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City of Birmingham Symphony Orchestra
Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla
Gabriela Montero, Klavier




14. Mai 2022, Historische Stadthalle am Johannisberg Wuppertal
im Rahmen des Bayer Kultur stARTfestivals 2022
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Starker Auftritt vor der Babypause

Text und Fotos von Johannes Vesper

Sie stammt aus Litauen und leitet als Nachfolgerin von Simon Rattle seit 2016 das City of Birmingham Symphony Orchestra (CBSO), verzauberte jüngst in Dortmund als Exklusiv-Künstlerin ihr Publikum und kam jetzt mit Gabriela Montero, einer der wichtigsten Pianistinnen unserer Zeit, und ihrem Orchester in den Großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal: Mirga Gražinytė-Tyla. Bayer Kultur hatte im Rahmen seines stARTfestivals dazu eingeladen. Von April bis Juni 2022 kommen im Rahmen dieses Festivals Weltstars der Klassik und junge Talente mit außergewöhnlichen Veranstaltungen in die Region.

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Die Dirigentin, an sich für innovative Programmgestaltung bekannt, kam nach Wuppertal mit dem Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowski und der 3. Sinfonie von Johannes Brahms. Nach dem Begrüßungsapplaus bat sie aber erstmal um Aufmerksamkeit für das ukrainische Volkslied "Ein Entlein schwimmt im Fluss", ein trauriges Abschiedslied von einem Soldaten, der in den Krieg ziehen muss. Die Dirigentin sang über den ruhigen Klängen des leise, verhalten mehrstimmig singenden Orchesters mit klarem Sopran die anrührende Melodie. Gabriela Montero, die Solistin des Abends, nahm am Klavier die Melodie auf. Der kurze Hymnus endete mit ruhigen Klängen überraschend in Dur. Welch starkes Zeichen in diesen Kriegszeiten!

Dann kräftig und breit, nicht zu schnell, vollgriffig, begann mit "starker Frauenpower" das Konzert mit dem populären Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893), seit van Cliburns Einspielung 1958 ein Ohrwurm im klassischen Klavier-Repertoire. Unter dem klaren und inspirierenden Dirigat der jungen Dirigentin entwickelte sich der Satz flüssig mit klangvollen Celli und sonoren Bläsern, bis die Solistin das Tempo steigerte, und, das Pedal nicht scheuend, mit ungeheurer Präsenz, Spielfreude und Brillanz die Zwiesprache mit dem Orchester pflegte. Der zweite Satz -Andantino semplice- begann mit seelenvollem Flötensolo über PP-Pizzicato, bevor das Klavier das Thema übernahm und das Solocello dazu sang. Das flinke scherzo-artige Intermezzo belebte de Satz. Zuletzt dann das Allegro con fuoco: Es gilt als Manifestation russischen Temperaments, wobei allerdings das Klavier phasenweise im Fortissimo-Orkus des Orchesters unterging. Nach glanzvoller Stretta und schmissigem Ende starker Applaus und Blumen für die Solistin, ihre Souveränität und Bravour in diesem hochvirtuosen Konzert, welches Weltpianist Nikolay Rubinstein damals erstmal für unspielbar gehalten hat. Schade, dass in dem sehr kurzen, kaum postkartengroßen Programm kein Platz für den Hinweis war, dass Gabriela Montero gegen Gesetzlosigkeit, Gewalt und Korruption in ihrer Heimat auch ankomponiert (Ex Patria, Tondichtung für Klavier und Orchester) und seit 2015 von Amnesty International zur Honorarkonsulin ernannt wurde. Dass sie zahlreiche Preise gewonnen hat, mit den berühmtesten Orchestern der Welt spielt (Chicago Symphony Orchestra, Gewandhausorchester Leipzig, Academy of St Martin in the Fields, Cleveland Orchestra u.a.) wird der routinierte Konzertbesucher wissen.

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Für die Zugabe erbat die Solistin wie schon öfter vom Publikum um ein Thema, zu welchem sie gerne improvisieren würde. Am lautesten rief derjenige, welcher George Gershwins Summertime vorschlug. Dazu entwickelte sie gekonnt verfremdete, technisch nicht anspruchslose, barocke Klänge mit Kontrapunkt, Fugato, Umkehrungen, zu akkordischem Schluss noch doppelgriffigen Oktaven über Orgelpunkt, worunter das Originalthema bald verschwand. Wer weiß, was aus dem Thema von Gershwin geworden wäre, hätten es Busoni im 20. oder J.S. Bach es schon im 18. Jahrhundert gekannt.

Nach der Pause dann die Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90 von Johannes Brahms (1833-1897), seine kürzeste. In der zeitgenössischen Kritik damals wurde sie nicht von allen geschätzt. Trotz "Blechlärm" wirke sie langweilig, eben weil dem Komponisten alle Augenblicke, wie man zu sagen pflegt, "der Zwirn alle wird". Mutig! Musikkritiker äußerten sich damals schon höchst subjektiv, müssen aber noch heute damit leben, dass andere oft anders empfinden. Das Publikum in Wuppertal hätte diese Musikkritik jedenfalls nicht nachvollziehen können. Unter vollem Körpereinsatz und großer eleganter dirigentischer Bewegung baute sich mit den breiten Forte- Akkorden über f-as-f oder in Dur f-a-f in Moll gleich zu Beginn ungeheure Spannung auf, die die abstürzenden Geigen mit ihrem punktierten Motiv gegen Synkopen der Bratschen kaum lösen konnte. Mirga Gražinyt?-Tyla inspirierte, stimulierte und ordnete souverän das riesige Orchester, welches in kammermusikalischen Phasen der Sinfonie die Qualität seiner Solisten zeigte. "Es ist Liebe und das Herz geht dabei auf", meinte Antonin Dvorak zu dieser Musik und auch das Publikum bei diesem denkwürdigen Konzertabend war bald stark beeindruckt und spendete Applaus bereits nach jedem Satz. Liedhaftes Seitenthema und Erweiterung des Kernmotiv von Horn und Oboe zu einer kleinen Melodie: Brahms'sche Sinfonik entwickelte sich in ganzer Fülle. Clara Schumann war "von Anfang bis Ende umfangen von dem geheimnisvollen Zauber des Waldlebens", der sich so heutzutage nicht mehr jedem im Publikum erschließt.

Beglückend, wie sich Im volksliedhaften zweiten Satz Andante sostenuto die Holzbläser mit den tiefen Streichern abwechselte, Oboe und Klarinette sangen, sich zuletzt romantisches Pianissimo über Pizzikato-Orgelpunkt der Kontrabässe ausbreitete und im Nachgesang das Ganze mit hohem lyrischen C der Solovioline endete. Die berühmte Cellokantilene zu Beginn des dritten Satzes entfaltete sich unter den Händen des Solocellisten poesievoll über dem leisen Pizzicato der Kontrabässe, welches wie reife Früchte auf den Grund des Orchesters fiel. Bei den leisen Sechzehnteltriolen hörte die romantische, naturbegeisterte Clara Schumann: "an Käfer und Mücken an rinnenden Bächlein spielen", obwohl von Programmmusik eigentlich keine Rede sein kann.

Im Allegro des Finales jagen Streicher und Fagott geheimnisvoll los, bevor Holz und Blechbläser eine gewisse Ordnung im musikalischen Chaos schaffen. Dann ging es mit typischen Brahms'schen Vorhalten, Synkopen und verschobenen Rhythmen wieder los. Triolen bringen zusätzliche Unruhe in das dramatische Geschehen, welches sich aber zuletzt überirdisch sostenuto beruhigt. Der Satz und die ganze Sinfonie endete verhalten im Pianissimo. Im Gegensatz zum damaligen Kritiker war das Publikum hier begeistert, spendete zuletzt auch am Ende Bravi und langen Applaus. Blumen gab es für die junge Dirigentin, die diese charmant an den Konzertmeister weiter reichte.

Nach der Station an der Wupper fährt das Orchester gleich vermutlich zu den letzten Konzerten vor der Babypause der Dirigentin an die Oos (Baden. Baden) und an die Isar (Neue Isarphilharmonie München). Der WDR hat das Konzert mitgeschnitten und wird es am 06.06.2022 um 20:04 senden.




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Ausführende

City of Birmingham Symphony Orchestra

Leitung: Mirga Gražinytė-Tyla

Gabriela Montero, Klavier


Werke

Pjotr Tschaikowsky:
Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op.23

Johannes Brahms:
Symphonie Nr. 3 F-Dur op.90



Weitere Informationen:

Bayer Kultur



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