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Irdische und himmlische Musik-Glücksgefühle Von Christoph Wurzel / Fotos: © Michael Bode (manolopress) Antonín Dvořák und Gustav Mahler in einem Programm - das war eine gute Idee. Unterschiede und Ähnlichkeiten machten die beiden Konzerte des Gewandhausorchesters im Festspielhaus deutlich. Unter der Leitung seines Chefdirigenten Andris Nelsons sind die Leipziger seltene Gäste an der Oos und wurden gerade umso herzlicher begrüßt und nach den beiden Konzerten frenetisch bejubelt. Dvořák und Mahler - das sind zwei Lebensläufe zur Zeit der Habsburgerherrschaft im Königreich Böhmen im Abstand von 20 Jahren. Beide verstanden sich ausdrücklich als böhmische Musikanten, aber mit gänzlich verschiedener Herkunft und völlig anderem Werdegang. Dvořák wurde in einem Dorf an einem Moldauknie in eine tschechische Gastwirts- und Metzgerfamilie hineingeboren, wenige Kilometer nördlich von Prag. Mahlers Vater, Deutsch sprechender Jude, betrieb eine Schnapsbrennerei in Iglau, einer habsburgischen Garnisonsstadt, etwas weiter südöstlich von Prag. Dvořák, bodenständig, in seiner heimatlichen Musikkultur stark verwurzelt, wenn auch mit der Zeit die Bindungen an seinen Nationalstil weltläufig ausbauend, machte Karriere als Opernkomponist und Symphoniker; Mahler dagegen als Dirigent, seine Arbeit als Komponist musste er in die von Verpflichtungen freien Sommermonate verlegen, kompositorisch immer auf der Suche nach Weiterentwicklung. Bezüge zur volkstümlichen Musik finden sich auch bei ihm zuhauf, stets aber mit ironisch-nostalgischem Akzent, nicht wie bei Dvořák als Ausdruck unverstellter Musizierlust. Nicht dass sich auch in Dvořáks Musik Abgründiges fände. In seiner Sinfonischen Dichtung Das goldene Spinnrad leistet der Komponist der blutrünstigen Ballade des tschechischen Dichters Karol Jaromir Erben ausgiebig Tribut. Der freundliche Titel bezieht sich auf ein sprechendes Spinnrad, das von einer grausamen Mordgeschichte erzählt, die Dvořák in bildhafte Musiksprache überträgt. Das Gewandhausorchester zeigte sich unter der Leitung von Andris Nelsons hier zur Eröffnung der zwei Konzerte bereits in bester Form, als lebendiger Erzähler, mit seinem berühmten warmen Streicherklang, den agilen Holzbläsern (z. B. in der Imitation des rotierenden Spinnrads), dem prachtvollen Blech und vom Dirigenten zu größter Transparenz geführt, mit einem Klangbild von beeindruckender Schönheit. Auf Dvořáks musikalisches Schauermärchen folgte Mahlers Vierte, in gewissem Sinne auch märchenhaft, wenn sie vom irdischen, aber vor allem am Schluss vom himmlischen Leben erzählt. Doch Mahler versteckt sich bereits im ersten Takt hinter den Narrenschellen, was Nelsons sehr markant und in betontem Ritardando im dritten Takt mit gehöriger Ironie würzte. Was Mahler so alles über seine Noten schreibt, "keck" bei den Bläsern, "behaglich" oder auch "klagend" in den Streichern - das übertrugen die großartigen Musikerinnen und Musiker des Gewandhausorchesters deutlich ins mitfühlende Ohr. Ironie ließ Nelsons walten, Sarkasmus hatte in seiner Interpretation keinen Platz. Die Vierte von Mahler strahlte Gelassenheit aus, Mahler erschien hier als Traditionalist, der er ja auch war, (noch) nicht als Verstörer oder einsam sehnsüchtig Suchender. Man glaubte sich vielmehr an die berühmten "himmlischen Längen" in Schuberts Musik zu erinnern. Selbst die kurze Verschattung gegen Ende des 3. Satzes blieb moderat und am Schluss öffnete sich der Himmel umso strahlender. Christine Karg mit jugendlich anmutiger Stimme oblag es dann, uns vom himmlischen Alltag zu erzählen, dem Backen und Kochen, dem (recht unspektakulären) Lämmerschlachten und vor allem dem Musizieren, dem kein anderes auf Erden gleicht. So wird es wohl sein: dies blieb als Herz ergreifender Eindruck von dieser Aufführung lebendig zurück. Mit Mahler ging es am zweiten Abend weiter. Nelsons präsentierte den sehr selten zu hörenden Blumine - Satz, den Mahler aber nicht als gültig empfand und als Bestandteil seiner Ersten Sinfonie nach der Uraufführung wieder verwarf. Ursprüngliche Verwendung fand er als Intermezzo zu Scheffels Schauspiel Der Trompeter von Säkkingen, das Mahler in Kassel komponiert hatte. Mit ihrer lyrisch-anrührenden Trompetenmelodie erinnert die Musik etwas an die Posthorn-Episode aus der Dritten Sinfonie, die aber ja in ein komplexes sinfonisches Geschehen eingebettet ist. Blumine ist eher eine kurze Impression, weit weniger elaboriert als vieles bei Mahler sonst. Aber vor allem die schöne Melodie kam durch den Solotrompeter zu vollem Recht und Nelsons gestaltete den Satz liebevoll aus. Die Jussen-Brüder mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Andris Nelsons beim Konzert im Baden-Badener Festspielhaus Auch eine Komposition eines seiner Vorvorgänger am Gewandhaus hatte Nelsons mitgebracht: von Felix Mendelssohn Bartholdy das Konzert für 2 Klaviere und Orchester, eine Komposition des Vierzehnjährigen für sich und seine Schwester Fanny. Die beiden Solisten dieses Abends sind etwa doppelt so alt und trotzdem noch keine dreißig Jahre: Lucas und Arthur Jussen, die sensationell erfolgreichen Pianisten-Brüder aus den Niederlanden. Mit ihnen bekam das Konzert die kongeniale jugendliche Frische, den pianistischen Glanz und einen ungeheuren Drive. Die beiden Solisten übertrumpften sich förmlich an Temperament, Präzision, aber auch in Geschmeidigkeit und subtilem Ausdruck. Nelsons arbeitete mit dem Orchester die je eigene Stilistik der einzelnen Sätze markant heraus, im ersten den unverkennbaren Mozartton im zweiten die tiefe Romantik des Adagios und im dritten, dem furiosen Allegro, eine betörende Eleganz, die schon auf die reiferen Werke des Komponisten hinweist. Untrüglich: so musste es klingen - bei diesen Pianisten war die Musik in den besten Händen und bei Dirigent und Orchester ebenso. Begeisterung im Publikum dafür und nochmals nach der Zugabe, einer furiosen Johann-Strauß-Paraphrase, samt Fledermaus und anderen Walzern. Mit seiner Achten Sinfonie maß das Gewandhausorchester abschließend noch einmal den ganzen Kosmos von Dvořáks Klangkunst aus, vom einleitenden Motto des ersten Satzes mit der wunderschön elegisch gebundenen Streichermelodie im Verein mit den tiefromantischen Hörnern bis hin zur überbordenden Energie im vierten Satz in all seinem böhmischen Musiziervergnügen.
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AusführendeGewandhausorchester Andris Nelsons, Dirigent Werke7. März 2025 Antonín Dvorřák Gustav
Mahler Solistin: Christiane Karg
8. März 2025 Gustav
Mahler Felix
Mendelssohn Bartholdy Antonín Dvořák
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