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Klangrausch in prachtvollem Lichtdesign Von Claudia Stockmann / Fotos: © Sinfonieorchester Wuppertal (Yannick Dietrich)
Als Steven Sloane 2021 nach über 20 Jahren als Generalmusikdirektor der Bochumer
Symphoniker zu neuen Ufern aufbrach, hatte er als Abschiedsgeschenk für das
Bochumer Publikum einen konzertanten Ring des Nibelungen im wenige Jahre
zuvor eröffneten Musikforum geplant. Leider konnte das Projekt wegen diverser
Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nicht realisiert werden. Da hat der
gerade mal 30-jährige Patrick Hahn in Wuppertal (hoffentlich) mehr Glück. Er
krönt seine überaus erfolgreiche fünf Jahre dauernde Zeit als
Generalmusikdirektor des Sinfonieorchesters Wuppertal ebenfalls mit einem
Ring. Da das Projekt im Opernhaus derzeit nicht zu realisieren ist,
präsentiert er Wagners Monumentalwerk im Rahmen der Sinfoniekonzerte in der
Historischen Stadthalle in Wuppertal und hat dazu eine Riege hervorragender
Gäste an die Wupper geholt. Damit es sich nicht um eine rein konzertante
Aufführung handelt, hat er Fabio Rickenmann als Dramaturgen und
Produktionsleiter mit ins Boot geholt, um mit szenischen Elementen, die vor
allem aus einem prachtvollen Lichtdesign bestehen, ein Ring-Erlebnis zu
bescheren, das den Kritikern des modernen Regie-Theaters sicherlich besser
gefallen dürfte als manch szenische Produktion.
In den Tiefen des Rheins: Patrick Hahn mit dem
Sinfonieorchester Wuppertal
Es beginnt direkt beim berühmten Es-Dur-Akkord in den Tiefen des Rheins. Die
pittoresk bemalte Decke der Stadthalle wird in zart fließenden Blautönen
angestrahlt, was im Publikum den Eindruck entstehen lässt, man befinde sich
wirklich auf dem Grund des Rheins. Dabei lässt Hahn mit dem Sinfonieorchester
Wuppertal in sauber ausgewogenen Klangfarben sehr lautmalerisch den Fluss sich
aus seinem Bett erheben. Die drei Rheintöchter treten nicht wie bei einer
konzertanten Aufführung vor dem Orchester auf, sondern sind zunächst auf der
rechten Galerie positioniert, was das Gefühl entstehen lässt, dass sie wirklich
wie Nixen im Rhein schwimmen. Juliana Zara, Edith Grossman und Marta Herman
überzeugen als Woglinde, Wellgunde und Floßhilde mit sauberem Dreiklang und
klarer Diktion. Ihre Kleider sind mit einem blauen Tuch versehen, das sie wohl
als Wasserwesen auszeichnen soll. Joachim Goltz tritt dann als Alberich "unten" vor
dem Orchester auf und beobachtet lüstern das fröhliche Treiben der Mädchen.
Goltz begeistert dabei nicht nur mit dunkel gefärbtem und kraftvollem Bariton,
sondern weiß auch szenisch zu punkten. Natürlich sind die Wesen oben auf der
Galerie von unten unerreichbar und alle Versuche, sie zu fangen, zum
Scheitern verurteilt. Da rutscht er unter anderem auch am Dirigentenpult aus und muss sich am
Geländer festhalten. Dass Hahn sich dabei für keinen Scherz zu schade ist, zeigt
die folgende Szene, wenn Goltz nach heftigem Niesen seine Nase am Frack des
Dirigenten abwischt.
Die Rheintöchter steigen von der Galerie und setzen auf der Bühne und im Saal
ihr neckisches, dabei allerdings recht gemeines Spiel mit dem Nibelungen fort.
Wenn dann das Rheingold im Fluss durch die aufgehende Sonne angestrahlt wird,
erfolgt auch ein eindrucksvoller Lichtwechsel. In glänzenden Farben erstrahlt
die riesige Orgel hinter der Chorempore und lässt den Nibelungen und die
Rheintöchter ihr Spiel unterbrechen. Allerdings zeigen sich die Mädchen als viel
zu leichtgläubig und unvorsichtig und verraten die Macht des Goldes, so dass
Alberich mit kraftvollem Bariton die Liebe verflucht, das Gold raubt und die
Rheintöchter quasi im Dunkeln zurücklässt.
Es folgt der Wechsel zur zweiten Szene auf wolkigen Höhen. Hier wird jetzt der
ganze Saal erhellt, weil wohl der Glanz der Burg Walhall auf den Göttervater
Wotan abstrahlt, der mit seiner Gattin Fricka zunächst sitzend vor dem Orchester
ruht. Michael Kupfer-Radecky stattet den Wotan mit beweglichem Bariton aus, der
den Göttervater noch als relativ jugendlichen Gott zeichnet, was vor allem am
ständigen Genuss von Freias Äpfel liegen könnte. Doch damit dürfte es bald ein
Ende haben, weil er die Göttin der Jugend den beiden Riesen Fasolt und Fafner
als Lohn für den Bau der Burg versprochen hat. Darüber beschwert sich Jennifer
Johnston als Fricka auch sofort mit vollem Mezzosopran, der andeutet, dass man
mit dieser Frau sicherlich keinen Streit bekommen möchte. Schon naht Zara, die
neben der Rheintochter Woglinde, auch die Göttin Freia verkörpert und bittet um
Schutz vor den Riesen, die behäbig durch den Saal auftreten. Guido Jentjens
stattet die Partie des Fasolt mit kraftvollem Bass aus. Gleiches gilt auch für
Kurt Rydl als Fafner, wobei bei ihm lediglich die Textverständlichkeit ein wenig
zu wünschen übrig lässt. Aber man hat ja Übertitel. So kann man den Text
gegebenenfalls mitlesen, wenn man nicht als eingefleischter "Wagnerianer" ihn sowieso mitsprechen kann.
Loge (Michael Laurenz, vorne) erzählt Fricka
(Jennifer Johnston) und Wotan (Michael Kupfer-Radecky, hinten) von der
Faszination des Rheingolds.
Eindrucksvoll gelingt anschließend auch der Auftritt Loges. Fast unbemerkt
taucht er durch das Orchester auf. Michael Laurenz begeistert in der Partie
nicht nur mit sauber geführten Höhen und geschmeidigem Tenor, sondern punktet
auch darstellerisch mit großartiger Mimik und Gestik, die die Verschlagenheit
und Windigkeit des Feuergottes spürbar macht. Dabei punktet er auch mit einer
gewissen Komik, wenn er die Macht des Goldes beschreibt, die auch eine erkaltete
Liebe in der Ehe neu entfachen könne. Hier legt er Frickas Arm auf den Arm
ihres Gatten, was von beiden eher irritiert als begeistert zur Kenntnis genommen
wird. So gelingt es ihm schließlich, die Riesen von einem anderen Lohn für ihre
Arbeit zu überzeugen, und steigt mit Wotan durch den Saal nach Nibelheim
hinab, um Alberich das Gold zu rauben.
Alberich (Joachim Goltz, rechts) knechtet die
Nibelungen und seinen Bruder Mime (Cornel Frey, Mitte) (links mit vollem
Körpereinsatz: Patrick Hahn).
Auch dieser Weg wird von Hahn mit dem Sinfonieorchester Wuppertal in
schillernden Farben ausgemalt. Dabei leuchtet die Orgel in feurigem Rot, was die
harte Arbeit unter der Erde beschreibt. Auf der Chorempore hinter dem Orchester
sind sechs Ambosse aufgestellt, an denen die Musikerinnen und Musiker einen
höllischen Lärm erzeugen, der die Welt der Nibelungen in grausamsten Farben
zeichnet. Dies hat nicht zuletzt Alberich zu verantworten, der das Volk
despotisch knechtet. So kann man mit ihm auch kein Mitgefühl haben, wenn ihm der
Schatz schließlich geraubt wird. Einen eindrucksvollen, wenn auch kurzen,
Auftritt hat Cornel Frey als Mime, der mit intensivem Spiel zeigt, dass
Alberichs Bruder um keinen Deut besser ist und selbst gerne die Macht hätte.
Dabei punktet Frey mit leicht schneidendem Tenor und grandioser Mimik und
Gestik. Auch die Verwandlung Alberichs durch den Tarnhelm gelingt in dieser
Aufführung überzeugender als in manch szenischer Umsetzung. Der Riesenwurm
entsteht mit zwei großen Leuchtaugen und blauen Streifen als Fangzähnen auf der
Orgel. Als Kröte hüpft Alberich schließlich als Lichtpunkt munter über den
Bühnenhintergrund, bis er schließlich von Wotan und Loge eingefangen und aus
Nibelheim entführt wird. Noch einmal untermalen die Ambosse den unliebsamen Ort.
Erda (Marta Herman, oben) mahnt Wotan (Michael
Kupfer-Radecky, Mitte mit den übrigen Göttern von links: Donner (Thomas Laske),
Froh (Patrik Reiter) und Fricka (Jennifer Johnston) und auf der rechten Seite:
Freia (Juliana Zara)), den Ring abzugeben.
Zurück in wolkigen Höhen versucht Loge sehr eindringlich, Wotan zur Vernunft zu
bringen, weil er direkt beim Raub des Ringes erkennt, dass seine eigentliche
Mission, den Ring den Rheintöchtern zurückzugeben, gefährdet ist. Sofort ist
Wotan nämlich von der Macht des Rings fasziniert und will ihn im Gegensatz zum
restlichen Schatz auch nicht den Riesen überlassen, um Freia zu lösen. Hier
verlässt Loge die Bühne. Man hat das Gefühl, dass er nun selbst Hilfe bei Erda
sucht, so dass diese kurz darauf mahnend auf der linken Galerie auftritt und
Wotan überzeugen kann, den Ring doch den Riesen zu überlassen. Herman punktet
hier mit sattem Mezzosopran und wunderbar klarer Diktion. Man kann
nachvollziehen, wieso es Wotan zu dieser Frau hinziehen wird. Die fatale Wirkung
des Rings zeigt sich sofort, als Fafner seinen Bruder Fasolt erschlägt. Dass
Freia mit den Riesen die Bühne verlässt und nicht mit den Göttern in Walhall
einzieht, mag der Tatsache geschuldet sein, dass Zara am Ende noch einmal als
Rheintochter Woglinde auftreten muss.
Jubelnder Schlussapplaus: von links: Donner
(Thomas Laske), Fafner (Kurt Rydl), Erda / Floßhilde (Marta Herman), Freia /
Woglinde (Juliana Zara), Wellgunde (Edith Grossman), Alberich (Joachim Goltz),
Wotan (Michael Kupfer-Radecky), Patrick Hahn, Loge (Michael Laurenz), Fabio
Rickenmann, Fricka (Jennifer Johnston), Mime (Cornel Frey), Fasolt (Guido
Jentjens) und Froh (Patrik Reiter)
Der Einzug in die Götterburg Walhall gelingt dann auch musikalisch hehr, nachdem
Donners Schlag zunächst den Saal zum Erzittern gebracht hat. Hinter dem
Orchester tritt ein Musiker mit riesigem Holzhammer auf, den er kraftvoll auf
einen Holzblock aufprallen lässt, was durch Blitze im Saal noch unterstrichen
wird. Die Rheintöchter sind bei ihrer Klage am Ende im hinteren Bereich der
Galerie im Dunkeln untergebracht, was betont, dass ihr Weinen die Götter nicht
erreicht, die dann prachtvoll zu den letzten Tönen der Musik, die von Hahn mit
dem Sinfonieorchester Wuppertal grandios ausgekostet wird, nach Walhall
schreiten. Sobald der letzte Ton verklungen ist, bricht im Saal ein riesiger
Jubel aus. Die Solistinnen und Solisten und das Orchester werden zurecht
frenetisch gefeiert, so dass man kaum bis Januar warten möchte, bis der Ring
in Wuppertal fortgesetzt wird.
FAZIT |
Produktionsteam
Musikalische Leitung Dramaturgie und Produktionsleitung
Sinfonieorchester Wuppertal Solistinnen und SolistenWotan Loge Alberich Fricka Freia Erda Donner Froh Fasolt Fafner Mime Woglinde Wellgunde Floßhilde
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- Fine -