Veranstaltungen & Kritiken Konzerte |
|
|
In der Unterwelt lebt sich's besser als an Orpheus' Seite
Von Stefan Schmöe
Ein eitler Schnösel ist dieser Orpheus. Er hat sich eingerichtet in seiner Rolle als Sänger und unsterblich Liebender, und Eurydike ist nicht viel mehr als das notwendige Accessoire dazu. Die sieht das freilich anders, möchte nicht um der mythischen Liebe wegen, sondern ihrer Person willen begehrt werden. Und daher bleibt sie doch lieber in der Unterwelt, als in ihre alte Rolle zurückzukehren. So in etwa kann man die halbszenische Einrichtung von Birgit Kajtna verstehen, die stellenweise überambitioniert wirkt, der (vom Parkett aus sowieso kaum zu sehenden) "Videokunst" von Mara Wild ebenso wenig bedurft hätte wie manch' kleinteiligen Aktionismus im Chor, die mit präziser Personenregie mehr erreicht als mit angestrengtem Beleuchtungswechsel oder den ein wenig bemüht auftretenden Kostümen von Maria-Luise Otto. Ein paar eingeschobene Sätze sind schon erforderlich, um die Idee zu vermitteln, aber insgesamt ist schon ziemlich viel herausgeholt aus Joseph Haydns letzter Oper, deren für das Jahr 1791 in London geplante Uraufführung an Streitigkeiten um das Konzerthaus scheiterte, und von der man nicht weiß, ob ein mögliches Finale verschollen ist oder nie komponiert wurde. Jedenfalls endet diese Fassung des Orpheus-Mythos tragisch mit dem Tod des Sängers. Nicht ausgeschlossen, dass eine Vereinigung des Paares im Jenseits geplant war.
Vielleicht hat Haydn das Interesse verloren, das Werk zu beenden; gemessen an den von Mozart gesetzten Standards ist es sicher kein Meisterwerk und vermutlich auch keine Herzensangelegenheit des Komponisten. Das Libretto von Carlo Francesco Baldini findet nicht wirklich ein Thema; da kämpft Orpheus mehr gegen einen von Eurydikes Vater favorisierten Rivalen als gegen die Unterwelt - aus heutiger Sicht wirkt manches Versatzstück wie eine unfreiwillige Parodie auf die Mechanismen der opera seria. In der Musik stehen beeindruckende Momente neben viel Konvention, die freilich handwerklich so souverän gehandhabt ist, dass der Applaus nach dieser Aufführung groß war. Ins Repertoire wird es L'Anima del filosofo (Die Seele des Philosophen) sicher nicht schaffen, gelegentliche Aufführungen wie diese in der Düsseldorfer Tonhalle sind indes eine hübsche Abwechslung. Und auch wenn die halbszenische Einrichtung ruhig noch dezenter sein könnte, so ist dies ein überzeugendes Format im Konzertkalender der Düsseldorfer Symphoniker. Orpheus und Eurydike, noch auf der Erde (Foto: Joschua Voßhenrich) Vieles gelingt dem Orchester sehr schön, manchmal fehlt es an rhythmischer Präzision und Agilität, dem schnellen Reagieren. Adam Fischer, "principal conductor" des Orchesters, dirigiert mit großer Geste und vollem Körpereinsatz einen, wie man inzwischen sagt, "historisch informierten" Haydn, sehr lebendig und reich an Farben. Exzellent singt das Chorwerk Ruhr (Einstudierung: Alexander Lüken): Ungemein präsent, glasklarer, strahlender Klang. Eine Reihe kleinerer Partien werden von Herren des Chores übernommen, durchweg hervorragend. Der Chor agiert von der Chortribüne aus, aber keineswegs statisch. Vom Regiekonzept wie der kommentierende Chor der griechischen Tragödie behandelt, sind die Choristinnen und Choristen viel in Bewegung, gruppieren sich immer wieder neu, zeigen durch Körperhaltung demonstrativ Zustimmung oder Ablehnung des Geschehens.
Krystian Adam singt den Orpheus mit schöner, apart eingedunkelter Mittellage. Dass es seinem Tenor in den hohen Tönen an Substanz fehlt und die Stimme flach wird, kaschiert er geschickt. Er neigt dazu, im Forte zu forcieren, was bei der großen Nähe zum Publikum nicht nötig wäre, und in den Koloraturen nimmt er fast immer zwei Noten auf einen Bogen, was der Musik dann einen hektischen, abgerissenen Charakter verleiht. Die von der Regie geforderte Charakterstudie des selbstverliebten, dabei recht naiven Schöngeistes spielt er mit dem richtigen Maß an Ironie aus. Betörend schön singt Emöke Barath mit vollem, im Charakter jugendlichen Sopran, die Eurydike. Mit viel Mut zum (immer tragfähigen) Pianissimo auch in hoher Lage und leuchtendem Klang ist sie die tragische Lichtgestalt, und glänzt auch, wenn der Stimme enorme Virtuosität abgefordert wird. Orpheus und Pluto (Foto: Joschua Voßhenrich)
Ohnehin hat Haydn mit halsbrecherischen Koloraturen nicht gegeizt und fordert einiges an Stimmakrobatik, auch in den kleineren Partien. Alicia Amo brilliert als Schutzgeist Genio in ihrer Barvourarie mit enormer stimmlicher Beweglichkeit und leuchtendem Ton, und mit ihrer mitreißenden Bühnenpräsenz hat sie das Publikum sofort im Griff. Beniamin Pop, kurzfristig für den erkrankten Michael Nagy eingesprungen, übernimmt mit den Creonte und den Pluto mit donnernder Stimme, im Gestus etwas kurzatmig. So geht das halbszenische Konzept, für das sich Dirigent Adam Fischer im Programmheft noch einmal nachdrücklich einsetzt, ziemlich gut auf. Fischer kritisiert die Unart von Regisseuren, die langen Arien in der opera seria, in denen die Handlung stillsteht, szenisch "aufzupeppen". Solche Pauschalkritik ist sicher mit Vorsicht zu genießen, da es auf den Einzelfall ankommt. In dieser Aufführung ist sicher die Nähe der Sängerinnen und Sänger zum Publikum im annähernd halbkugelförmigen Saal der Tonhalle ein nicht unwesentlicher Faktor (den man freilich auch in einem Barocktheater hätte), und letztendlich hängt fast alles an der Präsenz der Sängerdarsteller, ob im Konzertsaal oder auf der Theaterbühne. Der begeisterte Applaus des Publikums nach der kurzweiligen, mit Pause zweieinhalbstündigen Aufführung spricht unbedingt für eine Fortführung des Ansatzes. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Videokunst
Kostüme
Einstudierung Chor
Solisten
Euridice
Orfeo
Genio
Creonte / Plutone
|
© 2022 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de