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Herbstfestspiele 2021

Idomeneo

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Giambattista Varesco nach dem Text von Antoine Danchet für André Campras Tragédie lyrique Idoménée (1712)
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

       
in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Dauer: ca. 3 h (eine Pause)
      
Premiere der konzertanten Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden am 20. Oktober 2021

 

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Festspielhaus Baden-Baden
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Lebendiges Musikdrama auch ohne Bühne

Von Christoph Wurzel / Foto: © Andrea Kemper

Ein Dutzend Bühnenwerke hatte Mozart bereits komponiert und als Kind und Jugendlicher mit Erfolg souverän den gängigen Operngeschmack bedient, als er nach fünfjähriger Opernpause exakt an seinem 25. Geburtstag in München am Cuvilliés-Theater das Dramma per musica Idomeneo vorstellte. Mit diesem Auftragswerk des dortigen Kurfürsten Carl Theodor stieß er endgültig die Tür zur Meisterschaft als originärer Musikdramatiker auf. Inhaltlich atmet Idomeneo den neuen Geist der Aufklärung, musikalisch aber durchweht Sturm und Drang das Werk. Weitgehend überschreitet Mozart im Idomeneo die Konventionen der opera seria. Musikalisch zeichnet er seine Figuren nicht mehr nur wie in der barocken Tradition als Repräsentanten von Affekten, sondern gleichsam psychologisch in ihrer eigenen Gefühlswelt als Individuen. Die Musik des Idomeneo weist weit voraus zu seinen späteren Meisterwerken.

Der Musik Mozarts war im Rahmen der Herbstfestspiele des Festspielhauses vom Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble unter der Leitung u.a. ihres Gründers Thomas Hengelbrock eine kleine Konzertreihe gewidmet. Neben der Krönungsmesse und zwei späten Sinfonien stand auch Idomeneo an zwei Abenden auf dem Programm.

In der Rezeption der Mozart-Opern sind die Qualitäten des Idomeneo erst spät erkannt worden. Seit dem Siegeszug der historischen Aufführungspraxis ist auch dieses Werk häufig auf den Bühnen zu sehen. Wegen des aus heutiger Sicht unglaubwürdigen glücklichen Endes tut sich die Regie oft schwer mit einer Inszenierung. Die konzertante Aufführung wie hier unter Thomas Hengelbrock konnte sich allein auf die musikalische Aussage beschränken.

Gerade das Finale gelang in dieser Aufführung mit bezwingender Kraft. Vom Krieg gegen Troja heimgekehrt, soll Idomeneo seinen Sohn Idamente opfern. So verlangt es der Meeresgott Neptun als Gegenleistung für Idomeneos Rettung aus Seenot. Nur in  letzter Sekunde wird durch eine Stimme von oben verhindert, dass der Vater dieses Gebot des barbarischen Gottes an seinem Sohn vollziehen muss. In einer großen Szene mit Solisten und Chor hat Mozart diese Handlung gestaltet, deren dramatische Kraft Hengelbrock eindrucksvoll herausarbeitete: durch den deutlichen Hell-Dunkel-Kontrast der Klangfarben in Chor und Orchester, eine spannungsvolle Generalpause im Moment der Ungewissheit und schließlich von der Hinterbühne orakelhaft erklingende Posaunen zu den erlösenden Worten der überirdischen Stimme. Allein kraft der Musik wurde diese Szene auch ohne Bilder zum ausdrucksstarken Höhepunkt der Aufführung.

Intensive Klangrede in Chor und Orchester, reiche Farbigkeit der Instrumente und ein homogenes Sängerensemble  ließen die Aufführung dieser 240 Jahre alten Oper als vitales Musikdrama erleben. Eine Idealbesetzung der Sängerinnen und Sänger machte den Erfolg vollkommen.

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Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble mit dem Solistenensemble und dem Dirigenten Thomas Hengelbrock

Eine große vokale Bandbreite, strahlend klare Höhe und feste, wohlklingende Tiefe brachte der Tenor Michael Spyres für die Titelpartie mit. Die Koloraturen in der großen Arie "Fuor del mar ho un mar in seno" meisterte er bravourös. Das Chaos der Gefühle stellte er eindrucksvoll heraus. In der Hosenrolle des Idamante (bei der Uraufführung noch von einem Kastraten und zum Missvergnügen Mozarts schlecht gesungen) war die israelische Mezzosopranistin Rachel Frenkel bestens besetzt. Die innere Zerrissenheit der Figur, aber auch deren tiefe Empfindsamkeit vermochte die Sängerin überzeugend auszudrücken, dazu stimmlich makellos und klangschön. Mit perfekt geführtem Sopran, schlankem lyrischen Ton und sensibler Gestaltungskunst gab Regula Mühlemann der Rolle der trojanischen Prinzessin Ilia ausdrucksvoll Gestalt. Unterstützt von den anmutig spielenden Holzbläsern des Orchesters, gelang ihre Arie "Sei padre perdei" berückend schön. Darin bittet die Vater- und Heimatlose den kretischen König, für sie die Vaterrolle zu übernehmen - ein schönes Beispiel für die Tendenz von Versöhnung und Frieden in dieser Oper. Wohlklingend mischten sich die Stimmen der Sängerinnen im Liebesduett der beiden Figuren.

Elettra, die Tochter des mykenischen Königs Agamemnon, die sich nach dem Mord an ihrem Vater nach Kreta geflüchtet hat, macht sich (letzten Endes allerdings erfolglos) Hoffnungen auf den Sohn des Königs von Kreta. Ihrer schwankenden Gefühlslage zwischen Hoffnung und Eifersucht entsprechend hat Mozart diese Rolle mit drei Arien charakterisiert. Nicole Chevalier war dafür eine außerordentlich überzeugende Gestalterin. Den Klang warmer Empfindung fand sie für "Idol mio". Höchst virtuos, doch stets kontrolliert und ohne ins Schrille, Exzentrische abzugleiten, präsentierte sie im 3. Akt die Wut-Arie "D'Oreste, d'Aiace" - eine fulminante Leistung, mit der sie das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.

Eine sehr gute Besetzung war auch der kroatische Tenor Kresimir Spicer in der Rolle des Arbace. Obwohl dessen zwei Arien gestrichen waren, verlieh der Sänger allein in der Gestaltung der vom Orchester begleiteten Rezitative dieser Figur markantes Profil. Nicht zuletzt der Chor rundete den Erfolg dieser Aufführung wirkungsvoll ab. Dessen hohe Professionalität mag bei der Wahl dieses Werks mit entschieden haben, welches dem Chor, auch in solistischen Partien, eine tragende Rolle zuweist. Der Balthasar-Neumann-Chor konnte hier seine hohe Flexibilität und homogene Klangkultur eindringlich unter Beweis stellen.

 

FAZIT

Der absolute Glücksfall einer gelungenen Aufführung



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Ausführende

Musikalische Leitung
Thomas Hengelbrock

Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Ensemble
Einstudierung:
Detlef Bratschke und Guy van Waas


Solisten

Idomeneo, König von Kreta
Michael Spyres

Idamante, sein Sohn
Rachel Frenkel

Ilia, trojanische Prinzessin und Tochter des Priamos
Regula Mühlemann

Elettra, Tochter Agamemnons, des Königs von Argos
Nicole Chevalier

Arbace, Vertrauter Idomeneos

Kresimir Spicer

Oberpriester des Neptun
Mirko Ludwig

Die Stimme
Joachim Hochbauer

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom

Festspielhaus Baden-Baden
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