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tohuwabohu
(jazz me, if you can)


das ernst jandl-festival zu seinem 81. geburtstag im schloss lüntenbeck, wuppertal-vohwinkel


vom 11. - 13. august 2006


Eine Produktion von Matthias Nahmmacher


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tohu-wa-bohu.de
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Alle freut, was alle freut

Von Frank Becker

Ein Geburtstagsfest, wie es bislang in keinem Buche stand, richtete der Flötist und Improvisationsmusiker Matthias Nahmmacher dem Wiener Lyriker Ernst Jandl (1.8.1925 - 9.6.2000) vom 11.-13. August zu dessen 81. Geburtstag in Wuppertal aus und löckte damit dem Dichter angemessen humorvoll wider den Stachel des die prächtigen, runden Geburts- und Todestage begehenden Kulturbetriebes, der in diesem Jahr 2006 all die zu feiernden Jubelfeste schier nicht mehr schafft. Dieser Gedanke gefiel auch einer erlesenen Schar von Schauspielern, Musikern, Performance-Künstlern und Kabarettisten, was  wiederum zur Folge hatte, daß sich am Wuppertaler Jandl-Wochenende eine Creme von Jandl- Performern zu fröhlichem, skurrilem Tun traf.

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Erwin Grosche (Foto Frank Becker)

Den Paderborner Poeten, Kabarettisten, Schauspieler und Vortragskünstler Erwin Grosche, der sich auch als Rundfunkmoderator einen guten Namen gemacht hat, nicht nur mit seinen schönsten Nummern als Mitwirkenden, sondern für die Dauer des Festivals als moderierenden "Fels in der Brandung" zu gewinnen, war quasi schon die halbe Miete. Grosche liebt Jandl, seine eigenen von hintersinnigem Humor erfüllten Texte bewegen sich oft genug in dessen Gedanken-Nähe. Souverän und liebenswürdig frech führte Grosche durch die jeweils gut viereinhalb Stunden der beiden langen Jandl- Abende am Freitag und Samstag, unterhielt während der Umbauten auf der Open-Air-Bühne das in der Abendkühle ein wenig bibbernde, doch durchweg gut gelaunte Publikum aufs angenehmste und hatte als Vortragskünstler mit wirklich jeder seiner Nummern ein As im Ärmel. Ob das die Niveahuldigungen sind (Beispiel: Nutzt Ihre Verführung Edle Anmutige - oder: Natürlich Ist Verlieben Ein Abenteuer) oder die Omis mit ihren neuen Gummistiefeln am Meer, Grosche ist so unvergleichlich wie Jandl.

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Dieter Glawischnig /
Dietmar Mues (v.l.)

Hochkarätig der Auftakt  mit der Gruppe  Cercle:  am Flügel Dieter Glawischnig, ein Landsmann des Gefeierten, an der Trompete Altstar Rainer Winterschladen und mit im Boot der Schauspieler Dietmar Mues als Sprecher. Die drei (Drummer John Marshall saß wegen der islamistischen Terrorgefahr auf dem Flughafen London Heathrow fest) erwiesen dem genialen Sprachjongleur jazzige Reverenz der  Sonderklasse, Mues´ wunderbare Sprache verlieh Jandls Texten Gestalt und hinreißenden Charakter. Ein weiterer österreichische Landsmann folgte solo mit Stimme und klangvollem Blech: Bertl Mütter, Posaunist von Gnaden, bot eine ernste Jandliade "trombohuwabone", dann traten Gastgeber Matthias Nahmmacher (Flöte), Ulrike Nahmmacher (Violine) und Sprecher Heiner Waniek, das "ensemble sonorfeo" ohne Bettina Hagedorn (Cello), an. Die Improvisations-Könner von sonorfeo wurden ihrem Ruf gerecht, säuselten, jauchzten, plauderten - jandlten. Zum glänzenden und krönenden Abschluß des ersten Abends rissen Bertram Quosdorf und Robby Langer (das Dresdner "statt-theater FASSUNGSLOS") mit ihrem hervorragenden Kleinkunst- Programm auf Jandl-Basis die durchgefrorenen Gäste dennoch zu Begeisterungsstürmen hin. Daß sich hier wie auch am folgenden Tag die zitierten Texte zwangsläufig wiederholten, störte nicht - jede neue Interpretation ließ neu aufhorchen.

Auch der zweite Abend gehörte wieder dem charmanten Genie Erwin Grosches, der die Essener Big Band "u.f.o." vor- und selbst Getreide darstellte - und artig mehrfach unterstrich, daß u.f.o. nichts mit der Folkwang-Schule zu tun hat. Die noch sehr junge Band von ausgesuchten Talenten (Besetzung nebenan), für dieses Projekt von Dieter Glawischnig geleitet, zeigte Qualitäten, die inklusive eigener Kompositionen weit über das Maß des zu Erwartenden hinaus gingen. Kreativ und virtuos nahmen die 14 Instrumentalisten und die hinreißende Sprecherin Christina Michel mit delikatem Jazz der Sonderklasse die Ohren und Herzen des Publikums im Sturm. Ganz hervorragend, Bravo!, Chapeau!  Davon jederzeit mehr! Ganz alleine auf der Bühne danach Lauren Newton, Stimm- Künstlerin von Rang, die mit Klängen, Tönen und Vokal- Artistik verblüffte, wie man sie selten hört. Obertöne, Zweistimmigkeit, hohes C - kein Problem. Danach hatten es der Akkordeonist Florian Stadler und der Laut-Künstler Mitch Heinrich etwas schwer, dies hohe Niveau zu halten. Der heitere Abschluß war ein gelungenes improvisiertes Tohuwabohu mit Künstlern beider Abende, eine fröhliche und virtuose Jam-Session.

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An Kuohn

Jandl geht einfach nicht ohne Friederike Mayröcker, entschied Matthias Nahmmacher und gewann die Schauspielerin An Kuohn für die Abschluß- Matinee am Sonntag.
Die Charakterdarstellerin der Wuppertaler Bühnen trat mit einem Programm aus Texten der Lebensgefährtin Jandls an und erwies sich als erste Wahl. Sie gab eine veritable Mayröckerin, vergleichbar einer Gestalt, wie sie Peter Hacks für "Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe" geschaffen hat. Für eine gute Stunde klebte man an den Lippen, war man gefangen von der stolzen wie liebevollen Ausstrahlung dieser brillanten Schauspielerin, die im Dialog mit der Violine Ulrike Nahmmachers der Mayröcker ein Denkmal setzte. Hinzu traten später Bertl Mütter mit seiner plaudernden Posaune und Heiner Waniek als Jandl, Friedrike Mayröckers Antipode.  Eine anhaltend gefeierter Abschluß der hochkarätigen Jandl-Tage auf Schloß Lüntenbeck. Übrigens: Pläne für einen weiteren ungeraden Geburtstag Jandls in einem der nächsten Jahre reiften derweil im Austausch der Künstler. Das Online Musik Magazin wird dabei sein.

FAZIT

81 Jahre Ernst Jandl wurden mit exorbitanten Aufführungen angemessen gefeiert.  Wer diesem köstlichen Spektakel fern geblieben ist, ist selber schuld. Pech gehabt. Soviel Jandl und soviel erstklassige Show zu seinen Texten hat es vermutlich bislang nicht gegeben.

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Produktionsteam

Idee und Organisation
Matthias Nahmmacher

Inszenierung
Matthias Nahmmacher

Mitarbeit
Florian Küthmann
Schlossgeister
Mitch Heinrich


Solisten:

 
Erwin Grosche
als Ordner, Platzanweiser, Fels in der
Brandung, Staubsauger, Fön, Omiiii,
Gerste, Hafer, Roggen, Weizen,
Nudelschüttler, NIVEA-Interpret etc....

Cercle
Dietmar Mues - Sprecher
Rainer Winterschladen - Trompete
Dieter Glawischnig - Klavier

ensemble sonorfeo
Matthias Nahmmacher - Flöte
Ulrike Nahmmacher - Violine
Heiner Waniek - Sprecher

statt-theater FASSUNGSLOS
Bertram Quosdorf - Saxophon,
Stimme
Robby Langer - Gitarre, Stimme

u.f.o. (unindentified flying
orchestra
)
Christina Michel - Rezitation, Gesang
Katrin Scherer - bs, bcl, komp.
Sven Decker - ts, bcl, cl, komp.
Miriam Frank - as, ss, fl
Natalie Hausmann - as, cl, fl
Florian Esch - lead tp
Sinje Glaeßner - tp
Lars Kuklinski - tp
Philipp Schug - lead tb
Tobias Schütte - tb
Johannes Golz - tb
Andreas Wahl - g
Dieter Glawischnig - p, komp.
Caspar van Meel - b
Bernd Oezsevim - dr

Lauren Newton
Rezitation, Gesang, Klänge

Duo Stadler/Heinrich
Florian Stadler - Akkordeon
Mitch Heinrich - Stimme, Rezitation

tohuwabohu orchestra
Jam der Künstler beider Abende

An Kuohn
Rezitation

mit
Ulrike Nahmmacher - Violine
Bertl Mütter - Posaune
Heiner Waniek - Sprecher


Weitere Informationen
erhalten Sie unter
www.tohu-wa-bohu.de
www.sonorfeo.de
www.ufo-bigband.de

www.laurennewton.com
www.muetter.at

www.erwingrosche.de


Da capo al Fine

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