Premiere an der Deutschen Oper am Rhein am Theater der Stadt Duisburg am 26. Oktober 1996
Besetzung
Graf Almaviva Jörg Schneider Bartolo Constantin Dumitru Rosina Andrea Edina Ulbrich Figaro Stefan Heidemann Basilio Johann Tilli Fiorillo Hans Lydmann Ambrogio Wilhelm Richter Berta Nassrin Azarmi Ein Offizier Wolfgang Biebuyck
Mit Rossinis "Barbier von Servilla" eröffnete die deutsche Oper am Rhein die Spielzeit in Duisburg. Der Inszenierung von Chris Alexander lag eine gute Idee zugrunde. Wie im Programmheft dokumentiert wird, bringt Alexander die turbulente Geschichte um den gewitzten Frisör mit der Comedia dell' arte und außerdem mit der Stummfilmkomödie der 20er Jahre zusammen. Verblüffend ist die reiche Zusammenstellung der Filmtitel zur Figur des Figaro, die im Programmheft vorliegt; sie gibt zudem weitere Bezüge zum Comic-Genre her. Die Formel der Regie lautet: Slapstick durch die Jahrhunderte, und sie macht neugierig.
Nun denn, vielleicht wäre es doch besser bei Hinweisen und Zitaten zu der gewitzten Verbindungslinie geblieben, denn hegt man bald Zweifel bezüglich der tatsächlichen Durchführbarkeit einer Oper als Slapstick-Comic-Stumm(!)film, so wird man an diesem Abend nicht gerade vom gekonnten Gegenteil überzeugt.
Da die Wirklichkeit nicht scharz-weiß ist, wie die Filme, so wird der Stummfilm koloriert, und in dieser Inszenierung mit grellen, bewußt schrillen Comicfarben. (Interessant wäre das Projekt gewesen, Bühne und Kostüme tatsächlich in schwarz-weiß auszustatten.) Gut - ein kolorierter Stummfilm also und außerdem natürlich alles andere als stumm. Auch durch die Sängerdarsteller stößt das Projekt schnell an seine Grenzen, denn diese zeigen bemühten, nachgeäfften Slapstick durchsetzt von verstaubten Operngesten, der zumeist in starke Albernheit abrutscht. Eine Ausnahme bildet da lediglich die Darstellung des Figaros durch Stefan Heidemann. Manche Witze und geplante Kollisionen können auch deshalb auf der Bühne nicht natürlich witzig wirken, weil das Timing der Personen nicht stimmt, bzw. nicht vorhanden ist.
Zum Finale des ersten Aktes werden dann schließlich eine Reihe von Klimbim-Effekten draufgesetzt, durch die der gewollte Comic-Stummfilm in bedrohliche Nähe zur Familien-Billig-Serien-Sendung gerückt wird. Und - wozu das auch noch auf der Opernbühne? Haben wir davon nicht schon genug? Oder soll uns diese Bildersprache gerade als aktuelle Variante vor Augen geführt werden? Was für ein Erkenntnisgewinn!
Und musikalisch, was war da los? Erfreulich war allenfalls Figaros kräftige, gut geführte Stimme, ansonsten überzeugte keiner der Sänger. Bei Andrea Edina Ulbrich fiel die Manier der künstlich gedunkelten Vokale unangenehm auf, ihr Italienisch wurde dadurch natürlich gänzlich unverständlich. Ulbrich und auch Jörg Schneider als Graf waren weit von einer differenzierten Interpretation ihrer Partien entfernt. Die effekthafte Art zu musizieren wurde aber wohl ausdrücklich von der Regie abverlangt. So sang der Graf auch lange Passagen im Quietsche-Micky-Maus-Ton, wie witzig! Im Ensemble fielen vor allem Defizite beim Einsatz der mezza-voce auf, und das Buffo-Geplapper war oft nicht präzise genug und daher nicht immer mit dem Orchester zusammen.
Das Orchester unter Francesco Corti fand erst allmählich den musikalischen Zusammenhalt. Es unterstütze die Inszenierung insofern, als daß sich mitunter auch leichter Klimblim-Klang in den Ausdruck mischte.
Für die Rezensentin war der Abend nicht einfach durchzustehen, dem Publikum gefiel es hingegen außerordentlich. Nun, da bin ich wohl überstimmt. Fehlt mir der richtige Sinn für Humor? Von den "großen poetischen Motiven" der Stummfilmkomödie, von denen das Programmheft kündet, habe ich zumindest nicht das Geringste bemerkt.