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Wiener Philharmoniker
Leitung: Valery Gergiev




21. Februar 2022, Philharmonie Essen, Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen
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Russische Musik im Schatten des Krieges

Von Stefan Schmöe / Fotos von Sven Lorenz

Es sind Nadelstiche, mit denen dieses Konzert beginnt: Jeder Einsatz bekommt einen kleinen, aber ungemein präzise ausgeführten und scharf pointierten Akzent, bis der Klang sich vollständig aufgebaut hat und im Fortissimo so laut ist, dass er den Raum mit Wucht ausfüllt, aber dennoch durchhörbar bleibt. In diesen ersten Takten aus Prokofjews erster Orchestersuite zu Romeo und Julia wird vieles deutlich, was den Abend prägen wird: Die fantastische Transparenz des Klanges auch dann, wenn maximale Lautstärke gefordert ist, ohne dass deshalb an Kraft eingebüßt würde. Und die sehr genaue Durcharbeitung im Detail, die aber nicht zur Kleinteiligkeit führt, sondern zu einer enormen Binnenspannung. Das größte Manko dieser ersten Konzerthälfte: Die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Valery Gergiev spielen gerade einmal 30 Minuten Prokofjew, eine doch recht kurze Auswahl aus den beiden Suiten (und am Ende gibt es nicht einmal eine Zugabe, was man nach Tschaikowskys Pathetique im zweiten Teil des Konzerts dramaturgisch verstehen kann, was aber trotzdem bedauerlich bleibt).

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Gergiev wählt eher flotte Tempi, Melodie- und Gegenstimmen sind sehr genau ausgewogen. Der romantische Gestus, den diese Ballettmusik ja auch hat, und auch manches auftrumpfende Moment treten zurück hinter den doppelbödigen Witz, den man in dieser Interpretation oft heraushört. Dabei kann der Orchesterklang raffiniert changieren zwischen massig-erdverbunden und hell strahlend. Prokofjews Musik erhält immer wieder ein "als ob", weit weg von jeder plakativen Eindeutigkeit.

Verbindungslinie gehen zu den Mittelsätzen von Tschaikowskys sechster Symphonie. Gergiev wählt auch hier schnelle Tempi, vor allem der walzerartige zweite Satz ist hier drängender angelegt als die Bezeichnung "Allegro con grazie" nahelegt. Damit ist der graziöse Charakter zwar nicht getilgt, aber mit einer drängenden Nervosität unterlegt. Den dritten Satz baut er als großangelegte Steigerung auf, die sich im schrillen Marsch zuspitzt: Eher Katastrophe als Scherzo. Diese beiden Sätze nehmen, auch wegen der hier beigemischten latenten (im zweiten) oder offenen (im dritten) Gewalt, durchaus Schostakowitsch vorweg. Auch hier ist Gergievs Orchesterbehandlung superb.

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Im Gegensatz dazu sind die Randsätze sehr getragen. Den ersten Satz lässt Gergiev aus dem Nichts beginnen, erst nach und nach nimmt die Musik Konturen an und verdichtet sich. Spiegelbildlich verlöscht der Finalsatz. Sehr breit nimmt er das zweite Thema des Kopfsatzes, das ohnehin einen filmmusikhaften Gestus besitzt, der hier eher noch unterstrichen wird. Durch solche Kontraste drohen beide Sätze in einzelne Blöcke zu zerfallen, haben jedenfalls nicht die Stringenz der Mittelsätze, sondern neigen zu einer gewissen Flächigkeit. Gleichwohl: Der opulente Klang des Orchesters auch hier ist ein Ereignis.

Nach einem packenden Konzert gebührt dem Dirigenten Valery Gergiev sicher Hochachtung - problematisch ist die Rolle des politischen Menschen Gergiev, der in der Vergangenheit als Freund und Unterstützer Wladimir Putins aufgetreten ist. Vielleicht war das der Grund, warum der Beifall eher freundlich als frenetisch blieb bei diesem Konzert kurz vor dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine. In Essen blieb die Politik ausgeklammert. Für die Konzerte ein paar Tage später in der Ney Yorker Carnegie Hall dagegen wird kurzfristig Yannik Nézet-Séguin statt Gergiev am Pult des Orchesters spielen. Da hat die Politik die Kunst dann doch eingeholt.




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Ausführende

Wiener Philharmoniker

Leitung: Valery Gergiev


Werke

Sergej Prokofjew:
Romeo und Julia
Auszüge aus den Ballettsuiten
Nr. 1 op. 64a und Nr. 2 op. 64b


Peter Tschaikowsky:
Symphonie Nr. 6 h-Moll op.74 Pathetique



Weitere Informationen:

Philharmonie Essen



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