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Oreste

Oper in drei Akten (HWV A/11) (gekürzte Fassung)
Libretto nach einer Vorlage von
Giovanni Gualberto Barlocci
Musik von Georg Friedrich Händel

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Sonntag, 13. Juni 2021, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Barocke Brillanz in Kurzfassung

Von Thomas Molke

Nachdem der Countertenor Franco Fagioli seinen Auftritt in der Titelpartie von Händels Orlando im Januar 2020 aus dispositionellen Gründen absagen musste, sollte er eigentlich bereits im November als Oreste in Händels gleichnamiger Oper im Rahmen der beiden Reihen "Alte Musik bei Kerzenschein" und "Große Stimmen" auftreten. Dieser Termin fiel zunächst der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Vorstellungsausfällen zum Opfer. Seit Anfang Juni ist nun auch in der Philharmonie Essen der Spielbetrieb vor Publikum wieder aufgenommen worden, und in diesem Rahmen hat man es auch geschafft, die konzertante Aufführung in nahezu gleicher Besetzung nachzuholen. Zwar kann aufgrund der derzeit geltenden Corona-Auflagen nur eine gekürzte Fassung gespielt werden, und man muss auf rund eine Stunde Musik verzichten, aber das dürfte die Barock-Fans nicht stören, zumal man an diesem Abend die Vorstellung sogar aufgrund der gesunkenen Inzidenzwerte ohne einen negativen Schnelltest oder den Nachweis einer vollständigen Impfung besuchen kann.

Oreste ist ein sogenanntes "Pasticcio", da Händel die Arien für dieses Werk nicht neu komponiert, sondern aus früheren Opern umgearbeitet hat. Die Uraufführung fand am 18. Dezember 1734 im Theatre Royal Covent Garden in London statt. Händels frühere Wirkungsstätte, das King's Theatre am Haymarket, hatte zu Beginn dieser Spielzeit die Opera of the Nobility übernommen, mit ihr auch einen Großteil der Sängerinnen und Sänger, die vorher bei Händel unter Vertrag gestanden hatten. Einzig die Sopranistin Anna Maria Strada del Pò hielt ihm die Treue und wechselte mit ihm an die neue Spielstätte. Es wird vermutet, dass Händels neuer Starkastrat Giovanni Carestini für die neue Oper ein Libretto von Giovanni Gualberto Barlocci ins Spiel gebracht hat, das Barlocci 1722 in Rom verfasst hatte und das die zur damaligen Zeit sehr beliebte antike Geschichte um die mykenische Königstochter Iphigenie behandelte, die nach ihrer vermeintlichen Opferung von der Göttin Diana nach Tauris gebracht und dort von ihrem Bruder Orest befreit wurde. Während in den meisten Opern dieser Zeit die Geschichte um Iphigenie im Mittelpunkt steht und die Werke auch nach ihr benannt sind, konzentriert sich Händels Fassung, wie es der Titel schon verrät, auf Iphigenies Bruder Orest und führt als weiteren zentralen Charakter Ermione, Orests Ehefrau und Schwester seines treuen Freundes Pylades, ein. Gemeinsam mit ihrem Bruder folgt sie Orest nach Tauris und gerät ebenfalls in die Gefangenschaft des Königs der Taurer, Thoas. Dieser verliebt sich in sie und bietet ihr Orests Freiheit an, wenn sie seine Liebe erwidert. Als Ermione das ablehnt und Orest daraufhin hingerichtet werden soll, können Orest und Pylades den Tyrannen überwältigen und töten. So gelingt es ihnen, gemeinsam mit Iphigenie die Insel zu verlassen.

Franco Fagioli fallen an diesem Abend in der Titelpartie insgesamt fünf Bravourarien zu, in denen er mit seiner vokalen Kunst brillieren kann. Nach der kurzen Arie "Pensieri, voi mi tormentate", die eigentlich aus Agrippina stammt und mit der Orest hier erschöpft am Strand von Tauris landet und nach dem Muttermord die Götter um Gnade bittet, glänzt er mit der Gleichnisarie "Agitato da fiere tempeste", in der er sich mit einem Seemann auf dem stürmischen Meer vergleicht, der den wilden Fluten trotzt, und lässt dabei die Koloraturen mit einer atemberaubenden Leichtigkeit perlen. Seine Flexibilität in den Läufen ist dabei unbeschreiblich und zeichnet ihn als einen der Größten seines Faches aus. Auch in der großen Arie zu Beginn des 2. Aktes, "Empio, se mi dai vita", wenn er seinen treuen Freund Pylades vor dem Opfertod retten will, begeistert Fagioli mit leuchtenden Höhen und einer Entschlossenheit, die den Kampfgeist der Figur unterstreichen. Wenn er wenig später die Götter für ihre Grausamkeit anklagt, lässt Fagioli Orests Wut mit enormen Oktavsprüngen spürbar werden. Sehr ruhig und bedächtig gestaltet er dann die eindringliche Arie "Dopo l'orrore", in der er sich schuldig dafür fühlt, seinen Freund im Stich gelassen zu haben. Als Sieger triumphiert er am Ende, nachdem Thoas getötet worden ist, erneut mit strahlenden Koloraturen und flexiblen Läufen.

Julia Lezhneva macht mit ihrem warmen, satten Sopran deutlich, dass Ermione musikalisch mit der Titelfigur nahezu auf einer Ebene steht. Dabei gestaltet sie eindrucksvoll die ganze Bandbreite von verzweifelt liebender bis hin zu selbstlos kämpfender Gattin. Wenn sie in Tauris ankommt, ist sie zunächst verzweifelt und bringt in der Arie "Io sperai di veder il tuo volto" ihre ganze Unsicherheit zum Ausdruck. Hier findet sie derart leise, nahezu gehauchte Töne, die unter die Haut gehen. Mit welcher farblichen Vielfalt Lezhneva die einzelnen Töne ansetzt, ist grandios. Ähnlich eindringlich gestaltet sie den Schluss des ersten Aktes, wenn sie ihr Schicksal beklagt. Am Ende des zweiten Aktes findet sie dann im großen Duett mit Fagioli zu einer betörenden Innigkeit, wenn die beiden Liebenden im Kerker voneinander Abschied nehmen. Empört gibt sie sich im dritten Akt, wenn Thoas ihr eine Begnadigung für den Gatten anbietet und die dafür gestellten Bedingungen für Ermione absolut inakzeptabel sind. Hier zeigt sich Lezhneva mit kräftigem Sopran und beweglichen Koloraturen als wahre Kämpferin, die dann aber wieder verzweifelt, wenn Pylades und Orest beide behaupten, Orest zu sein, weil beide bereit sind, den Opfertod auf sich zu nehmen, und sie dem König nun verraten soll, wer der wahre Orest ist.

Auch die übrigen Solistinnen und Solisten bieten opulenten Barockgenuss. Da ist zunächst Siobhan Stagg als Iphigenie zu nennen, die mit leuchtendem Sopran punktet. Krystian Adam gestaltet Orests Freund und Ermiones Bruder Pylades mit kräftigem Tenor, der seinen Mut und die Treue zu seinem Freund unterstreicht. Biagio Pizzuti gibt den Bösewicht Thoas mit dunkel gefärbtem Bass und ebenfalls großer Beweglichkeit in den Läufen. Besonders glaubhaft macht er die Gefühle, die er für Ermione empfindet und die ihn fast dazu veranlassen, die Gefangenen zu begnadigen. Doch wenn er von Ermione zurückgewiesen wird, zeigt er sich erneut hart und unerbittlich. Margharita Maria Sala lässt mit dunklem Mezzosopran als Filotete aufhorchen. Der Diener des Königs ist in Iphigenie verliebt und hilft ihr zunächst, ihren Bruder im Tempel vor Thoas zu verbergen. Mit weicher Stimmfärbung macht Sala die Trauer des jungen Mannes darüber deutlich, dass die Liebe von Iphigenie nicht erwidert wird. Maxim Emelyanychev führt das barockerfahrene Ensemble Il Pomo d'Oro nicht nur mit sicherer Hand durch die Partitur, sondern begleitet selbst auch noch eindringlich am Cembalo. So gibt es nach begeisterten Zwischenapplaus nach den einzelnen Arien auch großen, verdienten Jubel für alle Beteiligten am Ende der Vorstellung.

FAZIT

Musikalisch hätte Händels Oreste einen Platz im Opernrepertoire verdient, auch wenn die großartigen Arien aus früheren Händel-Opern stammen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Cembalo
Maxim Emelyanychev

Il Pomo d'Oro


Solisten

Oreste
Franco Fagioli

Ifigenia
Siobhan Stagg

Ermione
Julia Lezhneva

Pilade
Krystian Adam

Toante
Biagio Pizzuti

Filotete
Margherita Sala

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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