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Adriano in Siria

Oper in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio, GraunWV B:I:12
Musik von Carl Heinrich Graun
(mit neu komponierten Intermezzi von Massimiliano Toni)

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Konzertante Aufführung am Samstag, 5. Oktober 2024, 19.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 


Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)

Barockoper mit modernen Intermezzi

Von Thomas Molke 

Carl Heinrich Graun ist vor allem durch seine geistlichen Werke in die Musikgeschichte eingegangen. Sein Passionsoratorium Der Tod Jesu, das er im Auftrag von Prinzessin Anna Amalia in Preußen 1755 auf einen Text von Karl Friedrich Ramler vertonte, wurde bis ins 20. Jahrhundert regelmäßig zur Passionszeit gespielt, und auch sein Te Deum wurde noch lange nach seinem Tod aufgeführt. Sein Opernschaffen geriet hingegen nach seinem Tod am 8. August 1759 sehr schnell in Vergessenheit, obwohl Graun Mitte des 18. Jahrhunderts gemeinsam mit Johann Adolph Hasse vor allem die Berliner Opernszene beherrscht hatte. Mit der für die Hochzeitsfeierlichkeiten des preußischen Kronprinzen Friedrich II. mit Prinzessin Elisabeth Christine komponierte Oper Lo specchio della fedeltà hinterließ er bei Friedrich einen so bleibenden Eindruck, dass dieser ihn zunächst als Komponisten an seinen Hof in Rheinsberg und später nach der Thronbesteigung 1740 zum Hofkapellmeister in Berlin ernannte, dem dann auch die Ehre zuteil wurde, die neu erbaute Königliche Hofoper Unter den Linden mit Cleopatra e Cesare zu eröffnen. Insgesamt 26 Opern komponierte Graun für den Berliner Hof, zu denen Friedrich II. teilweise höchstpersönlich das Libretto verfasste. Am bekanntesten dürfte wohl die Oper Montezuma aus dem Jahr 1755 sein. Dorothee Oberlinger hat im vergangenen Sommer bei den von ihr geleiteten Musikfestspielen Potsdam Sanssouci nun erstmals in der Neuzeit Grauns Oper Adriano in Siria szenisch herausgebracht, die nun in der Philharmonie Essen in einer konzertanten Aufführung zu erleben ist.

Das am 7. Januar 1746 an der Berliner Hofoper uraufgeführte Werk basiert auf einem Libretto von Pietro Metastasio über den römischen Kaiser Hadrian (Adriano) und wurde von 1732 (Antonio Caldara) bis 1828 (Saverio Mercadante) sehr häufig vertont. Dabei geht die Vorlage sehr frei mit den Begebenheiten der römischen Geschichte im Jahr 117 n. Chr. um, und damit sind nicht die zusätzlich eingefügten Liebesverstrickungen gemeint. Die Oper beginnt mit Adrianos Einzug in die Stadt Antiochia nach seinem Sieg über die Parther, wo er als neuer römischer Kaiser gefeiert wird. Zwar befand sich Hadrian am 11. August 117 n. Chr. in Syrien, als er zum römischen Kaiser ernannt wurde, weil sein Adoptivvater Trajan gestorben war. Der Partherfeldzug wurde allerdings von Trajan initiiert und war nur bis 116 n. Chr. von teilweisen Erfolgen gekrönt. Als Hadrian 117 n. Chr. die Macht übernahm, war der Kontrollverlust der Römer über die östlichen Gebiete bereits so groß, dass Hadrian die von Trajan eroberten und neu eingerichteten Provinzen aufgab und den Euphrat wieder als Reichsgrenze festlegte. Zwar endet auch die Oper damit, dass Adriano dem parthischen König Osroa (Osroes I.) Freiheit und Reich schenkt. Die zahlreichen Anschläge, die Osroa in der Oper zuvor auf Adrianos Leben plant, um sich von der römischen Herrschaft zu befreien, sind aber ebenso frei erfunden wie Adrianos Liebe zu Osroas Tochter Emirena, für die er seine Verlobte Sabina verlassen will, die ihm nach Syrien nachgereist ist.

Die Solistinnen und Solisten, die größtenteils auch in der szenischen Aufführung in Potsdam zu erleben waren, treten mit Ausnahme von Valer Sabadus, der erneut die Titelpartie übernimmt, mit Textbüchern auf, durchbrechen aber zumindest mimisch den konzertanten Charakter und lassen sich teilweise auch in die Tanz-Intermezzi einbeziehen, die in das Werk eingefügt worden sind. Oberlinger erläutert nach der Pause, dass es im 18. Jahrhundert Usus gewesen sei, dass in den Pausen einer höfischen Oper Balletteinlagen als Intermezzi geboten worden seien und dass bei der Uraufführung von Grauns Oper die Tänzerin Barbara Campanini, genannt "La Barberina", nach deren Beinen seit 1744 wohl ganz Berlin verrückt gewesen sein soll, ihren wohl berühmtesten Auftritt gehabt haben soll. Da diese Intermezzi allerdings nicht erhalten sind, Oberlinger diese Dame aber dennoch einbauen möchte, hat Massimiliano Toni eine moderne Barberina Suite in drei Teilen komponiert, die am Ende der einzelnen Akte dann szenisch präsentiert werden. Mit der Musik versucht Toni eine Brücke zu echten syrischen Klängen zu schaffen. Oberlinger hat dafür den syrischen Nay-Spezialisten Mohamad Fityan engagiert, mit dem sie an der Blockflöte mit kleiner Besetzung diese Intermezzi begleitet. Der Tänzer Noah Hellwig, der gemeinsam mit der Regisseurin der Produktion in Potsdam, Deda Cristina Colonna, diese Tanzeinlagen choreographiert hat, tritt in weißer Hose und weißem Hemd auf und setzt die modernen Klänge in recht abstrakt gehaltenen Bewegungen um. In das zweite Intermezzo bezieht er Sabina und Emirena ein. Beim dritten Intermezzo tanzen schließlich alle über die Bühne und greifen so das Lieto fine der Oper noch einmal auf. Das ist zwar interessant anzuhören, bietet musikalisch aber einen Bruch zur Barockmusik Grauns und damit auch im Stück. Nur an einer Stelle im dritten Akt wird eine gelungene Brücke zwischen den zwei Kompositionen geschlagen, wenn Adriano verliebt Emirenas Namen singt und dabei in der musikalischen Struktur Grauns Tonsprache verlässt und sich dem Klang der Intermezzi annähert.

Aber selbst wenn man sich mit den Intermezzi nicht anfreunden kann, schmälern sie den musikalischen Genuss der Oper keineswegs, weil Oberlinger mit einem hervorragenden Ensemble die Barockpracht von Grauns Musik wunderbar herausarbeitet. Sehr umsichtig und mit Gespür für die Zwischentöne lotet sie mit ihrem Ensemble 1700 die Feinheiten der Partitur aus und belegt, wieso sich Barockmusik seit einigen Jahrzehnten steigender Beliebtheit erfreut. Valer Sabadus ist eine Idealbesetzung für die Titelpartie. Mit überzeugendem Spiel mimt er einen Kaiser, der sich teilweise wie ein kleines trotziges Kind benimmt, das seinen Willen nicht bekommt. So schreitet er bei Emirenas Zurückweisung beleidigt von der Bühne, während er sich beim Auftauchen von Sabina wie ein kleiner Junge bei einem Streich ertappt fühlt. Das alles setzt er stimmlich mit einem leuchtenden Countertenor um, der sich problemlos in kraftvolle Höhen schraubt und in den Koloraturen enorme Flexibilität besitzt. Ein musikalischer Glanzpunkt ist seine Arie am Ende des zweiten Aktes, wenn er einem weiteren Anschlag Osroas entkommen ist und Emirena, Farnaspe und Osroa allesamt in den Kerker werfen lässt. Hier lässt Sabadus der Wut des Kaisers mit exorbitanten und teilweise bewusst scharf angesetzten Koloraturen freien Lauf. Umso milder präsentiert er sich im dritten Akt, wenn er Osroa den Frieden und die Freiheit anbietet, falls dieser ihm im Gegenzug seine Tochter als Braut gibt. Hier begeistert Sabadus durch sehr weiche Stimmführung.

Roberta Mameli verfügt als Emirena über einen strahlenden, kristallklaren Sopran, der in den Höhen durch eine enorme Wärme glänzt. Schon allein stimmlich wird nachvollziehbar, wieso der Kaiser sich nach ihr verzehrt. Doch ihre Liebe gehört Farnaspe, auch wenn sie diese schweren Herzens im ersten Akt auf Druck des Dieners des Kaisers verleugnen muss. Umso deutlicher wird sie dann aber im Duett am Ende des ersten Aktes, wenn sie gemeinsam mit dem Geliebten um sein Leben bangt. Federico Fiorio, der in Potsdam als Adrianos Diener Aquilio aufgetreten ist, schlüpft in Essen in die Partie des Farnaspe und begeistert mit leuchtendem Sopran, bei dem in der Stimmfärbung nicht mehr zu erkennen ist, dass es sich um einen Mann handelt. Mit Mamelis Sopran gehen die beiden Stimmen im Duett am Ende des ersten Aktes eine Einheit ein, die unter die Haut geht und beweist, dass diese beiden Figuren zusammengehören. Auch in seinen übrigen insgesamt vier Arien begeistert Fiorio durch strahlende Höhen.

Keri Fuge stattet die Partie von Adrianos zurückgewiesener Geliebten Sabina ebenfalls mit warmem, lyrischem Sopran aus, lässt aber auch stimmlich mit heftigen Ausbrüchen ihrer Wut freien Lauf, wenn sie die freundlichen Worte der vermeintlichen Nebenbuhlerin als Spott deutet. Dennoch ist sie bereit, Emirena und Farnaspe zur Flucht zu verhelfen, weil sie nicht zuletzt dadurch erhofft, die Zuneigung Adrianos zurückzugewinnen. Doch sie hat die Rechnung ohne Adrianos Diener Aquilio gemacht, der selbst ein Interesse an ihr hat und sie daher vom Kaiser fernhalten will. Maayan Licht, einziger Neuzugang in der Produktion, stattet den intriganten Diener mit weich angesetzten Höhen aus und zeigt am Ende, wenn seine Intrige auffliegt und Adriano seine wahren Gefühle für Sabina erkennt, aufrichtige Reue. Die einzige "dunkle" Stimme im Ensemble ist der Haute-contre David Tricou, der der Figur des Königs Osroa eine sehr kämpferische Note verleiht. Mit eindrucksvoller Mimik macht er deutlich, dass er den römischen Kaiser verachtet und stets zum Kampf mit ihm bereit ist. Auch stimmlich punktet Tricou mit kraftvollen Höhen. So gibt es für alle Beteiligten am Ende der Aufführung, die eine gute halbe Stunde länger dauert als im Programmheft ausgewiesen, großen und verdienten Applaus.

FAZIT

Es ist immer wieder schön, wenn vergessene Barockperlen wiederentdeckt werden, vor allem, wenn es so ambitioniert und überzeugend umgesetzt wird wie von Dorothee Oberlinger und ihrem Ensemble.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Blockflöte
Dorothee Oberlinger

Choreographie der Intermezzi
Deda Cristina Colonna
(Noah Hellwig)

Ensemble 1700

Nay
Mohamad Fityan


Solistinnen und Solisten

Adriano
Valer Sabadus

Emirena
Roberta Mameli

Farnaspe
Federico Fiorio

Osroa
David Tricou

Sabina
Keri Fuge

Aquilio
Maayan Licht

Barberina (Tanz)
Noah Hellwig

Choristin
Lucile Bailly-Gourevitch

Chorist
Kimon Barakos

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Theater und Philharmonie Essen
(Homepage)



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