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Musiktheater
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Im Weißen Rössl

Musik von Ralph Benatzky
Singspiel von Hans Müller und Eric Charell
(frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg)
mit musikalischen Einlagen von Robert Stolz, Bruno Granichstaedten, Robert Gilbert und Hans Frankowski
Gesangstexte von Robert Gilbert

Bearbeitung: Elmar Ottenthal, Michael Klette, Jeremy Hulin

Premiere am Theater Aachen
am 27. Dezember 1997

Von Heike Schumacher / Fotos von Ludwig Koerfer




Aachens gelungene Reise an den Wolfgangsee

Liebenswert-leicht auf die Schippe genommen wurde das allzu bekannte „Operettchen“ aus dem Salzkammergut. Kurzfristig in den Spielplan aufgenommen, erwies sich das „Weiße Rössl“ als der Publikumsschlager, als der es gedacht war. Elmar Ottenthal und Michael Klette schufen eine spritzige Operettenrevue, die mit Spielfreude, Tempo und der gehörigen Portion Ironie von Schauspielern und Sängern umgesetzt wurde.

Dekor und Eingangsszene ließen sofort Urlaubsstimmung aufkommen. Der Orchestergraben war zur Gartenwirtschaft umfunktioniert, die Bühne dominierten zwei riesige Schießscheiben, die im Trachtendekor die zwei wichtigsten baulichen Elemente des Stückes enthielten: Das Wirtshaus mit Balkon und gegenüber der Wolfgangsee als Theaterkulisse, barock gerafft und umrahmt. Nach dem überraschenden musikalischen Empfang durch zwei zünftige Alphornbläser nahmen Orchester und Chor auf der Bühne Platz und wurden Teil der touristischen Atmosphäre. Die erste Szene zeigt die dösende Kellnermannschaft vorm Eintreffen der ersten Sommerfrischler, man spielt Karten und unterhält sich (natürlich) über die Liebe. Doch die Beschaulichkeit wandelt sich in quirlige Betriebsamkeit nach dem Tuten des ersten Dampfers und nun - wirbelt alles durcheinander. Das Kurorchester spielt gekonnt zum Tanz und mancher Schauspieler „muß halt singen“, wenn ihn das Gefühl übermannt.

In der Mischung von Sängern und Schauspielern lag der Reiz, aber auch teilweise die Crux dieser Aufführung. Durch die Beteiligung der Schauspieler wurde rasch und witzig gespielt, mancher Klamauk, aber ebenso gut gemachte Komik boten ein Feuerwerk der Unterhaltung. Hier war Schwung und Begeisterung zu spüren und riß das Publikum mit.

Foto: AACHEN/Im weißen Rössel Nicht ganz so überzeugend waren aber die sängerischen Leistungen der Darsteller. Das tat der Rolle des Leopold zum Beispiel einigen Abbruch. Dessen tief-heisere Stimme machte aus den bekannten Hits der Volksmusik eine ungewollte Parodie und nahm der Rolle den Charme. Bei seinen Gesangseinlagen mußte zeitweise die Mikrophonanlage so laut gestellt werden, daß die Nebengeräusche sehr störend wirkten. Schauspielerisch gewann er dann im zweiten Teil , die ernsteren Töne des Leopold gelangen ihm gut.

Daß dagegen auch Sänger gut schauspielern können, zeigte Axel Herrig als Dr. Otto Siedler (mit Nicole Malangré als Ottilie). Er überzeugte schwungvoll als draufgängerischer Rechtsanwalt, der die Frauenwelt mit Gesang und Tanz im Sturm erobert und leichtfüßig damit ans Ziel kommt. Nicole Neiss als Josepha Vogelhuber war ihm da ein würdiges Gegenüber. Sprachlich (ihr gelang es als eine der wenigen überzeugend, die mundartliche Färbung durchzuhalten) und gesanglich einwandfrei verkörperte sie die attraktive und geschäftstüchtige Wirtin vom Weißen Rössl. Ebenso routiniert trotz leichter Indisponierung: Nicole Malangré als keck-freche Ottilie.

Foto: AACHEN/Im weißen Rössel Komödiantisch hervorragend spielte Rainer Krause den Fabrikanten Wilhelm Giesecke. Aus dem Berliner Fabrikanten hatte die Regie eine Tegtmeier-Parodie aus Wanne-Eickel gemacht, der mit dem Standardsatz „das wär uns im Münsterland nicht passiert“ zu immer neuen Heiterkeitsausbrüchen führte. Durchgehend hervorragend, agil, wendig und spritzig zeigte Nicole Ernst den Piccolo (mit Benjamin Kradolfer als Leopold), daß es eine Freude war zuzuhören und zuzuschauen.

Parodie und wohl ernstgemeinte Touristenschelte wechselten sich ab. Die Schar der erholungssuchenden Touristen (das Salzkammergut in vier Stunden) wurde vom Opernchor dargestellt. Hier zeigte er wieder einmal, wie beweglich er nicht nur stimmlich ist, trat er doch von allen Seiten der Bühne und des Zuschauerraumes auf und blieb stets genau in der musikalischen Ausführung.

Foto: AACHEN/Im weißen Rössel Nette Regieeinfälle waren das Liebespaar auf der venezianischen Gondel (oder sollte es der Schwan aus Lohengrin sein?) und die jodelnde Heumagd (Monika Kettenis) im ersten Rang, die Piccolo Ernstl das Klettern beibrachte. Mehr mit höflichem Applaus bedacht wurde Leopolds Liegestuhlnummer, der Gag war dann doch schon etwas zu alt. Dabei wurden ansonsten Slapstick und pantomimische Elemente gekonnt eingesetzt. Hervorragend hier das Buffo-Paar im Familienbad: Der schöne glatzköpfige Sigismund (Victor Calero) und das lispelnde Klärchen (Romy Gehrke), die schließlich vom Himmel herab auf den Strickleitern auch gekonnt singend ihr Liebesgeflüster zum Abschluß brachten.

Musikalisch wurden mitunter Reverenzen an den Aachener Spielort dargebracht, angefangen von dem Titel „Aachener Schürzenjäger“ für die Kapelle bis zum Aufmarsch als Schützenkapelle zum Einzug des Kaisers unter den Klängen des Aachener-Karnevals-Vereins-Marsches - den Kaiser wollte Schauspieldirekor Klette dann doch nicht ernst nehmen. Dieser wurde von Miklós Horváth gekonnt als Inbegriff einer altersschwachen Monarchie dargestellt, der an seinen persönlichen Tragödien (Sissi...) zwar leicht resigniert, aber Josepha tröstend auf den Weg gibt ‘S’ist einmal im Lebens so, schweige und begnüge dich.“

Bühnenbild und historische Kostüme von Wolfgang Buchner tragen entscheidend zum Erfolg der Aufführung bei. Er schafft alpenländisches Dekor, gekonnt angedeutet, mit leichtem Schmunzeln präsentiert, leicht und nicht bemüht verfremdet - kurz: ein Hingucker, der Fernweh macht. Nach den letzten sehr strengen Bühnenbildern der Aachener Opernpremieren ist es geradezu eine Erholung, mal etwas zum „Schauen“ zu haben.


FAZIT:

Ein schwungvoller Abend, der den Vorgeschmack von Sommerurlaub ins triste Regenwetter zauberte.

Logo: Theater Aachen

Musikalische Leitung
Jeremy Hulin

Inszenierung
Elmar Ottenthal/Michael Klette

Bühnenbild und Kostüme
Wolfgang Buchner

Choreographie
Peter Wissmann

Choreinstudierung
Norbert Hebel

Dramaturgie
Martin Brandl


Solisten

Josepha Vogelhuber
Nicole Neiss

Leopold
Benjamin Kradolfer

Wilhelm Giesecke
Rainer Krause

Ottilie
Nicole Malangré

Dr. Otto Siedler
Axel Herrig

Sigismund Sülzheimer
Victor Calero

Prof. Dr. Hinzelmann
Joachim Schweizzer

Klärchen
Romy Gehrke

Der Kaiser
Miklós Horváth

Piccolo
Nicole Ernst

Vier Sänger
Munki Jeong
Hans Schaapkens
Richard Meyer
Johannes Piorek

Zwei Mägde
Monika Kettenis
Olga Stöcker

Jodlerin
Monika Kettenis
/Olga Stöcker

Zwei Alphornbläser
Bardenberger Alphornduo:
Joachim und Josef Nacken

Franzl/Ketterl
Volker Uminski
Julia Beaujean
Roger Goldbach
Tobias Nowowiejski
Heike Schüller


Opernchor des
Theaters Aachen

Sinfonie Orchester Aachen




Weitere Aufführungen

Dezember ‘97 28.,30.,31.
Januar ‘98 2.,8.,16.
Februar '98: 3.,4.,7.
März '98: 1.,8.,22.



Foto: AACHEN/Im weißen Rössel

Benjamin Kradolfer (Leopold) und
Nicole Neiss (Josepha Vogelhuber)



Foto: AACHEN/Im weißen Rössel

Joachim Schweizzer (Prof. Dr. Hinzelmann)
und Rainer Krause (Wilhelm Giesecke)



Foto: AACHEN/Im weißen Rössel

Victor Calero (Sigismund Sülzheimer)
und Romy Gehrke (Klärchen)





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