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"… hast mich in eine bessre Welt entrückt"
Von Stefan Schmöe / Foto von Peter Wieler ( Klavier-Festival Ruhr)
Mit einer "Schubertiade", so nennt sich das Programm, eröffnet das Klavier-Festival Ruhr die neue Spielzeit eher untypisch. Zwar prangt der Name der Pianistin Alice Sara Ott über dem Programm (jedenfalls im Programmbuch), aber nicht das Klavier als Solo-Instrument steht im Mittelpunkt, sondern das Ensemble und der Gesang. Gemeinsam mit Thomas Reif (Violine), Sào Soulez Larivière (Viola), Sebastian Klinger (Cello) und Wies de Boevé (Kontrabass) musiziert Ott Schuberts Forellenquintett, Bariton Benjamin Appl interpretiert Lieder von Beethoven, Schubert und Vaughan Williams. Man erlebt also kammermusikalisches Musizieren, wie es zu Schuberts Zeiten im kleinen Kreis gepflegt wurde.
Von links: Alice Sara Ott (Klavier), Thomas Reif (Violine), Sào Soulez Larivière (Viola), Benjamin Appl (Bariton), Wies de Boevé (Kontrabass) und Sebastian Klinger (Violoncello)
Das Quintett wird zwischen den einzelnen Sätzen durch die eingeschobenen Lieder unterbrochen - was sicher Geschmackssache ist. Die drei Volksliedbearbeitungen Beethovens auf englische Texte (aus den irischen und walisischen Lieder Woo 153, 154 und 155) passen mit ihrem derben Humor nicht recht zu der intimen Stimmung Schuberts, zumal sie nicht als Block präsentiert werden, sondern jeweils einzeln. Von Vaughan Williams (1872 - 1958) hätte man gern mehr als ein Lied gehört (auch wenn der englische Komponist nicht in die Schubert-Zeit gehört) als nur den betörend schönen Zwiegesang von Bariton und Viola in Searching for Lambs. Umgekehrt bekommt es dem Forellenquintett nicht recht, in seine Einzelsätze zerrupft zu werden, die durch die Unterbrechungen wie Miniaturen erscheinen. Die im Programmheftchen formulierte Erwartung, die Ohren mögen durch diese Kontraste "durchgeputzt" werden, erfüllt sich eher nicht.
Alice Sara Ott
Ob Alice Sara Ott meine, zur Eröffnung des Klavier-Festivals trotz dieser Konzeption vom Klavier aus den Ton angeben zu müssen? Jedenfalls klingt der moderne Konzertflügel in Schuberts fein verästeltem Quintett hier zu laut und zu mächtig. Die vier Streicher finden einen ausgesprochen delikaten, intimen Klang, der auf feinste Nuancierungen setzt und der vorzüglichen Akustik der Essener Philharmonie vertraut: Auch da lässt sich zurückgenommen spielen wie im Salon des Musikliebhabers Silvester Paumgartner im oberösterreichischen Steyr, für dessen Hausmusiken das Forellenquintett vermutlich komponiert wurde. Der Streichersatz gelingt wunderbar homogen bei sehr zurückgenommener Lautstärke. Der Klavierpart wirkt im Vergleich dazu oft (nicht immer) allzu brillant und im Klangbild zu mächtig. Wenn der Flügel im Variationssatz, in dem die Streicher ohne Klavier das Thema hier sehr zart vorgeben, zum Einsatz kommt, verlässt das Stück den Bereich der Hausmusik und wandert sozusagen in den Konzertsaal. Das liegt auch an der etwas vordergründigen Interpretation Otts, die beispielsweise die Triller allzu bedeutsam nimmt. Auf der anderen Seite neigt sie dazu, mit Pedal und viel Legato den Ton zu verschatten, und auch rhythmisch legt sie eine romantische Unschärfe über die Musik. Das hat auch seinen Reiz; sehr poetisch gelingt damit der Schluss des langsamen zweiten Satzes. Aber insgesamt bleibt die Balance im Zusammenspiel oft unausgewogen. Den stärksten, homogensten Eindruck hinterließ das spritzige Finale, in dem sich Streicher und Klavier am besten annäherten.
Benjamin Appl beeindruckt mit warmem, einschmeichelndem Bariton vor allem im schon erwähnten Folksong von Ralph Vaughan Williams, bei dem er in Sào Soulez Larivière an der Bratsche einen kongenialen Partner findet, und in den Schubert-Liedern, die er lyrisch anlegt. Die sorgfältige, genau durchdachte Textausgestaltung, die bei Schubert beinahe jedem Wort einen eigenen Klang verleiht, und die noble Diktion erinnert an Dietrich Fischer-Dieskau, dessen Schüler Appl war und auf den er sich immer wieder bezieht (etwa durch eine Serie von Liederabenden anlässlich des bevorstehenden 100. Geburtstages von Fischer-Dieskau). Appl lässt auch bei genauer Deklamation den musikalischen Fluss nicht abreißen. Im Forte neigt er zum Forcieren, wobei die Stimme an Farbreichtum einbüßt - was vor allem bei den Liedern Beethovens auffällt.
Zweimal finden alle Beteiligten zusammen - in der letzten Variation des vierten Satzes, in der Appl die Melodie mitsingt, und in der Zugabe. Dafür wählt das Ensemble passenderweise Schuberts Lied An die Musik aus, für das die Streicher den Klaviersatz verstärken. Im Gedicht Franz von Schobers, das hier vertont ist, heißt es: "Du holde Kunst … hast mich in eine bessre Welt entrückt". Trotz mancher Schönheitsfehler ist dies in diesem Eröffnungskonzert durchaus gelungen.
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Klavier-Festival Ruhr 2025 Eröffnungskonzert Philharmonie Essen 10. Mai 2025 AusführendeAlice Sara Ott, KlavierBenjamin Appl, Bariton Thomas Reif, Violine Sào Soulez Larivière, Viola Sebastian Klinger, Violoncello Wies de Boevé, Kontrabass ProgrammFranz Schubert:Quintett A-Dur D 667 für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass Forellenquintett Allegro vivace Ludwig van Beethoven: Farewell, farewell thou noisy town aus 26 Walisische Lieder Woo 155 Nr. 8 Franz Schubert: Wohin aus Die schöne Müllerin D 795 Franz Schubert: Forellenquintett Andante Ludwig van Beethoven: The Pulse of an Irishman aus 12 Irische Lieder Woo 154 Nr. 4 Franz Schubert: Der Wanderer an den Mond D 870 Franz Schubert: Forellenquintett Scherzo - Presto Ralph Vaughan Williams: Searching for Lambs aus 2 English Folksongs Franz Schubert: An den Strom D 943 Franz Schubert: Forellenquintett Thema - Andantino - Variazioni I-V - Allegretto Ludwig van Beethoven: Since Greybeards Inform Us That Youth Will Decay" aus 20 Irische Lieder Woo 153 Nr. 4 Franz Schubert: Forellenquintett Finale - Allegro giusto Zugabe: Franz Schubert: An die Musik D 547 Bearbeitung für Singstimme, Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass Klavierfestival Ruhr 2025 - unsere Rezensionen im Überblick
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