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Große Namen - spröder Charme
Damit hier kein falscher Eindruck entstehe, sei gleich vorweg gesagt: Das Konzert war - wie schon seine Vorabaufführung tagszuvor im neuen Konzerthaus Dortmund - wirklich gut und hörenswert, aber doch nicht das, weswegen man gekommen sein mag; insoweit bleibt eine leicht enttäuschte Erinnerung, die bitte nicht als Verurteilung missverstanden werden möge.
Beethovens Konzert "gegen die Violine" gilt gemeinhin nicht als Hit für Sentimentalitätenjäger; die vertrackte Struktur, der hörbar hohe technische Anspruch bei gleichzeitigem Fehlen von Bravourpartien, der häufige Wechsel in Stimm- und Themenführung verschufen diesem Werk seit je den Status eines Ausnahmewerkes; eine gewisse Zurückhaltung in der Gunst des Publikums wie auch der Sologeiger kommt daher nicht vonungefähr.
Gleichwohl scheint Frank Peter Zimmermann es mit der emotionalen Zurückhaltung weiter als nötig getrieben zu haben, wodurch die im Werk gleichfalls angelegte Wärme der Struktur nicht recht spürbar wurde. Man wurde Zeuge einer technischen Höchstleistung, denn der Solist konzertierte ohne falsche Show mit wohltuendem Verzicht auf Bühneneffekte und meisterte dennoch gekonnt die gewaltigen technischen Anstrengungen; es wurde ausgeführt, nicht vorgeführt. Allein, der Kühlschrank taute nie recht auf. Vielleicht hat er damit sogar das Publikum infiziert, denn zwischen den Sätzen brach's aus in eine wüste Hustenorgie jenseits des normal-albernen Maßes.
Im Larghetto schien daraus beinahe eine Tugend zu werden, geriet dieses doch auffällig zart, dabei zugleich wundersam schmelzfrei. Bemerkenswert das Wechselspiel mit dem Orchester, das in den Variationen dem Solisten das Thema immer wieder entreißt und danach zurückgibt. Gleichfalls günstig stellte sich diese Spielweise an einer anderen Stelle dar, wenn nämlich die harmonische Rückung unmittelbar vor Übergang in den 3.Satz sich jene ursprüngliche Fremdheit erhielt, die die Frechheit eines modulationsfreien Tonartenwechsels seinerzeit hatte.
Wieviel nun dem Solisten und seiner Spielweise zuzuschreiben ist, wieviel dem Orchester, das doch traditionell so ganz anders klingt, weil es als eines der ganz wenigen im Biotop DDR seine Klangart altdeutscher Tradition des unnachahmlich homogenen streichersatten warmen Tonfalls bewahren konnte, die nicht dem neueren analytisch-sezierenden Sound anverwandelt wurde, wie viel dem Saal, dessen akkustische Eigenschaften häufig als schwierig dargestellt werden, wir werden es wohl nie erfahren. Doch soviel muss gesagt werden: Auch im Brahms blieb es selten spröde und trocken.
Haitink hielt den Spielfluss der Musik ununterbrochen ingang und setzte dabei analog zum vorhin beschriebenen Eindruck kaum auf Einzelakzente, die bei Brahms ohnehin weniger ausgeprägt anzutreffen sind. Wie schon für den Dortmunder Vortagsauftritt beschrieben, spüret man auch hier die gewaltige Besetzung des Streicherapparates, über dessen Basslastigkeit man sich angesichts von allein 8 Contrabassi nicht zu wundern braucht. Dies ermöglichte zugleich, dass der Klang des Blechs sich davon stärker absetzen konnte, v.a. in höheren Trompetenlagen.
Trotz tendenziell eher schnell gewählter tempi, kam gerade im Andante des 2.Satzes etwas von jener Zartheit rüber, die sich beispielsweise auch dort einstellt, wenn ein großer Chor tutti pp singt. Hier war er endlich, der besondere Klang, der unserer Zeit außerhalb Ostdeutschlands Kapellen weitgehend abhanden gekommen ist.
Leider hielt es nicht so lange an, denn schon in den Blechchorälen des Schlusssatzes wäre wieder Gelegenheit gewesen, nach kurzem Aufleuchten zurückzutreten in den ideal vermengten Gesamtklangraum. Dabei wurde ja sehr wohl akkurat und sauber gespielt, und die Holzbläser bewiesen in schnellen Passagen staunenswerte Präzision. Allein jener Zauber, wie man ihn von diversen Aufnahmen kennt, vermochte sich in diesem Gebäude nicht recht einzustellen. Vielleicht lag es auch nur am Sitzplatz, denn die Mehrzahl der ZuhörerInnen im ausverkauften Hause schien es nicht so zu empfinden und erhob sich zu langanhaltendem Applaus von den Plätzen.
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- Fine -