lust und Laune größer oder kleiner zaubern oder die Farbe wechseln lassen kann. Und jederzeit auf große Schönheit bedacht ist: Es gibt keinen Takt, in dem die Musik nicht leuchtet.
Mit überragender Anschlagskultur gestaltet der 41jährige Isländer einen hellen, klaren, beinahe gläsernen Klang. Er kann höchst subtil auch im leisesten Pianissimo noch einen einzelnen Ton fast unhörbar anschlagen und damit die Farbe variieren. Insofern ist "grün" viel zu banal; es ist eine riesige grünschillernde Farbpalette mit feinster Ausdifferenzierung, die hier hörbar wird. Sein Spiel ist dabei technisch überaus souverän und stellt nie Virtuosität in den Vordergrund.
Soll man die Gestaltung nun manieriert nennen? Unzutreffend ist das nicht. Diese Art des Vortrags verlangt eine andere Form des Hörens, weniger auf den Komponisten bezogen, weniger strukturell, mehr auf den Moment ausgerichtet. Wie auch immer man dazu steht: Wenn Ólafsson das Programm im Finale von Beethovens später E-Dur-Sonate op. 109, einem Variationssatz, mit der Wiederholung des Themas im allerzärtlichsten, entrückten Pianissimo abschließt, dann ist dies einer von vielen wunderbaren Glücksmomenten.
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Klavier-Festival Ruhr 2025 Duisburg, Philharmonie Mercatorhalle 5. Juni 2025 AusführendeVíkingur Ólafsson, KlavierProgrammJohann Sebastian Bach:Präludium E-Dur BWV 854 Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 27 e-Moll Op. 90 Johann Sebastian Bach: Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830 Franz Schubert: Sonate in e-Moll, D 566 Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 30 E-Dur Op. 109 Zugaben: Johann Sebastian Bach: Andante aus der Triosonate e-Moll BWV 528 Johann Sebastian Bach: Le Rappel des Oiseaux Jean-Philippe Rameau: Adagio aus dem Concerto d-Moll BWV 974 (Bearbeitung des Konzerts für Oboe und Orchester von Alessandro Marcello) Klavierfestival Ruhr 2025 - unsere Rezensionen im Überblick
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