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Tod und Himmelfahrt
Von Stefan Schmöe / Fotios von Björn Wøll Nach einer zaghaften Bitte klingt es nicht, dieses Dona nobis pacem am Ende dieser Komposition; da schwingt jede Menge Gewissheit um das ewige Leben mit: Was Chor und Orchester des großartigen Balthasar-Neumann-Ensembles hier musizieren, ist nicht weniger als eine tönende Himmelfahrt mit Pauken und Trompeten. Dirigent Thomas Hengelbrock unterstreicht das sogar optisch, indem er den Chor im Sitzen beginnen lässt, im extrem zurückgenommenen, trotzdem intensiven und tragfähigen Pianissimo, und diesen letzten Satz der h-Moll-Messe ganz behutsam als große Steigerung aufbaut, in den sich die Instrumente fast unhörbar einschleichen. Immer heller und lichter wird der Klang, bis Hengelbrock in den allerletzten Takten die Anspannung ein klein wenig herausnimmt - eine kleine Demutsgeste, ein entspanntes Ausatmen. Es bleibt ziemlich lange still im Dortmunder Konzerthaus nach dieser außerordentlich konzentrierten, rund zweistündigen Aufführung, bevor die verdienten stehenden Ovationen aufwallen.
Per aspera ad astra: Am Beginn dieser Messe nimmt Hengelbrock die markanten vier Eingangstakte des Kyrie eleison extrem langsam, wuchtig erdenschwer, jede Note wie mit einer großen Last beladen, und auch die nachfolgende Fuge erklingt sehr getragen. Hengelbrock lässt den Beginn dieser Fuge solistisch singen, erst mit dem Einsatz der Bässe weitet sich der Klangraum auch durch chorische Besetzung - das gehorcht nicht nur dem Prinzip der Steigerung, sondern hebt bereits hier die Trennung zwischen Chor und Solisten auf. Alle Arien und Duette werden von Chormitgliedern gesungen (die im Programmheft nicht explizit genannt werden), durchweg sehr gut. Damit verbunden ist aber auch der bewusste Verzicht auf solistischen Glanz, die Gestaltung ist eher schlicht; die Komposition wirkt insgesamt sehr stark als Einheit. Aber zurück zum Kyrie: Das auf den Eingangschor folgende Duett bringt wenig Aufhellung, der folgende strenge Chorsatz schreitet wieder schwer voran. Dieses ganze Kyrie erklingt hier wie eine Begräbnismusik. Bis zum Licht der Verklärung ist es ein weiter Weg.
Wobei Bach die Musik des Schlusschores ja schon früher erklingen lässt, in der Danksagung Gratiam tibi propter magnam gloriam tuam. Der Chorklang ist bei einer Besetzung von rund 30 Sängerinnen und Sängern durchaus großformatig, mitunter beinahe oratorienhaft. Die Altstimme ist mit männlichen Altisten und Frauenstimmen klanglich markant besetzt und bildet die zentrale Achse, die Männerstimmen singen hell und unangestrengt, der Sopran bei aller Leuchtkraft warm und gedeckt; Spitzentöne bleiben sehr kontrolliert. Ein klein wenig Vibrato ist zugelassen. Die Substanz des Klanges auch in den sehr leisen Passagen wie der geheimnisvoll auskomponierten Menschwerdung und Kreuzigung Christi (Et incarnatus est und Crucifixus) beeindruckend. in den schnellen Sätzen wie dem Cum sancto spiritu, dem Osanna in excelsis und natürlich Bachs halsbrecherischen Auferstehungsbeschreibung et resurrexit virtuos und von großer Leichtigkeit (ohne an Intensität im Klang zu verlieren).
Hengelbrock nimmt eine erzählerische, weniger eine opernhafte Haltung gegenüber dem Werk an. Die einzelnen Nummern sind eng verzahnt, der abrupte Wechsel zwischen Grablegung und Auferstehung wird nicht überpointiert - kein harter Schnitt, eher ein paar Noten bewusster Anlauf. Das Sanctus legt Hengelbrock eher breit als große Klangfläche an - die Heiligkeit des Herren ist eben eine ernste Angelegenheit; das tänzerische Osanna in excelsis bildet den Kontrast dazu. Die Trompeten sind immer in den Gesamtklang einbezogen, die Bläser (auf historischen Instrumenten) harmonieren außerordentlich gut. Von den Soli bleiben vor allem das rätselhafte Benedictus mit famoser, recht frei konzertierender Flöte, sowie das verhalten und entrückt musizierte Agnus Die (von einem Countertenor mit faszinierender Klangfarbe gesungen) in Erinnerung. Eine im Detail wie im Gesamteindruck bewegende Aufführung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
AusführendeBalthasar-Neumann-Chor und -SolistenSolo: Agnes Kovacs, Sopran Bobbie Blommensteijn, Sopran Stephanie Finkes, Alt Ulrike Malotta, Alt Matthias Lucht, Alt William Shelton, Alt Jan Petryka, Tenor Jakob Pilgram, Tenor Joachim Höchbauer, Bass Daniel Ochoa, Bass Balthasar-Neumann-Ensemble Leitung: Thomas Hengelbrock WerkeJohann Sebastian Bach::Messe h-Moll BWV 232
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