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Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3 d-Moll

Tschechische Philharmonie Prag
Prager Philharmonischer Chor
Pueri gaudentes Boys' Choir
Fleur Barron, Mezzosopran
Semyon Byschkov, Dirigent

Samstag, 20. Januar 2024, im Festspielhaus Baden-Baden

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Festspielhaus Baden-Baden
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Mahlers Welt großartig abgebildet

Von Christoph Wurzel / Foto: © Petra Hajska (Archiv)

Mahlers Dritte schüttelt kein Orchester und kein Dirigent aus dem Ärmel. Diese Sinfonie in zwei Abteilungen und insgesamt sechs Sätzen ist das am größten dimensionierte Werk von Gustav Mahler. Neben dem überaus groß besetzten Orchester benötigt eine Aufführung eine Solistin und je einen Kinder- und einen Damenchor. Spektakulär ist die Klangfülle, die gut organisiert werden und heikel die komplexe Architektur, die klar strukturiert sein muss. Am schwierigsten scheint es aber zu sein, den Tonfall angemessen zu treffen, d.h. Mahlers Pathos nicht überzustrapazieren, vor allem aber die Ironie hörbar zu machen, die vor allem den 2. und 3. Satz durchzieht. Besonders gilt es im 3. Satz das zu vermeiden, was Theodor W. Adorno fälschlicherweise der dort enthaltenen Posthornepisode attestiert, welche der ansonsten berufene Mahlerexeget böserweise unter Kitschverdacht stellte.

Nein, es ist kein "Kitsch", wenn hier mitten im Scherzo von fern plötzlich die Melodie eines Posthorns hereinklingt und für viele Takte den Vorhang zu einer neuen Welt zu öffnen scheint. Es ist die Ahnung einer besseren Welt, die hier über dem grotesken Orchester-Gewusel aufscheint. Auf dem Höhepunkt des hektisch skurrilen Treibens (die gedankliche Grundlage ist ein Lied, das etwas hämisch davon erzählt, der Kuckuck habe "sich zu Tode gefallen", worauf nun die Nachtigall die Unterhaltung im Walde übernommen habe) - inmitten dieser bitter ironischen Weltsicht hören wir von fern hinter der Bühne diese Posthornmelodie, in dreifachem Piano und mit Dämpfer nur von den Violinen unterstützt. Zurecht wurde dieser Moment in der Aufführung durch die Tschechische Philharmonie in Baden-Baden zu einem Höhepunkt des Abends: mit dem warmen Ton eines wirklichen Posthorns (meist wird das weniger weich klingende Flügelhorn verwendet), geblasen in vollendet melodischer Phrasierung, in geheimnisvoller Ferne und doch sehr präsent - in rührend schöner Vollendung.

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Die Tschechische Philharmonie unter ihrem Chefdirigenten Semyon Byschkov (Archivbild)

Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Semyon Byschkov gelang der Tschechischen Philharmonie eine musikalisch treffgenaue und emotional außergewöhnlich berührende Aufführung. Und dies gerade weil der Dirigent die Kontraste der Musik nicht einebnete, sondern deren innere Dramatik verdeutlichte. Mahler selbst bekannte, dass eine Sinfonie "etwas Kosmisches an sich haben und unerschöpflich wie die Welt und das Leben" sein müsse. Eine ganze Welt in ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit möchte der Komponist darstellen, so wie er sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte - und er sah sie mit großer Skepsis. Nicht zuletzt auch aufgrund eigener Erfahrungen zu Zeiten von virulentem Antisemitismus.

Mahler sagt viel aus, was nur zwischen den Noten steht. Von Dirigentinnen und Dirigenten der jüngsten Generation sind bisweilen Mahler-Interpretationen zu hören, die sich vornehmlich auf ein geglättetes Klangbild konzentrieren und damit sicherlich mit großer Orchesterkunst beeindrucken, aber doch eben nur die Oberfläche der Musik erreichen. Hier war es anders: Byschkov und der Tschechischen Philharmonie gelang es, in die Tiefe der Musik vorzudringen. Der Klang war im 1. Satz fast aggressiv, rau, stellenweise sogar spröde. Kräftig und entschieden, wie Mahler es vorschreibt, setzen die Hörnerfanfaren zu Beginn ein mit den abschließenden heftigen zwei Akkorden wie ein Donnerschlag. Damit war der musikalische Duktus des Satzes unmissverständlich markiert.

Deutlichkeit auch im zweiten Satz, einem Menuett des "Als ob", durchhörbar und voller dezenter Ironie. Nach dem Scherzo mit der Posthornepisode folgten in zutiefst seriöser Feierlichkeit das Nachtstück mit den vertonten Nietzsche-Worten aus dem Zarathustra, ergreifend schlicht und doch ausdrucksvoll und in makelloser Diktion gesungen von der britisch-singaporischen Mezzosopranistin Fleur Barron. "Lustig im Tempo und keck im Ausdruck" dann das Wunderhornlied von den singenden Engeln, wo sich Mahler erneut des volkstümlichen Stils bedient. Anrührend gelang die dialogische Passage zwischen der Solostimme und dem Frauenchor: "Du sollst ja nicht weinen..." mit dem nahtlosen Übergang zum langen Adagio des letzten Satzes, der in beispielloser Steigerung auf die Schlussapotheose hinsteuert. Außerordentlich spannungsvoll ließ Byschkov hier im weiten Bogen den musikalischen Fluss sich entwickeln. So bezwingend, dass nach den mächtigen Tuttischlägen am Schluss das Publikum einen langen Moment gebannt der verklungenen Musik nachspürte.

Fazit:

Gäbe es von dieser Aufführung eine Aufnahme, dann wäre diese etwas für die sprichwörtlich einsame Insel.

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Produktionsteam

Tschechische Philharmonie Prag

Prager Philharmonischer Chor

Pueri gaudentes Boys' Choir

Fleur Barron, Mezzosopran

Semyon Byschkov, Dirigent


Programm

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3 d-Moll

 


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