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Aus den Tiefen des Rheins zu wonnigen Höhen Von Thomas Molke / Fotos: © Bjørn Woll Die Corona-Pandemie ist zwar noch nicht überwunden, aber die Opern- und Konzerthäuser kehren allmählich immer mehr zur Normalität zurück, so dass es im Rahmen der Reihe "Konzertante Oper" mit Richard Wagners Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen nun auch wieder große Oper in opulenter Besetzung gibt. Dass die Wahl dabei auf Das Rheingold gefallen ist, mag ein wenig verwundern, da das Werk hier zuletzt vor fünf Jahren mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Marek Janowski erklungen ist (siehe auch unsere Rezension). Bedenkt man aber, dass in der Oper Dortmund ab 21. Mai 2022 ein neuer Ring-Zyklus geschmiedet wird, der aus organisatorischen Gründen mit der Walküre beginnt, konnte man nun die konzertante Aufführung des Vorabends im Konzerthaus nutzen, um chronologisch in das Werk einzusteigen. Begleitet wird der Abend dieses Mal vom Rotterdam Philharmonic Orchestra unter der Leitung seines Ehrendirigenten Yannick Nézet-Séguin, der 2018 zum dritten Musikdirektor der Metropolitan Opera in New York ernannt wurde. Im Konzerthaus Dortmund ist er seit seiner dreijährigen Residenz unter dem Titel "The YANNICK Experience" in der Saison 2013/14 ein gern gesehener Gast, der das Publikum hier mit zahlreichen Konzerten unter anderem auch mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra begeistert hat. Alberich (Samuel Youn) verflucht die Liebe (in der Mitte: Yannick Nézet-Séguin mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra). Schon bei den ersten Tönen des Vorspiels unterstreicht Nézet-Séguin seinen hervorragenden Ruf als großartiger Dirigent. Direkt zu Beginn wird man im lautmalerischen Spiel des Rotterdam Philharmonic Orchestra aus den tiefsten Tiefen des Rheins allmählich an die Oberfläche geführt. So differenziert hört man das Es-Dur-Vorspiel selten, und Nézet-Séguin lässt sich mit dem Orchester viel Zeit dabei. Mit ein wenig zu gewaltiger Wucht erfolgt dann der Übergang zu den Rheintöchtern. Erika Baikoff hat als Woglinde beim "Weia! Waga! Woge, du Welle!" zunächst leichte Probleme, einen Übergang vom gewaltigen Rauschen des Rheins zum leichten, verspielten Klang der Rheintöchter zu schaffen. Gemeinsam mit Iris van Wijnen als Wellgunde und Maria Barakova als Flosshilde setzt sie das Spiel fast darstellerisch um, da alle Solist*innen ohne Textbuch auftreten. Van Wijnen überzeugt mit weichem Mezzosopran, und Barakova begeistert mit dunkel-timbriertem vollem Mezzo. Dabei finden die drei Rheintöchter harmonisch aufeinander abgestimmt zusammen. Auch Samuel Youn setzt als Alberich auf szenische Elemente. So schleicht er sich zunächst als Nachtalb heimlich von der anderen Seite des Orchesters an die Rheintöchter heran und beobachtet zunächst fasziniert ihr Spiel, bevor die Wassernixen ihn bemerken. Am Anfang versucht er, sich den für ihn unerreichbaren Wesen zu nähern, und erträgt die Erniedrigungen. Doch dann holt er mit schwarz gefärbtem Bassbariton aus und verflucht mit großartiger Tiefe und Intensität die Liebe, was ihm den Raub des Goldes ermöglicht. Das Rotterdam Philharmonic Orchestra trumpft hierbei ebenfalls mit voluminösen Tönen auf, ohne die Solist*innen zu überdecken. Michael Volle als Wotan Mit hehrem Klang wird anschließend der Übergang in luftige Höhen zelebriert. Die Bläser begeistern mit großer Klarheit beim Walhall-Thema. Michael Volle und Jamie Barton treten als Wotan und Fricka mit herrschaftlichem Schritt vor das Orchester und scheinen die neu entstandene Burg in Augenschein zu nehmen. Volle begeisterte in Dortmund schon vor fünf Jahren in dieser Partie und stattet den Göttervater erneut mit klar verständlichem und kräftigem Bariton aus, der in den Höhen große Durchschlagskraft besitzt und in den Tiefen über großes Volumen verfügt. Jamie Barton gelingt es als Fricka, mit beweglichem Mezzo die Vielschichtigkeit der Rolle herauszuarbeiten. Mit leicht scharfen Tönen ihrem Gatten gegenüber schafft sie es, Wotan ein wenig zu verunsichern, und soll leider mit ihrer Sorge um ihre Schwester Freia Recht behalten. Dem Rheingold zeigt sie sich in den späteren Erzählungen Loges gegenüber aber ebenfalls nicht abgeneigt. Christiane Karg gestaltet die Göttin der Jugend mit leuchtendem Sopran und macht in ihrem dramatischen Ausbruch Freias Angst mehr als deutlich. Issachah Savage verfügt als Froh über einen kräftig strahlenden Tenor, und Thomas Lehman tritt als Donner zwar nur mit einem kleinen Hammer auf, punktet dafür aber mit kräftigem Bariton. Auch die beiden Riesen sind mit Stephen Milling als Fasolt und Mischa Petrenko als Fafner großartig besetzt. Milling gibt auch durch seine Größe rein optisch einen glaubwürdigen Riesen ab. Mit seinem dunklen Bass findet er tiefe, dabei aber sehr lyrische Töne, die nachvollziehbar machen, was Fasolt für Freia empfindet und wieso er sie als Liebeslohn für den Bau der Burg beansprucht. Petrenko wirkt mit seinem flexiblem Bass als Fafner da schon ein bisschen taktierender. Einen weiteren Höhepunkt des Abends stellt Gerhard Siegel als Loge dar. Mit einer roten Krawatte ist er auch optisch als Feuergott gekennzeichnet, wobei die Krawatte später als Fessel für Alberich fungiert. Mit tenoralem Glanz und windigem Spiel gelingt es Siegel, die anderen Figuren des Stücks zu manipulieren, und unterstreicht sein Spiel mit intensiver Mimik. Wie er es mit einer scheinbar beiläufigen Erzählung schafft, sowohl Wotan als auch die Riesen für das Rheingold und den von Alberich geschmiedeten Ring zu interessieren, wird von Siegel großartig umgesetzt. Beim Abstieg nach Nibelheim setzt Nézet-Séguin auf einen leicht schrillen Klang, um den ohrenbetäubenden Lärm der Ambosse zu imitieren. Zwei Orchestermitglieder verlassen die Bühne und lassen aus dem Off recht klirrende Geräusche ertönen. Das ist zwar laut und störend, klingt aber weniger nach Ambossen. Mit großartiger Textverständlichkeit und wunderbarem Spiel begeistert dann Thomas Ebenstein als Mime. Mit hellem Tenor unterliegt er zwar (noch) seinem Bruder Alberich, aber seine Stimme verrät bereits, dass man von dieser Figur im weiteren Verlauf des Rings noch einiges erwarten darf. Das Treffen zwischen Alberich, Loge und Wotan entwickelt sich dann zu einem weiteren musikalischen Gipfeltreffen dreier großartiger Sängerdarsteller. Volle spielt Wotans Ungeduld und Arroganz mit einer hervorragenden Mimik aus. Man merkt, wie er bei Alberichs Prahlereien die Faust in der Hosentasche ballen muss. Siegel gestaltet Loges Verschlagenheit absolut glaubwürdig, und Youn fällt letztendlich aufgrund seiner eigenen Selbstgefälligkeit auf den Feuergott herein. Ob man Youns Verwandlungen mit Hilfe seiner Anzugsjacke mag, ist vielleicht Geschmacksache, wird von Youn jedoch mit großem Spielwitz umgesetzt. Wenn der überlistete Alberich aber schließlich das Gold und den Ring samt Tarnhelm Wotan überlassen muss, jagt der von Youn regelrecht herausgeschrieene Fluch dem Publikum einen Schauer über den Rücken. Hier setzt Youn bewusst nicht auf Schönklang, um die Drohung zu unterstreichen. Yannick Nézet-Séguin mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra und Freia (Christiane Karg) beim Schlussapplaus Wenn Wotan sich dann bei der Übergabe des Goldes an die Riesen zunächst weigert, ihnen auch den Ring zu überlassen, tritt Erda auf der Chorempore auf. Mit einem schwarzen Schleier über dem Gesicht schreitet Wiebke Lehmkuhl die Stufen der Chorempore herab und schafft es als Urwala schließlich, Wotan mit ihrer Autorität zu überzeugen, vom Ring zu lassen. Mit dunklem Mezzo verleiht Lehmkuhl Erdas Worten Gewicht, und Wotan muss schnell erkennen, wie Recht sie hat und wie schwer Alberichs Fluch auf dem Ring lastet. Nachdem die Riesen nämlich in den Besitz des Schatzes gekommen sind, kommt es sofort zwischen den beiden Brüdern zum Streit, und Fafner tötet seinen Bruder, auch wenn das szenisch bei der Größe Petrenkos und Millings nicht ganz glaubwürdig wirkt. Nézet-Séguin setzt diese Szene mit dem Orchester klanggewaltig um. Das heraufbeschworene Gewitter, das den Himmel klären soll, wirkt mit Lehmans Donnerschlag ähnlich blass wie die lärmenden Ambosse in Nibelheim. Umso plastischer lässt das Rotterdam Philharmonic Orchestra anschließend den aufziehenden Regenbogen entstehen, auf dem die Götter in die Burg einziehen. Von der Chorempore klagen noch einmal die drei Rheintöchter. Doch ihre Beschwerde geht im musikalischen Pomp des Finales unter. Das Publikum bedankt sich im Anschluss mit frenetischem Applaus und stehenden Ovationen für die bewegende Darbietung. FAZIT Mit diesem konzertanten Rheingold ist man wunderbar auf Die Walküre an der Oper Dortmund eingestimmt, mit der ab 21. Mai 2022 der neue Ring-Zyklus in Dortmund geschmiedet wird.
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Ausführende Yannick Nézet-Séguin, Dirigent Rotterdam Philharmonic Orchestra
Wotan Donner Froh Loge Freia Fricka
Erda Woglinde Wellgunde Flosshilde Alberich Mime Fasolt Fafner
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